Der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) fordert zum wiederholten Male eine konsequente Förderung des Radverkehrs. „Anstatt um Fahrverbote muss es aktuell darum gehen, gute Alternativen zum Auto zu schaffen, damit die Bürgerinnen und Bürger umsteigen“, erklärte Roland Schäfer, 1. Vizepräsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes und Bürgermeister der Stadt Bergkamen anlässlich des 3. Deutschen Kommunalradkongresses in Göttingen.
Platz, Sicherheit und Komfort – der Dreiklang für mehr Radverkehr
Der Förderung des Radverkehrs komme neben dem ÖPNV bei der notwendigen Verkehrswende eine Schlüsselstellung zu. Durch innovative Lösungen beim Radverkehr könne die Verkehrswende in den Städten beschleunigt werden. So trügen Lastenfahrräder als Bestandteil einer zukunftsweisenden City-Logistik zu einem umweltfreundlichen Transport von Menschen und Gütern bei, die zudem platzsparend sei. Darüber hinaus könnten mit der Digitalisierung verschiedene Verkehrsmittel wie das Fahrrad, der ÖPNV, und die E-Mobilität miteinander vernetzt und so ein überzeugendes und komfortables Mobilitätsangebot geschafft werden.
Dass es aber in erster Linie gar nicht so sehr um innovative Lösungen geht, weiß Rolf-Georg Köhler, Oberbürgermeister der Stadt Göttingen: „Es ist erforderlich, durch ein Bündel von Maßnahmen den Radverkehr im Alltag der Menschen noch attraktiver zu gestalten und damit die Lebensqualität in den Städten zu verbessern. Anknüpfungspunkt sind kommunale Verkehrskonzepte, die den Dreiklang aus Platz, Sicherheit und Komfort für Radfahrerinnen und Radfahrer konsequent umsetzen.“ Für diesen Dreiklang sind weniger Innovationen nötig sondern in erster Linie Mut. Nämlich Mut zu einer Neuverteilung der Verkehrsfläche.
Kritik an Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer
Konkret wurde auf dem Kommunalradkongress die Forderung erhoben, dass die Politik im Bund und in den Ländern noch mehr als bisher zum Paradigmenwechsel für eine umweltfreundliche Mobilität in den Städten, Gemeinden und Regionen Rechnung beitragen müsste. In diesem Zusammenhang gab es auch grundlegende Kritik an Bundesverkehrsminister Scheuer. „Der Bund hat angekündigt, die Mittel für die Radverkehrsförderung um 200 Millionen Euro pro Jahr aufzustocken, etwa um den Bau von dringend erforderlichen Radschnellverbindungen zu fördern. Allerdings ist es bislang nur bei dieser Ankündigung geblieben. Erforderlich ist eine schnelle Bereitstellung dieser Mittel und eine daran anknüpfende Förderoffensive von Bund und Ländern mit einer kontinuierlichen Anhebung und Verstetigung der Mittel für die Radverkehrsförderung“, so Schäfer weiter.
Der Schlüssel für mehr Radverkehr ist also der Dreiklang aus Platz, Sicherheit und Komfort, den man wiederum nur mit Mut vor Ort und finanzieller Unterstützung des Bundes erreicht. Der DStGB weiß das nicht erst seit heute. Schon das Fazit des 2. Deutschen Kommunalradkongresses 2016 in Bingen kam zu demselben Ergebnis: „Autostadt war gestern – Zukunftsstadt ist Fahrradcity“. Wann beginnt die Zukunft?
9 Antworten auf „Städte- und Gemeindebund fordert erneut mehr Radverkehr“
Es gibt einiges, was die Städte selbst und eigenständig verbessern können, wenn sie wollen. So weit ich es verstehe, sind sie nicht zum Anbieten eines einzigen kostenfreien Parkplatz verpflichtet, zumindest kann jede Stadt sofort alle ausgewiesenen Parkplätze und Parkbuchten abordnen, die den fließenden Verkehr gefährden oder behindern. Auch das (formal korrekt durchgeführte) Abschleppen oder Umsetzen von Falschparkern, die den Verkehr gefährden oder behindern, ist nach meiner Kenntnis noch nie nachträglich kassiert worden – da ist großes Potential für die Städte, wenigstens die vorhandenen Wege nicht blockieren und zerstören zu lassen.
ACK!
Diese ganze „Radverkehrsförderung“ ist in der Regel schädlich, oft eine kaschierte Autoverkehrsförderung und führt bestenfalls dazu, dem ÖPNV ein paar Nutzer abzunehmen.
Gegen illegales Parken vorzugehen wäre dagegen ein starker Hebel. Wenn ich am Zielort keine Abstellmöglichkeit für die Blechkiste habe, werde ich ein anderes Transportmittel wählen.
Die beste Radverkehrsförderung wäre, das Pampern der Autofahrer einzustellen, aber das ist politisch nicht gewollt. Da kann man noch so viele schöne Pläne machen, die Autofahrer stellen die Mehrheit.
„Mut zu einer Neuverteilung der Verkehrsfläche“ Schön gesagt. Leider sieht in vielen Städten die Realität dann doch wieder so aus, das Politik und Verwaltung entweder von vornherein kneifen, oder wenn sie entsprechende Überlegungen laut aussprechen umgehend vor der Autolobby wieder einknicken, weil die ein Geschrei anstimmen, das einem die Ohren klingeln.
Das ist nach wie vor ein Hauptproblem: Wir Radfahrer (und Fußgänger und ÖV-Nutzer) sind zu leise. Wir werden von der Politik bei weitem nicht so wahrgenommen wie die Typen in ihren Blechmobilen. Bei der CM mitradeln, die lokal Verantwortlichen anschreiben, Bürgerbegehren einleiten oder unterstützen, beim VCD, ADFC oder lokalen Initiativen mit machen, und natürlich Rad fahren, Rad fahren, Rad fahren, und hab ich es schon gesagt(?) Rad fahren. Im Freundes-, Kollegen…-Kreis fürs Radeln werben, die eigenen positiven Erfahrungen weiter geben, all das kann helfen, mehr und vor allem lauter zu werden.
Ja klar, bloß nichts gegen den steigenden Autoverkehr unternehmen, und stattdessen die Städte weiter mit autogerechter „Radinfra“ zukleistern:
„Anstatt um Fahrverbote muss es aktuell darum gehen, gute Alternativen zum Auto zu schaffen, damit die Bürgerinnen und Bürger umsteigen“
Das ist exakt das alte abgestandene billige Marketing-Gelabere von ‚freiwilliger Selbstverpflichtung‘, ‚Verantwortung der Verbraucher‘ ‚Von der Strasse auf die Schiene‘, welche uns seit Jahrzehnten parallel zur systematisch ansteigenden Automobilisierung serviert wird.
Der Trumpismus im Ausland wird bei uns (zu Recht) verhöhnt, während gleichzeitig im eigenen Land das ewige tumb-populistische Beruhignungs- und Ablenkungsgelaber allen Ernstes als relevantes Statement rezipiert wird.
Dass dieses „Alternativen stärken“ zu weniger Autoverkehr führt ist genauso überzeugend wie die „Verhinderung der Altesarmut“ durch Rentenprivatisierung oder die Kampagne für „Bezahlbaren Wohnraum“ durch Verkauf der Landeseigenen Wohnungen an internationale Finanzinvestoren.
Während die Reste des Nordpoleises vor unseren Augen das tragische Schicksal des Schneemannes im Mai erleiden, während große Teile der ehemals – zu Recht – gefürchteten ‚Tipping-points‘ längst Wirklichkeit geworden sind (Auftauen der Permafrostböden, etc, etc, etc.), steht eines nach wie vor ganz oben auf der
NOT – TO – DO Liste:
Jedwede Einschränkungen gegenüber dem geheiligten Autoverkehr.
Das Motto bei der Autoindustrie wie auch bei Teilen der Radwegebewegung im Fahrwasser der autogerechten Verkehrswende von Stork und Co.:
„Radwege statt Fahrverbote“
Statt also mal auch nur ansatzweise was gegen den Autoverkehr zu unternehmen werden jetzt! wieder Radwegelchen zur Verlagerung der ökologisch komplett irrelevanten Kurzstrecken aufs Fahrrad gebaut, was dann im absehbaren Nachgang per Anti-Congestion zu noch längeren Autostrecken führt.
Herr wirf Hirn, aber vielleicht ist es dazu schon zu spät?
http://www.medizinauskunft.de/artikel/diagnose/psyche/luftverschmutzung-29-04-15.php
a) Ganz langsam kommen immer mehr Politiker*innen dahinter, dass man was ändern muss.
https://velocityruhr.net/blog/2018/09/14/wegweisender-beschluss-ii-rueckbau-des-hellwegs-auf-ortskernvertraegliches-mass-in-brackel/
b) Auch dieses Gerede von Flächengerechtigkeit ist mit dem Neoliberalismus wunderbar kombinierbar, auf den du kritisch Bezug genommen hast. Konkurrenz als Leiteinstellung des Miteinanders.
Wenn man seine Verantwortung an den Bund weiter reicht und der reicht seine an die Kommunen weiter, können sich ja alle auf die Schulter klopfen für ihren Willen, der leider von den anderen blockiert wird. Und es ändert sich nichts. Die Verantwortung liegt jeweils auf anderen Ebenen und die lokale Verantwortung ist nicht primär abhängig von Bundesgeldern. Ich fühle mich als Wähler für dumm verkauft, wenn die Kommunen so argumentieren.
Nun, wer glaubt, es reicht Radfahren attraktiver zu machen, verweigert sich der Realität. Natürlich muss auch das Auto unattraktiver werden, damit die Menschen das Rad überhaupt in Erwägung ziehen. Und dazu gehören natürlich auch Einschränkungen durch Fahrverbote in den Innenstädten – aber generell und nicht nur, weil man ein fehlerhaftes Produkt gekaut hat.
Sehe ich auch so. Das Auto wird unattraktiver, wenn man ihm Platz nimmt. Weil das kurzfristig zu mehr Stau führt. Mittelfristig sind dann aber vermutlich genug Autofahrer so schlau und steigen auf die neue Radinfra um. Der Stau bleibt danach wohl derselbe, wie ich hier ja mal vermutet habe. Aber mit dem Unterschied, dass dann mehr Menschen mobil sind, weil sie das Fahrrad nutzen.
Sehr schöne Worte. Nur eine Ergänzung noch. Man sollte auch darauf achten, dass der Ökoverbund mit Zügen (oder teilweise Bussen) auch eine Option ist. Für weitere Strecken, Leute die kein Fahrrad fahren können und weiteres. Das Auto, dass gebraucht wird um Oma und Opa auf dem Lande zu besuchen, wird bestimmt auch ein paar mal häufiger gewählt, als Nötig. Auch wenn es sehr unattraktive gemacht wird.
Seit Jahrzehnten baut man zur Stauvermeidung die Straßen aus und es wird nicht weniger Stau. Stau scheint also unvermeidbar zu sein und es gibt offensichtlich einen Zusammenhang zwischen Infrastrukturgröße und Verkehrsaufkommen. Und es gibt keine Indizien dafür, dass es nicht auch in die entgegen gesetzte Richtung funktioniert.