Man hat momentan Zeit, sich Gedanken zu machen. Mir sind welche gekommen, als ich durch die verhältnismäßig leere Stadt gefahren bin. Genauer: über so genannten Plätze. Wikipedia definiert Plätze wie folgt: „Ein Platz ist im städtebaulichen Kontext eine in der Regel von Gebäuden umbaute freie Fläche in Städten. Plätze sind häufig Brennpunkte des öffentlichen Lebens in der Stadt. Sie sind daher das zentrale Thema und Raumelement des Städtebaus. Zentrale Plätze sind die „gute Stube“ vieler Städte und repräsentieren die Stadtherren oder Bürgerschaft. Sie sind daher zumeist besonders aufwendig gestaltet. Oft liegen wichtige öffentliche Gebäude wie Rathäuser und Kirchen an zentralen Plätzen. Die umliegenden Bauwerke haben prächtige Schaufassaden. Der Platz selbst wird mit Monumenten und Brunnen dekoriert, der Bodenbelag besteht oft aus wertvollen Materialien.“

Viel zu oft sind Plätze heute dem Auto geopferte tote Räume mitten in der Stadt. Aus solchen von Lärm und Geschwindigkeit geprägten Straßenräumen verschwindet das Straßenleben quasi automatisch.

In der Fachbroschüre „Straßen und Plätze neu denken“ schreibt das Umweltbundesamt zudem gleich zu Beginn: „Auf Straßen und Plätzen findet das öffentliche Leben statt.“ Es ging bei Plätzen eigentlich immer um Begegnungen. Aber ist das heute auch noch so? Viel zu oft sind Plätze heute, wie ich finde, dem Auto geopferte tote Räume mitten in der Stadt. Im besten Fall noch zubetonierte Flächen in Fußgängerzonen. „In den letzten Jahrzehnten wurden Straßen und Plätze häufig in erster Linie als Orte des Transits gesehen: das möglichst schnelle Vorankommen stand im Mittelpunkt. Flächenverteilung und Rechtsvorgaben zur Benutzung des Straßenraums orientierten sich am Verkehr, wobei mit Verkehr im Grunde meist nur der Autoverkehr gemeint war. Aus solchen von Lärm und Geschwindigkeit geprägten Straßenräumen verschwindet das Straßenleben quasi automatisch. Auch das Fahrradfahren oder das Warten auf einen Bus empfinden viele Menschen dort als unangenehm“, so das Umweltbundesamt.

Hier mal nur drei konkrete Beispiele aus Osnabrück, bei denen man im Zusammenhang mit Elisabeth Lichtenbergers (Geographin) Definition nur den Kopf schütteln kann: „Im Vergleich zu den übrigen Kategorien öffentlicher Räume (Passagen, Grünräume, Baulücken, Straßen usw.) bietet der städtische Platz (…) Raum für eine Vielfalt von traditionellen Nutzungsarten wie z.B. das Flanieren und die Begegnung.“ (aus „Die Stadt: Von der Polis zur Metropolis“)

Berliner Platz. Vielen Dank an die WG, die mich auf den Balkon gelassen hat. Die Sparkasse wollte mich nicht auf ihr Hochhaus lassen, weil ich nicht von der NOZ oder dem NDR bin…

„Platz der Städtefreundschaften – hoffentlich sind die Freundschaften der Stadt Osnabrück nicht so eintönig und trist, wie dieser „Platz“.

Bald Helmut-Kohl-Platz. Aber was ist hier noch ein Platz?

Diese Beispiele sind eine Beleidigung für echte Plätze mit Aufenthaltscharakter, wie sie ursprünglich gedacht waren. „In der Renaissance und im Barock wurden Plätze aufwendiger und raffinierter gestaltet. Sie wurden nun von bekannten Architekten geplant und mit Bezug auf den Stadtgrundriss angelegt“, schreibt Wikipedia. Heute jedoch sind Plätze oft nur noch für Autos freigehaltene Flächen. Man müsste ihnen das Attribut Platz eigentlich entziehen.

Aber es geht auch anders. Dafür müssen wir aber die Massen an Autos loswerden. Das Umweltbundesamt schreibt: „Während sich Straßenplanungen und Straßenraumgestaltungen jahrzehntelang an den Bedürfnissen des Autoverkehrs orientierten, rücken nun die Bedürfnisse von Fußgängerinnen und Fußgängern sowie Radfahrenden stärker in den Fokus von Planung, Politik und Bevölkerung. Der Nachhaltigkeitsgedanke prägt zunehmend die Verkehrsplanung und den Straßenentwurf.“

Ein positives Beispiel aus Osnabrück ist der Adolf-Reichwein-Platz (den ich aufgrund des Coronavirus momentan leider nicht von oben fotografieren kann). Im Mittelpunkt steht hier ein Spielplatz. Darum reihen sich öffentliche Sitzgelegenheiten und Gastronomie. Beides lädt zum Verweilen ein, schafft Aufenthaltscharakter und eine angenehme Atmosphäre. Dient also den Menschen und der Stadt. Die Straße „Alte Münze“ hinter einer grünen Barriere ist nur für den ÖPNV und den Radverkehr freigegeben. Das wird zwar immer wieder von Autoposern ignoriert, insgesamt funktioniert die Autofreiheit hier aber ganz gut.

Auch wenn die oben genannten Plätze wohl nie zu Parks oder Spielplätzen werden, so könnten sie zumindest so gestaltet werden, dass sie weniger menschenfeindlich wirken und zumindest eine etwas positivere Bedeutung für das Stadtklima haben. Ein grüner Kreisverkehr wäre eine Idee. Die Reduzierung der Fahrspuren bei gleichzeitiger Anlage von sicheren Radwegen könnte zu weniger Auto- aber mehr Radverkehr führen. Und schließlich haben wir den Neumarkt, der als zentraler Ort Osnabrücks ein Platz sein könnte, die „gute Stube“ eben. Aber leider ist er nur der wahrgewordene hässliche Verkehrswahnsinn.

Man kann das alles noch viel weiter ausführen. Was ich aber eigentlich sagen will: Wir haben unsere Städte dem Auto geopfert. Nirgends sieht man das so gut wie an Plätzen, die ihrer eigentlichen Funktion nicht mehr gerecht werden und nur noch dem Auto dienen. Wir sollten sie zurückerobern.