Die kommunalen Spitzenverbände sprechen sich in ihrer Stellungnahme zur Änderung der Straßenverkehrsordnung gegen einen festgeschriebenen Mindestabstand beim Überholen von Radfahrern aus. Zwar würde die „klare Angabe eines ausreichenden seitlichen Sicherheitsabstands beim Überholen“ die Verkehrsteilnehmer zusätzlich sensibilisieren. Die Ahndung und Überwachung des einzuhaltenden Sicherheitsabstands dürfte in der Praxis aber schwierig sein. Verständlicher wäre hier die Vorgabe eines verpflichtenden Spurwechsels bei jedem Überholvorgang, sofern eine Mittelmarkierung vorhanden ist.

Vor allem aber sehen die Verbände keine Unfallhäufung aufgrund der Unterschreitung des erforderlichen Seitenabstandes beim Überholen von Radfahrern. Man lehne die beabsichtigte Regelung daher als zu starr ab, weil sie zur Folge hätte, „dass viele innerörtliche Verkehrsführungen für den Kfz-Verkehr und den ÖPNV nicht mehr ausreichend leistungsfähig wären, weil Radfahrende bei strikter Beachtung der StVO dann systematisch zu Pulkführern würden“.

Der notwendige Sicherheitsabstand beim Überholen von Rad Fahrenden ist abhängig von den gefahrenen Geschwindigkeiten und den Fahrzeugarten. Wenn als Mindestabstand 1,5 m festgelegt wird, wäre generell auch ein sehr langsames Überholen z.B. in Wohngebietsstraßen mit geringen Fahrbahnbreiten, nicht mehr möglich.

Dann sprechen die Verbände einen wichtigen Punkt an, der die freudige Aussicht auf einen festgeschriebenen Überholabstand ohnehin wieder trübt und die Komplexität der Vorschriften in all ihrer Verrücktheit beschreibt. Nicht nur sind viele Schutzstreifen allein durch ihre Anlage an Parkstreifen eine verordnete Gefahr. Noch verrückter ist, dass man auf Radfahrstreifen – die nicht Teil der Fahrbahn sind – theoretisch gar nicht überholt wird. Autos fahren lediglich an einem vorbei und müssen dann gar keinen Abstand halten. Malte hat das hier schon sehr schön formuliert, weshalb ich ihn einfach zitiere.

„Ein Überholvorgang findet per Definition nur zwischen zwei Fahrzeugen auf dem gleichen Straßenteil statt. Ein Kraftfahrer, der einen Radfahrer auf der Fahrbahn überholen möchte, wird künftig innerorts anderthalb Meter Abstand halten müssen. Fährt der Radfahrer hingegen auf einem engen Radfahrstreifen, gilt der Überholabstand nicht, weil Radfahrstreifen und Fahrbahn unterschiedliche Straßenteile sind und damit formal lediglich ein Vorbeifahren, aber kein Überholen stattfindet.

Auf einem engen Schutzstreifen kann an sich der Radverkehr hingegen wieder 1,50 Meter ausbitten, denn ein Schutzstreifen ist Teil der Fahrbahn. Auf einem engen Hochbordradweg wiederum findet der Radverkehr von der Fahrbahn mit einem Bordstein getrennt statt und darf wiederum mit dem Kraftverkehr auf der benachbarten Fahrbahn kuscheln, denn hier handelt es sich wiederum um ein einfaches Vorbeifahren.

Und was gilt eigentlich auf Streifen, die sich nicht eindeutig bestimmen lassen, weil die Straßenverkehrsbehörde ganz eigene Vorstellungen von ihren Straßenverzierungen hatte oder beim „Streifenwagen“ die Einstellschraube für die Breite des Streifens defekt war? Beliebt sind beispielsweise unterbrochene Breitstrich-Markierungen längs eines Streifens, die aber im rechtlichen Sinne weder einen Schutz- noch einen Radfahrstreifen darstellen.“

Dazu dann die kommunalen Spitzenverbände: „Falls vom Verordnungsgeber gewünscht wird, dass die Regeln zum Überholen auch für baulich getrennte Radwege, Radfahrstreifen und durch bauliche Vorrichtungen abgesonderte Radwege auf der Straße (Potected Bike Lane) gelten sollen, müssen die Vorschriften der StVO weitergehend angepasst werden. Das wird allerdings ausdrücklich nicht unterstützt.“

Und was nun? Lassen wir das mit dem festgeschriebenen Überholabstand lieber? Die Lösung wäre eigentlich nur eine Neuaufteilung des Verkehrsraumes zugunsten des Radverkehrs. Radwege müssten breit und geschützt sein. Dann muss man sich über das zu enge Überholen keine Gedanken mehr machen (und auch nicht über Radwegparker). Ist das realistisch? Hier und da ja. Flächendeckend zumindest kurzfristig leider nicht. Tempo 30 innerorts könnte helfen und die Situation in vielen Straßen entschärfen. Breitere Schutzstreifen, die Radfahrer nicht an den Fahrbahnrand drängen und einen KFZ-Begegnungsverkehr auf der Kernfahrbahn verhindern, wären eine andere Möglichkeit. Aber dann haben wir wieder die nicht gewollten „Pulkführer“. Im Dickicht der Vorschriften ist es wirklich nicht einfach, für Radfahrer einen Platz zu finden.

Der LKW überholt gar nicht. Er fährt nur an mir vorbei und muss also gar keinen Abstand halten.