War ich bisher froh, ein paar Tage lang nichts vom Osnabrücker Klein-Klein der Verkehrspolitik mitzubekommen, hatte ich heute kurz das Gefühl, es sei schon wieder 1. April. Was lese ich da online? Die Schutzheiligen der Osnabrücker Autofahrer, die Radfahrer bisher vorwiegend als lästige Verkehrshindernisse und pathologische Regelbrecher gesehen und ihnen Gleichberechtigung im Straßenverkehr weitestgehend abgesprochen haben, rufen Bürgerinnen und Bürger jetzt auf, „echte Gefahrenpunkte in Osnabrück“ zu melden. Am 9. September wolle man sie dann auf einer gemeinsamen – Achtung: RADTOUR – abfahren, um dann anschließend „im Rat entsprechende Anträge zum besseren Schutz aller Verkehrsteilnehmer einzubringen“.

Das ist an Ironie natürlich nicht zu überbieten. Wenn man es so oberflächlich betrachtet. Denn eigentlich geht es dem Bund Osnabrücker Bürger bei dieser Aktion gar nicht um die Sicherheit der Radfahrerinnen und Radfahrer in Osnabrück. Hier wird nur mal wieder versucht, die Beschlüsse des Rates und die Arbeit der Verwaltung zu untergraben sowie die Entwicklung hin zur Fahrradstadt Osnabrück zu torpedieren. Man erkennt das ganz hervorragend an dem Aufruf selbst, wenn man genauer liest und hinschaut.

Hier geht es nicht um Sicherheit, hier geht es gegen Osnabrück als Fahrradstadt. Es geht um Kosmetik, nicht um sichere Strukturen.

Eigentlich geht es nämlich um die 275.000 Euro, die der neue Radweg am Wall gekostet hat. So viel darf ein Radweg aus Sicht dieser Wählervereinigung nämlich nicht kosten. Weil Radfahrer so viel nicht wert sind.

Wüsste man es nicht besser, müsste man jetzt wirklich überlegen, ob sie es in der Autofahrerfraktion nicht besser wissen oder ob dieser Aufruf wieder nur ein wütender Schnellschuss ist.

Zunächst heißt es, dass „der Radweg [der jetzt umgebaut wurde] als sicher galt“. Zur Erinnerung: Er verlief handtuchbreit zwischen Gehweg und Parkstreifen. Kritisiert wird jetzt aber ein Stück VOR diesem umgebauten Teil, wo Radfahrer und Fußgänger angeblich „auf Konfrontationskurs“ seien. Ja, das waren sie vorher auch schon. Denn dort hat sich ja nichts verändert, weil man die Bäume zurecht nicht fällen wollte. Ein Kompromiss. Warum galt der weitere Verlauf denn aber als sicher, wenn dieser „Konfrontationskurs“ zwischen Fußgängern und Radfahrern dort auch noch durch sich öffnende Beifahrertüren angereichert wurde?

Nächster Punkt: Radfahrer würden „nach dem Umbau leider im toten Winkel der Rechtsabbieger“ fahren. Richtig, wenn Autofahrer den Schulterblick nicht machen, können sie Radfahrer nicht sehen. Um dem vorzubeugen, wurden an den drei Einfahrten extra schräge Kantsteine eingesetzt, die Autofahrer zwingen, langsam abzubiegen. So bleibt mehr Zeit für alle Beteiligten zu reagieren. Vergleicht man dieses „Argument“ mit der Situation VOR dem Umbau, kann man sich eigentlich nur noch an den Kopf fassen. Denn da fuhren Radfahrer ja auch noch hinter einer Reihe geparkter Autos. Und weil diese – Stichwort SUV, auch in dieser Wählervereinigung verbreitet – immer größer werden, hatten abbiegende Autofahrer selbst mit Schulterblick kaum eine Chance etwas zu sehen. Jetzt sehen Sie die Radfahrer hingegen schon vorher beim Überholen. Also auch hier eine Argumentation, die ins Leere läuft. Der Umbau stellt eine tatsächliche Verbesserung der Situation dar.

Als Alternative wird nun ausgerechnet der Bike-Flash ins Spiel gebracht – ein 15.000 Euro teures System, das nirgends wirklich erprobt ist und meiner Meinung nach nur noch mehr Ablenkung in den Verkehrsraum bringt. Es sei ja aber günstiger als der umgebaute Radweg. Man hätte dann aber auf dieser kurzen Strecke schon mal drei davon installieren müssen – in so kurzen Abständen, dass man sich bei dem orangen Blinklicht permanent auf einer Baustelle wähnen würde. Bringt das einen Sicherheitsgewinn?

Dann wird es noch ein bisschen lächerlich: Als man Fotos für den Aufruf gemacht hatte, war wohl eine radverkehrsarme Zeit am Wall. Oder man hat extra gewartet, bis man ein Bild ohne Radfahrer machen konnte. Dazu heißt es: „Schönstes Wetter: Aber kaum Radfahrer auf der “protected lane”….“ Diese Taktik kennen wir schon von diversen Staubildern. Es wird immer nur der Stau im Berufsverkehr fotografiert, nie die weitgehend freien Straßen am restlichen Tag. Um diese Strecke für den unbefangenen Leser einzuordnen: Es ist ein von Schülerinnen und Schülern stark frequentierter Abschnitt auf dem Weg zur Fahrradstraße Katharinenstraße und in die Weststadt. Und unseren Jüngsten (zumindest denen, die noch nicht mit dem SUV zur Schule gebracht werden) sollte es uns doch wert sein?!

Kritisiert nicht das kurze Stück, macht es länger!

Will man bei der Wählervereinigung nun also etwas für die Sicherheit des Osnabrücker Radverkehrs tun, sollte man einfach der „Regenbogenkoalition“ und der Verwaltung zustimmen. Die hat nämlich in weiten Teilen verstanden, was in Bezug auf die „vielen neuralgischen Punkte“ zu tun ist. Festgehalten ist das u.a. im Radverkehrsplan 2030. (Man könnte es nur auch schneller umsetzen.) Man könnte sich die Zeit für die Radtour auch sparen und das nächste Mal einfach bei der radpolitischen Tour des ADFC mitfahren. Der veranstaltet sowas nämlich regelmäßig. Oder noch besser: Man könnte sich jetzt für eine Weiterführung des neuen Radweges bis zur Kommenderiestraße einsetzen. Denn das kann hier nur ein Anfang gewesen sein. Aber, Achtung Spoiler, das wird nicht billig…

Und ganz zum Schluss noch der finale Beweis, dass die ganze Aktion mal wieder nur eine persönliche Sache und gegen Stadtbaurat Frank Otte gerichtet ist. Das Ende der URL zeigt es: https://www.bob-os.de/den-radfahrer-im-toten-winkel-klare-kante-gegen-autofahrer-danke-herr-otte/

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Fotos: dd