Pressemitteilung des Verbund Service und Fahrrad g.e.V.
Branchenkongress betont Notwendigkeit einer Verkehrswende
Mit der Verabschiedung von fünf Forderungen ging am Dienstagnachmittag der 5. vivavelo Kongress der Fahrradwirtschaft zu Ende. Die Teilnehmer beschlossen eine Erklärung, in der auf die Notwendigkeit einer konsequenten Verkehrs- und Mobilitätswende hingewiesen wird. Dabei wird die wichtige Rolle des Radverkehrs unterstrichen.
Zu den Forderungen gehören
- eine grundlegende Neuausrichtung der Verkehrspolitik im Sinne einer sinnvollen Verteilung der Verkehrsflächen und einer Stärkung von ÖPNV, Fuß- und Radverkehr.
- eine substanzielle Weiterentwicklung des Nationalen Radverkehrsplans mit der Benennung konkreter Ziele und einer deutlich aktiveren Rolle des Bundes.
- massive Investitionen des Bundes in eine zeitgemäße Radverkehrsinfrastruktur, die die gegenwärtig noch bestehenden Hemmnisse für die Fahrradnutzung abbaut.
- die Förderung von schnellen Pedelecs als Pendlerfahrzeug durch den Abbau bürokratischer Hürden.
- bessere Rahmenbedingungen für Cargobikes, damit diese künftig eine bedeutendere Rolle in der Citylogistik spielen und zur Verkehrsentlastung beitragen können.
„Der Wandel im Mobilitätsverhalten der Menschen ist bereits spürbar und der Radverkehr spielt dabei eine zunehmende Rolle“, begründet Albert Herresthal, Initiator des vivavelo Kongresses, den Hintergrund der Abschlusserklärung. Diese Energie müsse jetzt von Politik und Verwaltung positiv aufgenommen werden.
Betont wird in der Erklärung auch, dass der Radverkehr nicht nur Verkehrsprobleme lösen kann, sondern ebenso auf anderen Politikfeldern wie Klimaschutz, Gesundheit, Luftreinhaltung und Lebensqualität hilfreich ist. Weiterhin wird von den Kongressteilnehmern auf die wirtschaftliche Bedeutung der Fahrradbranche verwiesen, die für 16 Milliarden Euro Gesamtumsatz und 278.000 Vollzeit-Arbeitsplätze in Deutschland steht.
Die vollständige Abschlusserklärung des vivavelo Kongresses 2018 mit den fünf zentralen Forderungen gibt es weiter unten.
vivavelo Abschlusserklärung
Die Auswirkungen des Klimawandels werden immer spürbarer und die ökonomischen Folgekosten konkreter. Es ist deutlich, dass alle gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bereiche einbezogen werden müssen, um die Klimaziele einzuhalten. Deutschland hat zwar mit der Energiewende vergleichsweise früh begonnen, es dabei aber versäumt, ein Konzept für die gleichermaßen erforderliche Verkehrs- und Mobilitätswende zu entwickeln. Heute ist klar, dass Klimaschutz und Energiewende ohne eine Mobilitätswende in Deutschland nicht gelingen können.
Doch ein Wandel im Mobilitätsverhalten der Menschen ist bereits erkennbar. Jetzt wollen wir „Den Wandel lenken!“. Der Radverkehr wird hierbei eine zentrale Rolle übernehmen – und zwar sowohl in den Ballungsgebieten als auch im ländlichen Raum. Die Fahrradwirtschaft ist willens und bereit, ihren Beitrag zur Verkehrswende in Deutschland zu leisten. Sie tut das mit hochwertigen und innovativen Produkten sowie mit zukunftsweisenden Services. Konkret, vor Ort und flächendeckend.
Von der Politik erwartet die Fahrradbranche, dass sie den gesellschaftlichen Dialog über die Verkehrs- und Mobilitätswende vorantreibt und zeitnah deutlich bessere Rahmenbedingungen für den Fuß- und Radverkehr setzt. Der Worte sind genug gewechselt. Dabei wird es auch darum gehen, die Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Kommunen wirkungsvoller zu gestalten. Neues Denken ist gefragt: Wo kann der Bund die Länder und Kommunen in dieser zukunftsweisenden Frage stärker unterstützen?
Dies gilt umso mehr, da der Radverkehr nicht nur ein wichtiges Instrument der Verkehrswende und des Klimaschutzes ist, sondern auch eine positive Entwicklung auf anderen Politikfeldern unterstützt. Beispielhaft seien hier die Bereiche Gesundheit, Luftreinhaltung und Lebensqualität genannt.
Eine wirkungsvolle Radverkehrsförderung dient zugleich auch der Sicherung von Beschäftigung in Deutschland. Die Fahrradbranche steht hierzulande für rund 280.000 Arbeitsplätze und einen Gesamtumsatz von 16 Mrd. Euro. Die Fahrradwirtschaft entwickelt, produziert und vertreibt Produkte, die das Radfahren erleichtern und die Freude dabei erhöhen. Dies führt u.a. durch den boomenden Fahrradtourismus zu starken wirtschaftlichen Impulsen.
In der letzten Legislaturperiode gab es positive Ansätze des Bundes, sich aktiver in die Entwicklung des Radverkehrs einzubringen, z.B. durch einen Einstieg in die Finanzierung von Radschnellwegen. Die neue Bundesregierung muss diesen Weg mit einer größeren Dynamik engagiert ausbauen. Denn ohne eine gemeinsame Kraftanstrengung wird keine nachhaltige Entwicklung des Radverkehrs gelingen.
1. Eine grundlegende Neuausrichtung der Verkehrspolitik.
Die Mobilitätswende muss zum ausdrücklichen Regierungsziel werden. Wichtige Elemente dieser Politik sind eine gerechtere Verteilung der Verkehrsflächen, eine Stärkung von ÖPNV, Fuß- und Radverkehr sowie ein Zurückdrängen des MIV. Für den Radverkehr muss eine einladende und sichere Infrastruktur geschaffen werden.
2. Eine substanzielle Weiterentwicklung des NRVP 2020.
Das Folgeprogramm muss konkrete Ziele benennen und konsequent verfolgen. Dabei sollte der Bund künftig eine aktivere Rolle bei der Radverkehrsförderung einnehmen. Hierzu gehören deutlich aufgestockte Finanzmittel, eine Verbesserung des Rechtsrahmens (StVO) mit Innovationsklauseln, flexiblere Förderrichtlinien für Radwege an Bundesstraßen und Radschnellwege sowie eine nachhaltige Verbesserung der Radverkehrssicherheit (Stichwort „Vision Zero“).
3. Investitionen des Bundes in eine zeitgemäße Radverkehrsinfrastruktur.
Die Mittel des BMVI für den Radverkehr sind auf mindestens 800 Mio. Euro im Jahr zu erhöhen, wie bereits vor der letzten Bundestagswahl von den Verbänden ADFC, ZIV und VSF gemeinsam gefordert und differenziert dargelegt wurde. Insbesondere an den Verknüpfungsstellen mit dem ÖPNV muss für Pendler ein schnelles und komfortables Vorankommen möglich und ein sicheres und witterungsgeschütztes Fahrradparken gewährleistet sein. Die zu schaffende Radinfrastruktur sollte dazu geeignet sein, gegenwärtig noch bestehende Hemmnisse der Fahrradnutzung abzubauen.
4. S-Pedelecs als Pendlerfahrzeuge fördern.
Mit S-Pedelecs lassen sich auch Entfernungen bis 20km leicht überwinden. Aktuell werden diese Fahrzeuge durch ihre Einordnung als Kleinkrafträder jedoch ausgegrenzt, es ist ihnen verboten, Radwege zu nutzen. Diese Benachteiligung hat zur Folge, dass sie nur eine minimale Verbreitung finden. Daher fordern wir, dass die örtlichen Behörden den rechtlichen Handlungsspielraum erhalten, S-Pedelecs die Nutzung von Radwegen zu erlauben, wenn sich diese baulich und von der Nutzerstruktur und -frequenz her dafür eignen.
5. Bessere Rahmenbedingungen für Cargobikes.
Cargobikes bieten als Lieferfahrzeuge enorme Chancen für die Stadtlogistik bzw. für Transportdienstleistungen und sollten deshalb auf vielfältige Weise gefördert werden. Hierzu gehören ordnungspolitische Maßnahmen (z.B. Zugang zu den Geschäften in Fußgängerzonen), aber auch eine Infrastruktur, die den spezifischen Platzbedarf dieser Fahrzeuge berücksichtigt.
3 Antworten auf „Fahrradbranche fordert Neuausrichtung der Verkehrspolitik“
Na ja, kein Wunder. Die Frage ist aber, was die Fahrradbranche dafür tut. In den Werbepausen der Fernsehsender habe ich jedenfalls noch nie ein Rad gesehen, aber massenhaft SUVs und andere Aushängeschilder der Abgasbetrüger-Branche.
Startet gefälligst einmal eine von der Wirtschaft getragene Marketing- und Werbekampagne und überlasst nicht alles dem Staat und uns (einzelkämpfenden) Radfahrerinnen und Radfahrern!
In den Niederlanden wird massiv jedes Jahr in jeder Tageszeitung für Fahrräder geworben. Warum das in Deutschland nicht passiert, weiß ich nicht. Entweder schaltet hier in Deutschland keiner Werbung dafür, weil unsere Fahrradhändler das Potenzial unterschätzen oder die Zeitungen drucken lieber Werbung für das Auto, weil deren Verkäufer mehr bezahlen.
Zitat aus dem Artikel:
„Doch ein Wandel im Mobilitätsverhalten der Menschen ist bereits erkennbar“
Ich wohne hier in Essen, im Ruhrgebiet. Klar, wenn die Sonne scheint und es warm ist, dann fahren sie alle. Wenn es regnet nicht mehr. Meistens parke ich vor Supermärkten ziemlich alleine mit meinem Rad.
Ich habe hier in Essen nicht den Eindruck, dass der Autoverkehr sich reduziert hat, eher im Gegenteil und neben SUV sehe ich hier verstärkt amerikanische Pick-ups herumfahren.
Von niederländischen Verhältnissen (ich war gestern und am letzten Mittwoch da) sind wir noch sehr viele Jahre entfernt (ich kann nur für Essen im Ruhrgebiet sprechen – mag sein, dass es in Osnabrück oder in anderen flacheren Städten anders aussieht).