Pressemitteilung des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs e.V.
Anlässlich der am 21. März 2019 vom Zweirad-Industrie-Verband vorgestellten Jahresbilanz der Fahrradwirtschaft 2018 kritisiert der Fahrradclub ADFC die wenig fahrradfreundliche Verkehrspolitik von Bund, Ländern und Kommunen. Die unzulängliche Rad-Infrastruktur in Deutschland bremse das wirtschaftliche Wachstum der Zweiradbranche, so der ADFC. Ein Blick in die benachbarten Niederlande zeige, dass die Umsätze bei besserem Infrastrukturangebot deutlich höher sein könnten.
ADFC-Bundesgeschäftsführer Burkhard Stork sagt: „Es reicht nicht, das Fahrrad als sauberes und gesundes Verkehrsmittel zu loben – und Radfahrerinnen und Radfahrer mit größtenteils unzumutbarer Infrastruktur abzuspeisen. Die schlechten oder ganz fehlenden Radwege und Fahrradparkanlagen sind nicht nur eine Bremse für die dringend nötige Verkehrswende, sondern sie deckeln auch das Wachstum der deutschen Fahrradindustrie.“
Seit mehreren Jahren geht der Gesamtabsatz von Fahrrädern und Pedelecs in Deutschland zurück – von 4,36 Millionen Stück in 2015 auf 3,85 Millionen Stück in 2017. Der erfreuliche Anstieg im Jahr 2018 auf 4,18 Millionen Stück ist in erster Linie dem sehr guten Wetter zu verdanken. Zwar sind die Bundesbürger bereit, immer mehr Geld in Fahrräder zu investieren – der durchschnittliche Verkaufspreis pro Rad stieg von 557 Euro in 2015 auf 756 Euro in 2018. Aber der Vergleich mit den Niederlanden zeigt, dass ein wirklich fahrradfreundliches Verkehrsumfeld deutlich höhere Umsätze ermöglicht.
Während der durchschnittliche Verkaufspreis pro Rad in Deutschland bei 756 Euro liegt, ist er in den Niederlanden mit 1.176 Euro deutlich höher. Auch beim Fahrradbesitz übertreffen die Niederländer die Deutschen bei Weitem: Während in Deutschland auf jede Einwohnerin und jeden Einwohner durchschnittlich 0,8 Fahrräder kommen, sind es in den Niederlanden 1,35. Der Marktanteil der etwas teureren Elektro-Räder an allen Fahrrädern liegt bei den Nachbarn bei 40 Prozent, in Deutschland bei ausbaufähigen 23 Prozent. Insgesamt hatte die Niederländische Fahrradindustrie 2018 einen Umsatz von 1,22 Milliarden Euro. Bei rund 17 Millionen Einwohnern ist das ein Pro-Kopf-Umsatz von 71,76 Euro pro Jahr. In Deutschland (Gesamtumsatz: 4,18 Milliarden Euro) liegt der Pro-Kopf-Umsatz pro Jahr bei nur 50,36 Euro.
Pro Jahr investiert der niederländische Staat pro Einwohner etwa 30 Euro. In Deutschland liegen die Investitionen in Rad-Infrastruktur bei unter 5 Euro pro Kopf.
Pro Jahr investiert der niederländische Staat pro Einwohner etwa 30 Euro in das weltweit am besten ausgebautes Radwegenetz, Radschnellwege und großzügige Fahrradparkhäuser. In Deutschland liegen die Investitionen in Rad-Infrastruktur bei unter 5 Euro pro Kopf. Der Erfolg der niederländischen Investitionen lässt sich auch am Nutzungsverhalten ablesen: Dort legen die Menschen im Durchschnitt über 1.000 Kilometer im Jahr mit dem Rad zurück, in Deutschland sind es nur 400. Auch der Radverkehrsanteil am Gesamtverkehr ist bei uns um zwei Drittel niedriger: In den Niederlanden liegt er bei knapp 30 Prozent, in Deutschland nur bei elf Prozent. Die wachsende Unzufriedenheit mit dem Infrastruktur-Angebot und das Unsicherheitsgefühl der Radfahrenden in Deutschland sind durch mehrere Studien belegt. Der ADFC fordert mehr Platz für den Radverkehr, hochwertige Radwege in durchgängigen Netzen sowie Fahrradparkplätze an allen Gebäuden mit dem Ziel, mindestens jede dritte Autofahrt auf das Rad zu verlagern.
6 Antworten auf „Schlechte Infrastruktur bremst Fahrradindustrie“
Wenn der Pedelec-Anteil in Dt. geringer ist als in den NL, sind die Deutschen dann nicht umweltfreundlicher unterwegs beim Radfahren?
Wenn weniger Räder gekauft werden, kann das nicht auch für eine steigende Qualität der Räder sprechen, da diese seltener ersetzt werden müssen?
Kann es sein, dass die Zahlen zum Radverkehrsanteil aus methodisch nicht identischen Untersuchungen stammen und damit gar nicht vergleichbar sind?
Kann es sein, dass dem Radverkehr weniger Platz zur Verfügung steht, wenn er nicht mehr die ganze Fahrbahn nutzen kann, sondern auf Schutzstreifen und untermaßige Radfahrstreifen (= reale Umsetzungsszenarien im deutschen Bestand in den meisten Fällen) abgedrängt wird?
Die Legende von den fehlenden Radwegen ist offenbar nicht totzukriegen, aber Faktenresistenz gibt es halt nicht nur hinter der Windschutzscheibe, sondern auch auf zwei Rädern.
Gerade erst am vergangenen Sonntag wurde hier im Blog dieser Link auf ein Interview mit dem Verkehrsminister in BW gepostet:
https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/Radverkehr-in-Baden-Wuerttemberg-Verkehrsminister-Hermann-kann-eigene-Ziele-nicht-einhalten,radwege-hermann-100.html
Man wollte in BW den Radverkehrsanteil in zehn Jahren von 8 auf 16 % verdoppeln und ist damit krachend gescheitert, denn laut eigener Untersuchung lag er 2017 bei 10 %. Wie wollte man die Fahrradnutzung steigern? Mit „Millionen für Rad- und Fußverkehrsinfrastruktur“. 100 Millionen Euro Steuergeld hat man dafür versenkt.
– Bei 2 % stelle ich mir zuallererst die Frage, wie hoch überhaupt die Meßgenauigkeit ist.
– Diese spärlichen 2 % überhaupt mit dem Bau von Radwegen in Verbindung zu bringen erscheint mir abenteuerlich. 2 % in zehn Jahren, rauf oder runter, dafür gibt es viele weitere Faktoren, das machen andere Regionen ganz ohne den Bau von Wegelchen.
– Weiterhin ist bekannt, daß zusätzliche Radfahrer sich ganz überwiegend aus Fußgängern und Nutzern des ÖPNV rekrutieren. Wie sinnvoll ist es, Millionen dafür auszugeben, Fußgänger aufs Rad zu bringen und den ÖPNV auszudünnen?
Wenn man wirklich etwas bewegen wollte, müßte man nicht beim Radverkehr, sondern beim MIV ansetzen. Jehova, Jehova! Es würde schon reichen, ihn nicht weiter zu fördern und zu pampern, aber das ist natürlich gegen jeden Menschenverstand und würde Arbeitsplätze kosten.
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Hallo Thomas,
Radwege sind nicht mit Radinfrastruktur gleichzusetzen.
Nur mal so, weil Du Dich so schön echauffieren kannst.
Gruß
Atze
Natürlich gibt es auch Fahrradbügel, Fahrradparkhäuser und anderes, aber im allgemeinen ist „Radinfrastruktur“ ein Synonym für Streifchen.
Das wäre mir jetzt aber neu….
etwas mehr als 100 Millonen Euro Steuergeld hat man hier nur für den Umbau eines einzigen Autobahndreiecks versenkt (geplant mit 70 Mio). Auf die Fläche des Bundeslandes gerechnet sind das Peanuts für den Radverkehr. Von Milliardengräbern wie Stuttgart 21 reden wir besser erst garnicht.
Ich empfehle Ihnen sich mal die Verhältnismäßigkeiten anzusehen, statt mit dm Finger auf die vermeintliche Steuergeldverschwendeung beim Radverkehr zu zeigen. Für den Kraftverkehr werden Milliarden an Steuergeldern rausgeworfen, einzig nur um die Fahrbahnen von zwei auf vier, von vier auf sechs, von sechs auf acht Spuren zu verbreitern, Verkehrsfluss zu beschleunigen, Verkehrsinfarkte und Unfallrisiken zu beseitigen, überlastete Infrastrukturbauwerke zu erneuern. In der Regel gehen dabei wertvolle Natur- und Ackerflächen verloren, gerade z.B. beim Neubau von Autobahnen. Sogenannte Ausgleichsflächen sind meistens auch wiederum ehemalige Acker, die dann umgewidmet werden, eigentlich belügt man sich selbst.
In USA gibt es zwölfspurige Autobahnen und trotzdem stehen alle im Stau, weil alle gleichzeitig in eine Richtung strömen, dabei aber jeder einzelne sein tonnenschweres Ungetüm eher aus Egoismus und Bequemlichkeit benutzt.
Es muss von daher ein Umdenken stattfinden, Der vernünftige Weg ist nicht dem Auto mehr Raum zu geben, sondern die Alternativen zu verbessern. Also nicht 1000 Autos gleichzeitig in eine Richtung als stehendes Knäul vor der Einfallstraße, sondern ein Zug mit 1000 Fahrgästen, welche am Zielbahnhof auf die Straßenbahnen und Busse verteilt werden.
In meiner Stadt kommt das gleiche Gejammer, die pösen pösen Radfahrer kriegen ein neues Stück Weg für 3 Millionen Euro, kaum 500 Meter Luftlinie davon wurden die über 100 Millionen für das Autobahndreieck ausgegeben und die nächste Millionen-Euro-Baustelle an derselben Autobahn ist gerade in Vorbereitung, weil die alten Brücken aus den 1960ern an einem benachbarten Autobahnkreuz die Belastung nicht mehr tragen. So wird ds dann vermutlich die nächsten Jahre um die ganze Stadt weiterlaufen, bis man wieder von vorne anfängt, weil die 60-Tonner im Jahre 2040 die Brücken von 2005 zu stark beschädigt haben.
Und der Radweg-Abschnitt für ca 3 Millionen wird mittlerweile fleißig von Radlern, Spaziergängern, Joggern genutzt. Der Weg verläuft insgesamt mittlerweile ca 10-12 Kilometer um die Stadt, verbindet Wohngbiete mit Naherholung, Kultureinrichtungen, Sportanlagen, Gastronomie und Arbeitsplätzen, hat sich zu einer wichtigen Einrichtung entwickelt.
Siehe http://ringgleis.de/
Die Eisenbahn selbst ist auch am Limit und relativ unatttraktiv geworden, weil man über Jahrzehnte die Strecken bis auf wenige Hauptstrecken abgebaut hat, örtliche Haltestellen für Personenzüge geschlossen hat, Güterbahnhöfe und Stückgutverldung zu Gunsten der Straße eingestellt hat. wenn man sich Streckenkarten von vor 1945, 1970 und 2019 ansieht, wird man den Rückgang im Schienennetz deutlich erkennen, aber das zeigt nicht das gesamte Ausmaß des Rückbaus. Es gibt in meienr Region mehrere größere ehemalige Knotenpunkte, wo mal drei-vier Strecken zusammen kamen, größere Bahnanlagen bestanden haben, wo heute kein einziger Zug mehr fährt, keine Gleise mehr liegen, oder sich der Verkehr auf zweistündliche Personenzüge in einer riesigen Bahnbrache neben dem imposanten Bahnhofsgebäudes beschränkt.
Von daher ist das nicht wirklich eine Alternative zum eigenen PKW oder dem Güterverkehr auf der Straße.