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Radverkehr

So soll Hamburg zur Fahrradstadt werden

Was in Berlin mit dem Mobilitätsgesetz schon auf dem Weg ist, soll nun auch in Hamburg folgen. Studenten, Berufstätige und Rentner, Männer und Frauen, Singles, Eltern und Großeltern haben sich zusammengefunden, um den Radverkehr in der Hansestadt mit einem Radentscheid voranzubringen. Der Zeitplan sieht so aus, dass als erstes eine Volksinitiative im März 2019 ansteht. Dabei müssen in Hamburg in einem Zeitraum von 6 Monaten 10.000 gültige Unterschriften von Wahlberechtigen Hamburger Bürger gesammelt werden. Reine Formsache, wenn ich mich fragt. Dann soll ein Volksbegeheren im Mai 2020 folgen. Um das erfolgreich abschließen zu können, muss die Inititive von einem zwanzigstel der Wahlberechtigten Hamburger Bürger unterstützt werden, das sind derzeit rund 65.000 zu sammelnde Unterschriften über einen Zeitraum von drei Wochen. Das wird sportlich, aber sollte mit fleißigen Unterschriftensammlern zu schaffen sein.

Am Ende kommt es dann auf die Wählerinnen und Wähler bei der Bundestagswahl am 24. Oktober 2021. Sie stimmen zeitgleich für oder gegen den Volksentscheid. Damit der Volksentscheid erfolgreich wird, muss er die Mehrheit der abgegebenen Stimmen erhalten und dabei eine Anzahl von Ja-Stimmen erreichen, die der Mehrheit der in dem gleichzeitig gewählten Parlament repräsentierten Hamburger Stimmen entspricht.

Und für diese 12 Ziele kämpft die Gruppe:

1. Dichtes, barrierefreies Radfahrnetz für alle

Die Radinfrastruktur ist durchgängig mit einem ebenen und dauerhaft gut befahrbaren Belag zu versehen, der sich farblich von angrenzenden Flächen absetzt. Die Fuß- und Radwege werden jeweils für sich Höhengleich geführt. Bei Ein- und Ausfahrten kommen Kurzrampen, z.B. angeschrägte Kantsteine zum Einsatz, so dass das Niveaugefälle zwischen Fußweg und Radweg bzw. zur Fahrbahn zum Schutz der Fußgänger und Radfahrer vor dem ein- und ausfahrenden Kfz-Verkehr als natürliche Verkehrsberuhigung erhalten bleibt. Bei Einmündungen wird entsprechend verfahren. Steigungen, seitliches Gefälle, Durchlässe und Kurvenradien müssen Behindertengerecht ausgeführt werden. Insbesondere sind Dreiräder, Handbikes und niedrige Sitzhöhen in der Planung zu berücksichtigen.

2. Sichere Schulradwege für Hamburgs Kinder

a) Einsatz von Schulradwegen
Die weiterführenden Schulen werden durch kindgerechte Schulradwege miteinander verbunden. Kindgerecht bedeutet vor allem eine möglichst Kfz-verkehrsarme Führung. Auf Strecken mit einem Kfz-Aufkommen von mehr als 2500 Kfz/Tag und mehr als 1% Schwerlastverkehr ist eine bauliche Trennung des Schulradwegs vom Kfz-Verkehr notwendig. Die Breite beträgt dann mindestens 2,25m. Diese Radwege sind im Allgemeinen nicht benutzungspflichtig. Entlang der Schulradwege gilt maximal Tempo 30.

b) Zeitplan
Im zweiten Jahr nach Gesetzesannahme werden 50 km Schulradwege fertiggestellt, im dritten Jahr 100 km und in den darauffolgenden Jahren je 150 km bis Vollzug.

c) Schulradwegpläne
Jede weiterführende Schule erstellt einen Schulradwegplan. Die Schulen richten eine Stelle „Schulradverkehrsbeauftragte“ ein. Zu deren Aufgaben gehören die Pflege des Schulradwegplans sowie die Erfassung der besonders frequentierten Wegebeziehungen der Schülerschaft.
Vollzug: Zwei Jahre nach Gesetzesannahme. Diese Wege werden wie unter a) als Schulradwege ausgebaut, sofern nicht bereits Radinfrastruktur wie unter Punkt 3. oder 4. vorhanden oder geplant ist. Die Schulradwegpläne der Schulen mit niedrigem Sozialfaktor (Kess-Faktor) sind bevorzugt abzuarbeiten.

d) Radabstellanlagen an weiterführenden Schulen
An den Schulen werden ausreichend geschützte Radabstellanlagen errichtet. Aus Platz- und Witterungsschutzgründen kommen in der Regel Doppelstockanlagen zum Einsatz.

Im ersten und allen folgenden Jahren werden jeweils mindestens 15 Schulen entsprechend ausgestattet. Vollzug an allen Schulen: 5 Jahre nach Gesetzesannahme

3. Kreuzungsarme Radschnellwege für den Weg zur Arbeit

Für den Berufs- und Pendelverkehr und um längere Strecken für den Radverkehr zu erschließen, errichtet Hamburg ein Netz von Radschnellwegen. Die Übergänge ins Umland werden mit der Metropolregion abgestimmt. Für das Radschnellwegenetz dient die Struktur des Veloroutennetzes als Vorlage. Zusätzlich werden Verbindungen zwischen bzw. Abzweige zu den regionalen Zentren wie Altona und Wandsbek gebaut.

a) Die Streckenführung:
Führung wo immer möglich entlang von Grünzügen, Bahnanlagen oder Autobahnen, möglichst mit Sichtbeziehung zur nächsten Straße
Führung auf eigenen Trassen oder auf Radwegen entlang von Hauptstraßen. Wo dies nicht möglich ist, Führung auf Straßen, die für den motorisierten Durchgangsverkehr gesperrt sind.
Nahegelegene U- und S-Bahnhöfe werden in die Streckenführung integriert.
Die Radschnellwege müssen auf verkehrsreichen Straßen baulich getrennt als Protected Bike Lane vom Kraftfahrzeugverkehr geführt werden, Mindestabstand (Puffer): 1m
Hindernisse (z. B. Umwege, scharfe Knicke) müssen vermieden werden

b) Der Ausbau
Mindestens 4,50 m Breite im Zwei- und 2,80 m im Einrichtungsbetrieb: Gefahrloses Überholen von (Kinder-) Anhängern und Nebeneinanderfahren zu zweit muss möglich sein
Radschnellwege werden gegen das versehentliche Betreten von Fußgängern gesichert.
Hohe Belagsqualität: Witterungsunabhängig, Rollwiderstandsarm und Einheitlich, vorzugsweise aus Asphalt oder Beton, so dass auch Geschwindigkeiten von 30 km/h durchgehend und gefahrlos möglich sind.
Keine ungesicherten Querungen, in der Regel Vorfahrt an Knotenpunkten; bei Querungen von größeren Straßen Anlage von Sprunginseln, die auch Räder mit Anhänger aufnehmen können. Bei Querung von größeren Straßen kommen wenn möglich auch Tunnel und Brücken zum Einsatz.
Geringe Zeitverluste an Ampeln, maximale Wartezeit 45 sec/km und grüne Welle bei einer Richtgeschwindigkeit von 20-25 km/h, Durchgängige Beleuchtung , Aufwertung durch Zählstellen, Trinkbrunnen, Luftpumpstationen, Trittauflagen an Ampeln, geneigte Papierkörbe und dynamische Tempoanzeige für grüne Welle, regelmäßige Wartung, priorisierter Winterdienst, Wartungshotline, durchgängige Zielwegweisung. Auf Radschnellwege wird im Straßenbild hingewiesen. Sicht-einschränkende Bepflanzung möglichst erst in 3 m Entfernung.

4. Breite und geschützte Radwege an allen Hauptstraßen

Alle Hauptverkehrsstraßen werden mit Radverkehrsanlagen ausgestattet.

a) Führung
Die Stadt Hamburg schafft entlang der Hauptverkehrsstraßen pro Kalenderjahr mindestens 30 km Radwege. Dabei werden zwei Kreuzungen bzw. Einmündungen stets lückenlos miteinander verbunden.

b) Ausführung
Die Radwege werden an jeder Straßenseite als Einrichtungsradwege und mindestens 2,30 m breit hergestellt. Eine geringere Breite ist nur an baulich bedingten Engstellen wie z.B. Brücken zulässig. Hier dürfen 1,50 m nicht unterschritten werden. Die Radwege werden von der Fahrbahn und dem Fußweg durch ein bauliches Element so abgetrennt, dass missbräuchliches Befahren, Halten und Parken von Kfz sowie versehentliches Betreten erschwert wird. Zum stehenden Verkehr wird in der Regel ein Pufferabstand von einen Meter eingerichtet. Wird der Radweg auf der Fahrbahn geführt gilt dies auch für den Abstand zum fließenden Verkehr (Protected Bike Lane). Das bauliche Element wird dann in der Mitte der Pufferzone platziert.




5. Fahrradstraßen ohne motorisierten Durchgangsverkehr

Innerhalb von Wohngebieten werden für die Errichtung des Radverkehrsnetzes Fahrradstraßen ausgewiesen. Sie dienen der Verbindung von Schulradwegen, Radwegen an Hauptverkehrsstraßen und Radschnellwegen zu einem lückenlosen und engmaschigen Netz. Sie sind auch für den motorisierten Anliegerverkehr zugängig und weisen Parkmöglichkeiten aus. Für den motorisierten Durchgangsverkehr sind sie undurchlässig. Dies wird beispielsweise durch Kappung von Straßenteilen, durch Diagonalsperren oder durch gegenläufige Einbahnstraßenführung sichergestellt. Jährlich werden 30 km Fahrradstraßen ausgewiesen und hergerichtet.

6. Geschützte Kreuzungen nach niederländischem Muster

Die Stadt Hamburg baut pro Kalenderjahr 5 der unfallauffälligsten und konfliktreichsten Kreuzungen bzw. Einmündungen an Hauptverkehrsstraßen um. Der Umbau erfolgt nach dem Konzept der „Protected Intersection“ (geschützte Kreuzung) mit dem Ziel, die Sicherheit und Sichtbarkeit des Fuß- und Radverkehrs zu erhöhen. Dies wird dadurch erreicht, dass die Aufmerksamkeit der Autofahrenden nicht abgelenkt wird. Um Fuß- und Radverkehr bei den unfallauffälligen Kfz-Abbiegevorgängen in den frontalen Sichtbereich des Kraftverkehrs zu führen und dessen Geschwindigkeit zu verringern, sind Schutzinseln anzulegen, die einen hinreichend engen Abbiegeradius für Kfz sicherstellen. Die Haltelinien für den Radverkehr befinden sich unmittelbar an der zu querenden Fahrbahn. Die Knotenpunkte werden mit eigenen Ampeln für den Radverkehr ausgestattet und mit einem Zeitvorsprung für Rad- und Fußverkehr geschaltet. Fußverkehrsampeln schalten auch ohne Tastendruck auf grün. Durch die Position der Ampeln wird freies Rechtsabbiegen für den Radverkehr ermöglicht.

Die vier wesentlichen Designelemente der Protected Intersection sind:

  • Vorgezogene Schutzinseln in allen vier Kreuzungspunkten
  • Vorgezogene Haltelinien für den Radverkehr
  • Verschwenkungen vor den Fahrbahnüberführungen für Rad- und Fußverkehr
  • Rad- und Fußverkehrsfreundliche Ampelschaltungen

7. Rad- und Fußverkehrsfreundliche Ampeln

Die Überquerung eines jeden Kreuzungsarmes muss für den Fuß- und Radverkehr mit einer Ampelphase möglich sein. Der Radverkehr bekommt immer eigene, vom Fußverkehr getrennte, Ampeln. Diese enthalten eine Gelbphase und schalten ohne Anforderung auf Grün.

8. Rad- und fußverkehrsfreundliche Baustellengestaltung

Bei der Einrichtung von Baustellen, die sich auf die Radverkehrsführungen auswirken, wird nach folgenden Punkten verfahren:

  • die Barrierefreiheit der Radverkehrsanlage bleibt erhalten
  • die Trennung zum Fußverkehr bleibt erhalten
  • wo vorhanden, wird die Trennung vom Kfz-Fließverkehr erhalten. Sollte dies nicht möglich sein, wird Tempo 20 angeordnet.
  • die Höhenübergänge sind radverkehrsfreundlich zu gestalten
  • Umleitungen werden rechtzeitig angekündigt und ausgeschildert

9. Diebstahlsicheres Fahrradparken

Im Wohnungsbau tritt eine Fahrrad-Stellplatzverordnung in Kraft. Pro Wohneinheit werden zwei Fahrradabstellplätze bereitgestellt plus 10% auf die Summe. Der Zugang wird barrierefrei angelegt. Mehrspurige Räder bzw. Lastenräder sind dabei zu berücksichtigen. Mindestens 25% dieser Abstellplätze eines Mehrfamilienhauses werden umbaut und diebstahlgeschützt. Die Stadt Hamburg erleichtert die Aufstellung und verbessert die finanziellen Konditionen für die Hamburger Fahrradhäuschen. Alle Hamburger Schnellbahn- und Busbahnhöfe erhalten eine bedarfsgerechte Anzahl von anschließbaren Radabstellplätzen. Es werden Ladestationen für E-Bikes eingerichtet. Der Bedarf wird im Zweijahresabstand ermittelt. 20% der Abstellplätze werden durch Umbauung diebstahlgeschützt. In der Regel kommen ab einem Bedarf von 60 Plätzen Doppelstockanlagen oder, insbesondere bei Fernbahnhöfen, Fahrradparkhäuser zum Einsatz. In den Bezirkszentren, in Einkaufsstraßen und an Supermärkten wird eine bedarfsgerechte Anzahl von anschließbaren Radabstellplätzen eingerichtet.

10. Instandhaltung, Pflege und Reinigung von Radverkehrsanlagen

Ein hoher baulicher und Instandhaltungsstandard sowie eine gute Pflege und Reinigung sind unverzichtbare Grundlage für die Benutzbarkeit, insbesondere für die Sicherheit und den Fahrkomfort auf Radverkehrsanlagen. Bei Schnee, Eis, Laubfall, freiliegendem Splitt und sonstigen Verunreinigungen werden die Radverkehrsanlagen vorrangig und unverzüglich gereinigt. Von allen Radverkehrsanlagen haben die ausgewiesenen Schulradwege und die Radschnellwege die höchste Priorität. Die Stadtreinigung Hamburg stellt ihre Einsatzpläne und ihren Maschinenpool darauf ein und richtet eine Wartungshotline ein.

11. Evaluation und wissenschaftliche Begleitung des Radverkehrsgesetzes

a) Evaluation des Radverkehrs
Der Radverkehr in Hamburg wird im Zweijahresabstand evaluiert. Der Schwerpunkt liegt in der Erfassung des Radverkehrsanteils, des Quell- und Zielverkehrs, der Konflikte mit anderen Verkehrsteilnehmern sowie der Zusammensetzung des Radverkehrs nach Alter, Geschlecht und sozialem Status. Innerhalb der zweijährigen Erhebung bildet im Turnus die Feinanalyse je eines Hamburger Bezirks einen gesonderten Schwerpunkt. Die Daten fließen mit dem Ziel der Erhöhung des Radverkehrsanteils in die Anpassung der Maßnahmen ein. Auf spezielle Quartiersgegebenheiten wird dabei eingegangen.

b) Evaluation der Baumaßnahmen
Mit 5%-10% der Investitionssumme werden Vorher-Nachher (Nachher: 1 Jahr, 3 Jahre, 5 Jahre) Evaluationen finanziert.

Wichtige Kennzahlen sind:

  • Änderung der Radverkehrsstärke im Bereich der Maßnahme
  • Änderungen in der Zusammensetzung des Radverkehrs nach Alter, Geschlecht, Anteil von Transporträdern für Kinder oder Lasten
  • Länge der Wegstrecke und Wegezweck
  • Konflikte mit anderen Verkehrsteilnehmern
  • Entwicklung der Wohn- und Aufenthaltsqualität der Anlieger und des Umsatzes des anliegenden Einzelhandels

12. Erhöhung der Verkehrssicherheit durch Trennung von planender und überwachender Behörde

Die Unteren Verkehrsbehörden werden aus der Zuständigkeit der Polizei herausgelöst und in die Bezirksämter eingegliedert. Erläuterung: Eine moderne Verkehrssicherheitskultur ist für die Förderung des Radverkehrs von zentraler Bedeutung. Die Anordnung von stets auch sicherheitsrelevanten Maßnahmen muss von der Überprüfung dieser Maßnahmen bei der Ermittlung von Unfallhergängen und Unfallursachen personell und strukturell getrennt sein.

Eine Antwort auf „So soll Hamburg zur Fahrradstadt werden“

„Die Radinfrastruktur …“
Schon durchgefallen. Hoffentlich wird das nichts.

„… ist eine bauliche Trennung des Schulradwegs vom Kfz-Verkehr notwendig.“

Eine echte Trennung wird es mit Sicherheit nicht geben. Mehr als eine Scheintrennung ist in der Stadt gar nicht möglich.

Und weiter: „Radwege, Radwege und Radwege“. Radentscheid Hamburg – mit freundlicher Unterstützung des ADAC.

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