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Das eine Argument für den Radverkehr

Es gibt viele Gründe, mit denen das Radfahren beworben wird. Das Umweltbundesamt zum Beispiel beschreibt den Radverkehr als schnell, gesund, umweltfreundliche, klimaschonend, günstig und angesagt. Das ist sicher alles richtig und es gibt auch noch unzählige weitere Listen, die mal länger, mal kürzer, mal ernst und mal augenzwinkernd gemeint sind.

Es gibt viele gute Gründe fürs Radfahren. Aber welche taugen für eine ganze Gesellschaft?

Was aber kann man tun, wenn man den Radverkehrsanteil in unseren Städten wirklich effektiv fördern will? Ich denke, dass die meisten Argumente dabei schnell wieder rausfliegen. Der Reihe nach:

  • Radfahren ist gesund. Stimmt. Vor allem für einen selbst. Es ist gesünder als Autofahren. Aber Obst ist auch gesünder als Fast Food und Wasser ist gesünder als Cola. Das weiß jeder. Und trotzdem handelt ein Großteil nicht danach.
  • Radfahren ist umweltfreundlich. Klar, wahrscheinlich 1.000 Mal umweltfreundlicher als Autofahren. Aber beim Umweltschutz sind die meisten nur so lange freudig dabei, wie er nichts kostet – weder Zeit, noch Geld, noch Aufwand. Kaum jemand setzt sich aufs Fahrrad, um aktiv die Umwelt zu schützen.
  • Radfahren ist klimaschonend. Siehe vorangegangener Punkt.
  • Radfahren ist angesagt. Aber Trends kommen und gehen.
  • Radfahren macht Spaß. Keine Frage. Ist aber kein ernsthafter Grund, auf das Fahrrad als priorisiertes Verkehrsmittel umzusteigen. Wem es Spaß macht, der fährt Fahrrad. Zur Not in der Freizeit. Die Masse erreicht man aber nicht über Spaß, sondern über den Nutzen. Es muss einen ganz praktischen Mehrwert haben, das Fahrrad zu nutzen. Auch Autofahren macht vielen nicht unbedingt Spaß. Wie auch, wenn ständig Stau ist. Und trotzdem tun es Millionen Tag für Tag.

Hier könnte man sich noch weitere Argumente herausfischen. Das Ergebnis wird aber meist dasselbe sein. Kommen wir lieber zu den Argumenten, die wirklich etwas bewegen können. Und da gibt es eigentlich nur eins. Denn das zweite, dass Radfahren günstig ist, deutlich günstiger als Autofahren, muss man eigentlich niemandem mehr sagen. Das ist kein Argument mehr, sondern selbstverständlich. Noch günstiger kann man das Radfahren eigentlich auch gar nicht mehr machen.

Also müsste man das Autofahren teurer machen. Das kann man zwar verschweigen, weil es sich unfair anhört. Es ist aber nicht unfair. Jede Autofahrt wird doch heute schon enorm subventioniert, wenn man mal alle Kosten mit einrechnet, die der einzelne Autofahrer so direkt gar nicht bezahlt. Und die Ausrede mit den Steuern, die Autofahrer zahlen, zieht hier nicht. Denn Steuern zahlen auch Menschen, die nicht Auto fahren. Darüber hinaus sind Steuern nicht zweckgebunden. Jeder Steuerzahler finanziert also auch Straßen, die ausschließlich dem motorisierten Verkehr vorbehalten sind.

Heiner Monheim, Professor für Raumentwicklung an der Uni Trier: Generell ist das Auto viel zu billig und wird vom Staat stark subventioniert. (…) Jeder Kilometer Autofahrt muss bezahlt werden. Wenn man dann alles hineinrechnet, was an öffentlichen Kosten erzeugt wird, dann kostet der Kilometer Autofahrt sechs Euro. Da steigen Sie schnell aus dem Auto aus und in den Bus ein. – diepresse.com

Weil sich aber keiner traut, das Autofahren wirksam teuerer zu machen (und der Mensch so bequemlich ist, dass er dann vermutlich immer noch mit dem Auto fahren und an anderen Dingen sparen würde), bleibt für den Umstieg aufs Fahrrad nur noch ein Argument: Radfahren geht schnell. Wo man die Voraussetzungen schafft, dass dies wirklich der Fall ist, wo man schnell und sicher von A nach B kommt, steigt der Radverkehrsanteil automatisch. Denn hier erfährt man im wahrsten Sinne des Wortes einen entscheidenden Vorteil gegenüber dem Auto. Gestaltet man die äußeren Verhältnisse so, dass man Strecken, vorzugsweise im urbanen Raum, mit dem Fahrrad schneller überbrücken kann als mit dem Auto, werden die Menschen umsteigen. Denn Zeit ist heute eine knappe Ressource. Und warum sollte man sich für eine kurze Strecke über eine halbe Stunde ins Auto setzen, womöglich noch im Stau stehen und dann noch einen Parkplatz suchen, wenn man das Ganze in 20 Minuten stressfrei auf dem Fahrrad erledigen kann?

Die beiden wichtigsten Ziele bei der Radverkehrsförderung in Deutschland: die Infrastruktur sicher gestalten und den gesamten Radverkehr spürbar beschleunigen.

Natürlich gehört dann auch einiges dazu. Man muss dem motorisierten Individualverkehr Raum nehmen. Denn das Verkehrsproblem ist auch ein Verteilungsproblem. Fahrspuren müsste man zum Beispiel zu Radschnellwegen bzw. zu sicheren Fahrradwegen umwidmen. Ampelschaltungen dem Radverkehr anpassen. Die gesamte Radverkehrsinfrastruktur sicher und lückenlos gestalten. Das sind alles Dinge, die dem gemeinen Autofahrer zunächst mal überhaupt nicht schmecken werden. Aber darum kann es nicht gehen, wenn man die Verkehrsprobleme in unseren Städten lösen will.

Und man will mit dem Radverkehr ja nicht nur Verkehrsprobleme lösen. Viele Städte setzen sich Klimaziele, die u.a. mit einem höheren Radverkehrsanteil erreicht werden sollen. Aber dafür muss man den Menschen, die noch Auto fahren, auch etwas bieten. Das Versprechen auf Gesundheit zieht da nicht. Dafür gehen sie abends joggen. Der Dank der Umwelt schon gar nicht. Da kauft man sich im Zweifel mal eine Energiesparlampe. Aber die Zeit- und Stressersparnis, die man auf dem Fahrrad erfährt, die wird die Menschen irgendwann überzeugen. Und über eine robuste Gesundheit, ein sauberes und ruhiges Umfeld freuen sie sich dann ganz nebenbei.

Warum also nicht den MIV ein bisschen langsamer machen (wenn das in Städten überhaupt noch geht) und den Radverkehr dafür beschleunigen? Am Ende werden dabei alle gewinnen. Verkehr, Umwelt, Gesundheit, Klima und vor allem: die Menschen.

15 Antworten auf „Das eine Argument für den Radverkehr“

Schau dir mal Studien aus Kopenhagen an. Sie haben die Leute gefragt, wieso sie mir dem Rad fahren. Argumente wie „gesünder“ oder „umweltfreundlicher“ waren irrelevant.

Das Hauptargument der Leute war: „Es ist praktischer“. (Also genau das, was Du geschrieben hast)

Ich bin gegen eine künstliche Verlangsamung des MIV. Aber ich bin für eine Steigerung der Attraktivität von Strecken für Radfahrer. Und das kann bedeuten, dass für den MIV auch mal eine Fahrspur wegfällt, um breite Fahrradstreifen darauf zu machen oder dass es an den Ampeln grüne Wellen gibt, die auf Fahrradgeschwindigkeit eingestellt sind.

Wenn ein Fahrstreifen wegfällt, verlangsamt sich der MIV wahrscheinlich erstmal. Wenn dann aber der „große Umstieg“ in Gang kommt, dann fließt auch der weniger gewordenen MIV wieder.

Ich sehe es ähnlich, die Umwelt-Argumente sind nett, aber für kaum jemanden ein echter Grund zum Umsteigen.

Die Hauptargumente sind für mich klar: Radfahren ist schnell, billig und praktisch.

Wenn Radfahren durch bessere Verkehrsführung noch etwas einfacher und komfortabler wird, braucht es lediglich etwas mehr Akzeptanz in der Gesellschaft und bei Arbeitgebern.

Eine künstliche Benachteiligung anderer Verkehrsmitteln fände ich verkehrt, echte Gleichberechtigung würde vollkommen ausreichen.

Ich möchte auch keine künstliche Benachteiligung. Aber zurzeit haben wir eine künstliche Bevorteilung des MIV, die allzu oft als natürlicher Normalzustand angenommen wird.

„Ich möchte auch keine künstliche Benachteiligung. Aber zurzeit haben wir eine künstliche Bevorteilung des MIV, die allzu oft als natürlicher Normalzustand angenommen wird.“

So sehe ich das nicht.

Mal ein simples Beispiel: Ich habs eilig (kommt) nicht so oft vor) und fahre mitm Rad mit 30+ durch die Stadt. Ungefähr an jeder zweiten Ampel werde ich ausgebremst. Und zwar richtig unangenehm. Die wird dann 30 Meter vor mir rot.
Meine Alternativen heißen in etwa: 40 fahren – schaff ich meist nicht – oder 15 fahren schaff ich nur mitm Lastenfahrrad. Mit dem Ding isses mir im Grunde egal wie schnell oder langsam ich bin, zumal der Bremsweg beladen eh nicht dafür spricht schnell zu fahren.
Eine grüne Welle bei 25 km/h. Das wäre mal was.
Aber jeder hier weiß, dass die Autofahrer (auch ich) dieses als Benachteiligung auffassen. Mir wäre es trotzdem recht :-)).
In diesem Blog werden ja viele sinnvolle Vorschläge gemacht.
Grüner Pfeil beim Rechtsabbiegen zum Beispiel.
Das würde nichtmal jemanden benachteiligen.

Aber zurück zum Thema:
Ich bin absolut dafür den MIV zu benachteiligen (nach heutiger Sicht).
Wenn ich jetzt aus dem Fenster gucke sehe ich folgendes:
Eine sechs Meter breite Strasse mit zwei je 2 m breiten Parkstreifen. Dahinter 2 etwa 2m breite Bürgersteige.
Der Platz, welcher unseren Autos eingeräumt wird scheint selbst mir als Autobesitzer ohne eigenen Stellplatz viel zu groß. Und die lächerliche KFZ-Steuer deckt diesen Flächenbedarf sicher nicht.

Und ja, Autofahren MUSS teurer gemacht werden. Ein Gebraucht-PKW ist momentan die günstigste Möglichkeit von A nach B zu kommen. Bei Strecken über 100 km ist es für die meisten Menschen sogar günstiger als das Fahrrad – wenn man die Übernachtungskosten mit einberechnet….
Das sorgt für eine schlechte Ausnutzung des ÖPNV mit dementsprechend höheren Kosten.
Es ist von Grund auf unsinnig, dass es rentabler ist in der Innenstadt ein Parkhaus zu bauen als Wohnraum. Es zeigt aber auch den Stellenwert des Automobils.
Und solange der Stellenwert in dieser Höhe und nicht zuletzt als Prestigeobjekt so in unseren Köpfen ist wird sich nicht viel ändern. Man werfe einen kurzen Blick auf die Werbekampagnen der Automobilkonzerne…..

Oder vielleicht doch?
Jetzt ist ein guter Zeitpunkt Änderungen anzufangen.
Die Regierung hat das Projekt E-Auto angefangen. Bei diesen wird es nicht mehr funktionieren Steuern über den Treibstoff in der Mnege einzutreiben. Es müssen also andere Modelle her.
Ich weiß zwar nicht ob unsere Oberen so weit denken, aber eine Maut muß dann spätestens eingeführt werden – und zwar flächendeckend. Tja, wer dann kein Bewqegungsprofil möchte wird wohl radeln müssen….
Wichtig ist aber, dass dann Möglichkeiten bestehen durch gezieltes „besteuern“ den Verkehr neu zu lenken. Beispielsweise eine gestaffelte Citymaut nach Verkehrsaufkommen. Mit der allgegenwärtigen Vernetzung ginge sogar eine Art Ausgleichsmodell: Fährst du sounsoviel ÖPNV oder Fahrrad, darfst du sounsoviel mautfrei fahren.
Und ja, das wäre fair. Schließlich verstopft man die Strassen weniger als der reine Autofahrer.
Jetzt oder in naher Zukunft gibt es die Chance für die Regierung etwas zu ändern ohne abgewählt zu werden – ich gehe davon aus sie wird wieder nicht ergriffen.
Die Gründe dafür scheinen mir aber zu komplex um sie zu erläutern. Dann habe ich nachher wunde Finger.

Abschließend:
Danke Daniel, ich lese deinen Blog immer sehr gerne.
Seit vorgestern weiß ich sogar, dass es einen Feed gibt.
Gut für mich – schlecht für dich.
Jetzt klicke ich seltener hier rein :-))

Sehr gut! So sieht es aus.

Ich hörte zuletzt „Sollen die nur endlich alle Rad fahren, dann habe ich endlich wieder Platz für mein Auto“
Das kann nicht die Idee sein.

Neben den Vorteilen lohnt es sich auch, auf die gegenwärtigen Nachteile zu schauen (was hier teilweise passiert, aber nicht Aufhänger ist).

Radfahren ist im Vergleich zu einem Auto anstrengend, kalt, heiß, nass, weniger bequem und man ist nicht durch eine Tonne Blech geschützt. Teilweise sind das Punkte, an denen man selbst etwas machen kann (die richtige Kleidung, da sind auch Radfahrblogs toll), aber teilweise sind das auch die bereits erwähnten verkehrsplanerischen Maßnahmen (neben Ampeltaktung natürlich auch gute Wegequalität), die ich um einen Eintrag auf dem Wunschzettel ergänzen möchte: überdachte, evtl. windgeschützte, Radwege auf den Hauptachsen. Das wäre doch mal was. Ich tippe mal, dass das im Vergleich zu Autobahnen spottbillig wäre.

Klar, das stimmt natürlich. Das wollte ich im drittletzten Absatz ankratzen. Um das auszuführen, könnte man aber locker noch einen ganzen Artikel schreiben…

Bezüglich der anderen Sache: Das scheint temporär zu sein und nicht nur auf mobilen Geräten. Auch bei PCs gab es das schon mal. Weiß nicht, woran es liegt. Sorry…

Ich möchte ganz ausdrücklich eine ‚künstliche‘ Benachteiligung des Autoverkehrs.
Ich bin aber auch altmodisch und will sogar eine ‚künstliche‘ Benachteiligung von kettenrauchenden ErzieherInnen in Kitas.
Ich möchte auch eine ‚künstliche‘ Benachteiligung von Firmen, die wissentlich hochgiftige Kinderspielzeuge herstellen, etc.
Was kann denn das für eine Freiheit sein, die auf der Negation der Freiheit gesunde Luft atmen zu dürfen beruht?
Aus welchem Grund steht das ‚Recht auf Auto‘ oberhalb des Rechts auf körperliche Unversehrtheit?

Ansonsten wird die Grundthese des Artikels in nahezu allen Untersuchungen zur Verkehrsmittelwahl bestätigt.
GESCHWINDIGKEIT oder genauer REISEZEIT ist das mit riesigem Abstand relevanteste Kriterium bei der Verkehrsmittelwahl.
Gebrochen wird das allenfalls teilweise durch ‚Milieu‘ und es sind Prozesse der habitualisierung zu berücksichtigen (Gewohnheiten sozusagen, die nicht mehr fortlaufend überprüft werden).

Das Feld „Sicherheit“ dagegen ist (s.a.: Fahrradmonitor Deutschland) völlig randständig. Hier ist allenfalls zu diskutieren, unter welchen Bedingungen das ggf. eine ‚conditio sine qua non‘ darstellt.

Das Primat der Reisegeschwindigkeit bildet sich auch sehr perfekt ab, wenn man mal die gefahrenen Streckenlängen betrachtet.
Der Radverekhr hört ganz genau da auf, wo der Autoverkehr einen Reisezeitvorteil hat.

Groningen z.B. hat sich das zu Nutze gemacht, indem der autoverkehr gezielt verlangsamt wurde (innerstädtisch).
Auf der Umgehungsstrasse wurde er beschleunigt.
Resultat: geringer Auto-anteil in Kernstadt und exkalierender Autoverkehr auf der schnelle Umgehungsstrasse.
q.e.d.

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