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Osnabrück

Strukturelle Gefährdung darf keinen Bestandsschutz haben

In der Osnabrücker Liebigstraße wurden die Schutzstreifen, über die ich bereits mehrfach geschrieben habe, gerade neu markiert. Das gefällt uns gar nicht.

In der Osnabrücker Liebigstraße wurden die Schutzstreifen, über die ich bereits mehrfach geschrieben habe, gerade neu markiert. Ich hatte um breitere Schutzstreifen gebeten. Ich hatte um Tempo 30 und Entfernung der Streifen gebeten. Ich hatte angeregt, die Liebigstraße mittelfristig zur Fahrradstraße umzubauen und bis dahin ein Überholverbot von Radfahrenden anzuordnen. Aber alles, was Radfahrerinnen und Radfahrer jetzt bekommen, ist neue Farbe. Zusammen mit Volkmar Seliger vom ADFC Osnabrück kritisiere ich dieses Auffrischen veralteter und nicht mehr zeitgemäßer Radverkehrsführung. Die Konstellation ohne Sicherheitsabstand zu den Parkstreifen ist denkbar schlecht.

Volkmar Seliger, Verkehrsgruppe ADFC Osnabrück: „Es ist für uns völlig unverständlich, dass hier nicht mehr regelkonforme Schutzstreifen einfach neu markiert werden. Dabei sieht der Radverkehrsplan 2030 bereits vor, die Liebigstraße zur Fahrradstraße zu machen. Stattdessen zwingt man Radfahrende auf diesen schmalen Schutzstreifen nun in die Gefahr von Türunfällen. Eigentlich müsste zu den Parkstreifen ein Sicherheitsraum abmarkiert sein, damit Radfahrer nicht von Autotüren in der ‚Dooring Zone‘ getroffen werden können.“ Erst vor einigen Monaten war ein Radfahrer am Wallring durch eine geöffnete Autotür verletzt worden.

Nicht mal das Piktogramm passt komplett auf den Schutzstreifen. Die veraltete Mindestbreite von 1,25 Meter wird nur erreicht, indem der Rinnstein und die Markierung mitgerechnet werden. Der wirkliche Schutzstreifen ist abschnittsweise gerade mal 90 Zentimeter breit.
Foto: dd

Bei der aktuellen Situation in der Liebigstraße können sich zwar zwei Autos begegnen, ohne den Schutzstreifen befahren zu müssen. Fährt dort dann aber ein Radfahrer, wird der vorgeschriebene Überholabstand von 1,5 Metern nicht eingehalten. Das gefährlich knappe Überholen erlebe ich fast täglich. Autofahrer orientieren sich auf dieser Abkürzungsstrecke zwischen Wall und Bohmter Straße an der gestrichelten Linie und überholen zum Teil zentimeternah. Fahre ich dann knapp links der gestrichelten Linie, um nicht von Autotüren getroffen werden zu können, werde ich durch Hupen und Schneiden genötigt. Diese veralteten Schutzstreifen können nicht der Anspruch einer Stadt sein, deren Ziel die Top 5 der deutschen Fahrradstädte 2030 ist. Nur weil die Schutzstreifen vor Ewigkeiten mal so aufgetragen wurden, kann es nicht sein, dass sie einfach immer wieder erneuert und nicht hinterfragt werden. Diese strukturelle Gefährdung darf keinen Bestandsschutz haben.

Insofern irritiert mich auch eine Pressemitteilung der SPD-Ratsfraktion, die sich für die unkomplizierte Umsetzung ihrer Anregung zur Erneuerung der Fahrbahnmarkierungen in der Liebigstraße bei der Stadt Osnabrück bedankt. „Besonderes Anliegen war es uns, dass die Markierungen für den Radweg nun wieder markant hervorgehoben wurden. Gerade in der jetzigen dunkleren Jahreszeit ist es wichtig, dass sowohl Auto- als auch Radfahrer gut sichtbar die Verkehrsräume nutzen. Dazu gehören eben auch entsprechend deutliche Abgrenzungen der Fahrspuren“, heißt es darin. Wo sind die Verkehrspolitiker*innen der SPD? Hier wird der nicht mehr regelkonforme und viel zu schmale Schutzstreifen gar nicht hinterfragt.

Wir fordern daher eine zügige komplette Neuplanung der Liebigstraße, die schließlich als wichtigster Zubringer zum Radschnellweg bzw. als ‚letzte Meile‘ in Richtung Innenstadt dient. Eine Umgestaltung zur Fahrradstraße in 2021 muss das Ziel sein. Bis dahin regen wir an, die ungenügenden Schutzstreifen zu entfernen und Tempo 30 auf der gesamten Liebigstraße anzuordnen. Auch über die neu geschaffene Möglichkeit des Überholverbots von Radfahrenden sollte sich die Stadt ernsthafte Gedanken machen. In anderen Bundesländern wie Hessen und Nordrhein-Westfalen wird das bereits angeordnet.

Aktuell ist der Verkehrsraum extrem ungerecht verteilt.

9 Antworten auf „Strukturelle Gefährdung darf keinen Bestandsschutz haben“

„Besonderes Anliegen war es uns, dass die Markierungen für den Radweg nun wieder markant hervorgehoben wurden. Gerade in der jetzigen dunkleren Jahreszeit ist es wichtig, dass sowohl Auto- als auch Radfahrer gut sichtbar die Verkehrsräume nutzen. Dazu gehören eben auch entsprechend deutliche Abgrenzungen der Fahrspuren“

Allein über dieses Zitat, der SPD, ist so falsch, dass man einen eigenen Artiekl schreiben kann.

„Besonderes Anliegen war es uns, dass die Markierungen für den Radweg nun wieder markant hervorgehoben wurden.“ Welcher Radfahrweg? Ein Radschutzstreifen ist kein Radfahrweg. Er besitzt keine benutzungspflicht und sollte daher auch nichtg gesondert hervorgehoben werden.

„Gerade in der jetzigen dunkleren Jahreszeit ist es wichtig, dass sowohl Auto- als auch Radfahrer gut sichtbar die Verkehrsräume nutzen.“ Verkerhsräume? Dies ist eine große Fahrbahn. Diese darf von Autofahrern wie Radfahrern genutzt werden. Der äußere Streifen sollte von Radfahrern wie Autofahrern nicht genutzt werden. Von Radfahrern, weil dieser in der Dooring-Zone liegt. Von Autofahrern nicht, da ein Radschutzstreifen nur bei bedarf genutzt werden sollte. Radfahr-Piktogramm und rote Farbe ist sehr kontraproduktiv da er fälschlicherweise verschiedene Verkehrsräume sugeriert. Das dies bei vielen so Wirkt, ist kann man dem Satz der SPD sehr gut entnehmen.

„Dazu gehören eben auch entsprechend deutliche Abgrenzungen der Fahrspuren“ Zu dem Satz, kann ich das gleiche wie oben schreiben. Es gibt keine abgegrenzten Fahrspuren. Durch jegliche Markierung, die soetwas andeutet, festigt man nur den falschen Eindruck.

Selbst wenn man das ganze umgangssprachlich interpretiert, dann gäbe es höchstens einen gefährlichen „Radweg“, gefährliche gut sichtbare „Verkehrsräume“ oder gefährliche abgegrenzte „Fahrspuren“. Wer nur kurz das Internet bemüht, sollte sich für eine entfernung, versetzung oder verbreiterung einsetzen und auf keinen Fall, diese Gefahr markieren, als wenn Radfahrer diese benutzen sollten oder müssten.

Warum sich der ADFC in dieser Weise dazu äußert, verstehe ich nicht.

Vorgesehen sind 1,5m Abstand zu parkenden Autos. Damit fährt man links der gestrichelten Linie und macht Überholen bei Gegenverkehr unmöglich. Das ist der sinnvolle Umgang mit dieser Verkehrssituation und darüber hinaus sogar regelkonform. Dazu sollte der ADFC aufrufen und nicht dahingehend verunsichern, es gäbe hier ein Zwang zum Fahren in der dooring-zone.

Das würden wir alle gerne, Daniel.
Aber im Alltag auf dem Rad muss man irgendwie auf solche Infrastrukturen reagieren. Und das geht am sichersten wie BICLONAVTIS es beschrieb.
Man muss nicht immer einer Meinung sein, ich finde super was du so lange schon machst!

Ja man kann das für sich ja auch machen. Mach ich ja auch. Aber Kindern, Jugendlichen oder unsicheren Radfahrern zu sagen, man soll da nicht fahren, wo extra die Fahrradsymbole aufgetragen sind, weil das schlecht umgesetzt ist, ist doch total lebensfremd.

Wo sind die 1,50 m explizit vorgeschrieben?

Das die Diskussionen in der Radszene sich wiederholen, ist tatsächlich ermüden, aber trotzdem begegnet man dort doch immer wieder Regelunkenntnis und Mythen. Und gerade den Einsteigern muss man den Umgang doch damit erklären, weil die sehen da einen „Radweg“, die man ja z. B. laut ADFC-Verlautbarungen brauch.

Und ohne Schutzstreifen wird es in absehbarer Zukunft kein durchgehendes „Radweg“-Netz geben.

Auch auf der Seite steht nirgends, dass 1,50 m vorgesehen (=explizit vorgeschrieben) sind.

Auch die Kommentierung zu § 6 StVO in 2 gerade mal zu Rate gezogen Kommentaren kennen keinen festen Wert (was ja auch aus dem verlinkten Artikel deutlich wird)

Gute , breite und sichere Radwege sind sicherlich das Optimum.
Auch sollte mal ein Konsens darüber erfolgen ob die Radwege direkt an der Straße geführt werden oder lieber auf dem Hochbord .
Am wichtigsten ist jedoch das sich alle an die Verkehrsregeln halten – das würde die meisten gefährlichen Situationen von vornherein entschärfen .
Und ich sehe zB kein Problem darin Radfahrern den nötigen Raum zu lassen , wenn ich mit PKW oder LKW unterwegs bin . Zur Not muss man halt mal etwas warten bis man überholen kann….
Alles eine Frage der gegenseitigen Rücksichtnahme…..

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