Am 9. Oktober hat Niedersachsen gewählt, gut drei Wochen später steht der Koalitionsvertrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Ziemlich sportlich. Darin enthalten ist auch ein Abschnitt zum Radverkehr sowie zum ersten Mal konkrete Zeilen zur Vision Zero, die ein Tempolimit von 130 km/h auf Autobahnen fordern. Und ziemlich genau 9 Jahre nach Übergabe meiner Petition, strebt nun auch die rot-grüne Koalition „die kostenlose Fahrradmitnahme (im ÖPNV) zu landesweit einheitlichen Zeiten an“.
Radverkehr
Das Fahrradmobilitätskonzept wird schrittweise umgesetzt, weiterentwickelt und mit zusätzlichen Mitteln hinterlegt.
Unser Ziel ist ein durchgängiges, sicher befahrbares Radverkehrsnetz in Niedersachsen. Das Radwegekonzept 2016 ist neu aufzustellen, mit zusätzlichen Mitteln und Planungskompetenzen zu hinterlegen und um Sanierungsmaßnahmen zu erweitern. Wir erstellen einen Bedarfsplan für Radwege an Bundesstraßen und unterstützen die Kommunen bei der Erstellung eigener Fahrradmobilitätskonzepte. Wir wollen die Mittel für den Neu- und Ausbau und die Sanierung von Radwegen an Landesstraßen deutlich erhöhen und priorisieren Lückenschließungen. Das Potenzial von Wirtschaftswegen für Lückenschließungen von Radverkehrsverbindungen im ländlichen Raum nutzen wir, indem wir die finanziellen und rechtlichen Voraussetzungen für Ausbau und Nutzung schaffen. Außerdem wollen wir die Förderquote für Radschnellwege aus dem Niedersächsischen Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (NGVFG) erhöhen und zur Grundfinanzierung vorrangig Bundesmittel bereitstellen.
Die Einführung einer Dienstfahrradregelung für die öffentliche Verwaltung soll zügig erfolgen.
Wir streben die kostenlose Fahrradmitnahme zu landesweit einheitlichen Zeiten an.
Wir streben eine Novelle des NGVFG an, mit dem Ziel, mehr Mittel in den Ausbau und die Sanierung von Radwegen investieren zu können. Wir nehmen eine bedarfsgerechte Aufteilung der NGVFG-Mittel vor. Die Mittel sollen künftig zu 60 Prozent in den ÖPNV und zu 40 Prozent in den kommunalen Straßenbau fließen. Wir werden die Förderrichtlinie für den kommunalen Straßenbau überarbeiten, insbesondere mit einem Fokus auf stärkere Förderung des Radwegebaus und im Hinblick auf die Vereinfachung von Verwaltungsverfahren. Bei der Vergabe von Mitteln für den Straßenbau ist zukünftig darauf zu achten, dass im Rahmen der Projektumsetzung Rad- und Fußverkehr berücksichtigt werden.
Der letzte Satz klingt eigentlich logisch, aber einige Kommunen muss man auf die Bedürfnisse des Rad- und Fußverkehrs auch 2022 noch hinweisen.
Vision Zero
Die „Vision Zero“ mit null Toten und Schwerverletzten im Straßenverkehr ist für uns Anspruch und handlungsleitend.
Wir wollen die Perspektive der ungeschützten Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer stärken und dabei insbesondere die sichere und eigenständige Mobilität von Kindern, Jugendlichen und Seniorinnen und Senioren fördern. Wir wollen dem Fußverkehr mehr Raum geben und unterstützen die Fußverkehrsförderung in den Kommunen.
Auf Bundesebene setzen wir uns für eine Begrenzung der Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h auf Autobahnen und für ein Straßenverkehrsrecht ein, das um die Ziele Gesundheit, Klima- und Umweltschutz sowie städtebauliche Entwicklung erweitert wird. Die Kommunen sollen mehr Möglichkeiten erhalten, Tempo 30 zu realisieren und den öffentlichen Raum neu aufzuteilen.
Den kompletten Koalitionsvertrag, auch mit den Kapiteln zu nachhaltiger Mobilität, ÖPNV und Straßeninfrastruktur, findet ihr hier. Neuer Verkehrsminister und damit sein eigener Nach-Nachfolger wird Olaf Lies von der SPD. Man hätte sich ja mal eine*n Grünen Verkehrsminister*in gewünscht.
4 Antworten auf „Niedersachsen: Radverkehr im Koalitionsvertrag“
Ja,
die ‚Autobahnisierung‘ des früher ‚allgemeinen‘ Straßennetzes schreitet beschleunigt voran, das metastasierende Fahrbahnbenutzungs Exklusivrecht für Blechkisten räumt lästige 2Rad Hindernisse aus dem Weg, und dann – same procedure as every year James – werden wieder alle sagen:
„Oh wie seltsam, schon wieder mehr Autos als im letzten Jahr, schon wieder höhere MIV-Fahrleistung als im letzten Jahr, wie DAS denn wohl kommt?“
Ja wirklich seltsam, wo wir doch jetzt überall die tollen einseitigen Radwegelchen neben die Fahrbahnen gesetzt haben und alle sicher mit dem Rad über die Wurzelaufbrüche fahren können, sofern sie das nicht im Dunkeln tun und dann im zwangsweisen Linksverkehr wegen Blendung einen ‚Alleinunfall‘ ‚verursachen‘, und sofern sie nicht wegen dieser einseitigen Zweirichtungsweges die Fahrbahn queren müssen was für kleinere Kinder und ältere Senioren ab T50 nicht sicher möglich ist, sofern sie nicht an Querstraßen totgefahren werden weil die Vorfahrt der Straße nur noch für die Autos gilt und sie das Mini-Vorfahrachten-Schild übersehen haben, und sofern sie nicht längere Strecken fahren wollen, weil das ‚Radwegelchennetz‘ im Gegensatz zu den umwegarmen schnellen ‚Autostrecken‘ quer durch Wald und Wiese mäandert, während direkte Verbindungen, sobald sie für Blechkistenraserei relevant sind, per Durchfahrverbot für den Radverkehr gesperrt sind (natürlich nur wegen der ‚Sicherheit‘) usw usw
Die Autoindustrie jedenfalls braucht sich keine weiteren Sorgen über das Entwicklungspotential hierzulande zu machen …
Und der Klimaumbruch bei immer mehr Autoverkehr?
DAS GEHÖRT HIER NICHT HIN, HAUPTSACHE RADWEG!
Aber der gesundende Menschenverstand, die altbekannte Füllmasse, für Lücken in der Argumentation, besagt, dass da keiner fahren will und im Grünen ist doch schöner. Und für mehr als den gesunden Menschenverstand reicht es auf keiner Seite beim Radverkehr.
Bei einem grünen Minister wäre nur die Erwartungen ein bisschen höher, sodass der noch mehr unter Druck steht, mit Scheinmaßnahmen (Helmpflicht, Westenpflicht, …) Engagement zu simulieren.
Ein grüner Verkehrsminister macht keinen Unterschied – siehe Baden-Württemberg.