Es liegt in der Natur der Sache, dass Produkte in der Werbung perfekt inszeniert und Nebenwirkungen ausgeblendet werden. Besonders gut darin ist die Autoindustrie. Die neuesten Modelle werden aufpoliert in den schönsten Landschaften und bei bestem Wetter präsentiert (manchmal allerdings auch bei schlechten Bedingungen, wenn das Auto den rettenden Schutzraum darstellen soll). Die Realität – Stau, triste Autobahnen, zugeparkte Straßenzüge – wird logischerweise ausgeblendet.
Neben der Optik kommen dann noch möglichst knappe und selbstbewusste Slogans dazu. Manchmal frage ich mich einfach nur, was der Text jetzt mit dem Auto zu tun haben soll. So zum Beispiel bei BMW und dem neuen X3: „Grenzenlos innovativ“.
Der Buchstabe X ist bei BMW die Chiffre für zu groß, zu breit, zu platzraubend. Was in Bezug auf die Situation in deutschen Städten schon mal wenig innovativ erscheint. Schaut man dann noch kurz, mit welchen Motoren der neue X3 kommt – zwei Diesel, einen Benziner – frage ich mich ernsthaft, was an diesem Auto in Bezug auf seine eigentliche Funktion wirklich innovativ sein soll. Die Größe ist es nicht, der Antrieb ist es nicht. Vielleicht ist es einfach nur der Spruch? Den wird BMW vermutlich zum ersten Mal in eine Anzeige geschrieben haben.
Grenzwertiger wird es da schon bei Audi. Hier ist es der Buchstabe Q, der für die „fettleibige“ Modellreihe steht. Und beworben wurden die SUV aus Ingolstadt mit dem Slogan „Wo ein Q ist, ist auch ein Weg“. Das soll vermutlich Stärke und Kompromisslosigkeit vermitteln. Viele Fahrer dieser Großstadtpanzer nehmen den Werbespruch leider allzu ernst und parken Geh- und Radwege zu. Wo ein Q ist, ist auch ein Radweg (zugeparkt)…
Für fast schon gefährlich hingegen halte ich die Werbung von Porsche, die ich jüngst entdeckt habe. Vorgestellt wird ausnahmsweise kein SUV, sondern der neue Panamera, den es sogar in einer Hybrid-Version gibt. Warum gefährlich? Wegen der Höchstgeschwindigkeit, mit der dieser „Sport Turismo“ über die Autobahn brettern kann (310 km/h)? Deswegen auch, ja. Aber mir geht es um den Werbe-Slogan: „Leistungssport. Erlebt man live am intensivsten.“
Wer Leistungssport kauft, will auch Leistungssport betreiben. Nur bitte nicht auf öffentlichen Straßen!
Gehts noch? Ein Serienauto für die Straße wird mit dem Wort Leistungssport beworben? In Zeiten, in denen illegale Autorennen in Innenstädten Todesopfer fordern und die Strafen für diese Rennen folglich vom Gesetzgeber gerade verschärft wurden? Ich will gar nicht wissen, wie sich diese unterschwelligen Botschaften auf die ohnehin schon rasende Klientel auswirken. Aber wer Leistungssport kauft, will auch Leistungssport betreiben. Nur bitte nicht auf öffentlichen Straßen! Hier heizt der Porsche-Fahrer demnächst mal wieder mit 100 Sachen durch die City und statt Unrechtsbewusstsein stellt sich ein Gefühl von Sportlichkeit ein?!
Der große Teil der Autowerbung beschönigt schlicht das jeweilige Produkt. Ob der Kunde darauf reinfällt, bzw. sich beeinflussen lässt, muss er selber wissen – wenn er das ob der ganzen Emotionen, die geweckt werden (sollen) überhaupt noch kann.
Der Trend geht aber zum großen, leistungsstarken Auto. Und die Werbung stellt den Fahrer in dieselbe Ecke: stark, dominant und immer Herr der Lage. Der Mann am Steuer ist der Siegertyp, Darwin lässt grüßen. Das ist bis zu einem gewissen Maß eher traurig als besorgniserregend, wenn man sich als Mensch nur noch über sein Auto definiert. Was Porsche da aber treibt, geht für mich eindeutig zu weit. Das Führen eines PS-Boliden als Leistungssport zu bezeichnen, ist Verharmlosung pur. Und eine Analyse britischer Unfalldaten zeigt denn auch, dass mit Fahrzeugen mit größeren Motoren überproportional viele Fußgänger getötet werden.
(Als Update hier ein beängstigend genaues Porsche-Beispiel aus Osnabrück: „Wie eine wilde Sau nach Osnabrück gefahren“)
Update 11. Dezember 2017
Aus Leistungssport ist jetzt schon Extremsport geworden. Wo soll das enden?
Noch mehr „Extremsport“ von @Porsche auf öffentlichen Straßen. Könnt ihr ja mal drüber nachdenken, wenn bei dem nächsten illegalen Autorennen wieder Unbeteiligte sterben… pic.twitter.com/MdcFNR6DvW
— Daniel (@SecretCoAuthor) 10. Dezember 2017
Update 16. Januar 2019
Welchen Nervenkitzel meint Audi hier? Mit 150 durch die Stadt und über rote Ampeln rasen? Kommt ja leider immer wieder vor. Oder doch nur die Frage, ob die Batterie bei diesem übermotorisierten Gefährt für die Strecke zum Bäcker reicht?
Update 20. August 2019
Und auch Honda bringt einen „Rennwagen für die Straße“, der „für einen gewaltigen Adrenalinschub“ sorgen soll. Da kann man nur hoffen, dass sich das möglichst wenig Kunden zu Herzen nehmen…
Wenn die Teilnahme an einem illegalen Autorennen eine Straftat ist, was ist dann die Werbung für einen "Rennwagen für die Straße", der einen "gewaltigen Adrenalinschub" verspricht? #Honda pic.twitter.com/xIjObbUuZJ
— Daniel (@SecretCoAuthor) August 20, 2019
Update 9. September 2019
Mercedes-Benz macht auch mit. SUV-Abenteuer-Jagd? In der Stadt?
Liebe Werber von @MercedesBenz_DE! Bedeuten die Abenteuer, die ihr euren #SUV-Kunden versprecht, dass wir draußen damit rechnen müssen, zum Freiwild in der Großstadt-Safari zu werden? pic.twitter.com/7PEbaPnodh
— Stephan Wiehler (@stevanwyler) September 8, 2019
Update 12. Oktober 2019
Wie kommen Autofahrer immer darauf, dass ihnen die Straße gehöre? Und warum wird es immer ruppiger im Straßenverkehr? Vielleicht liegt’s ja an solcher Werbung. Adrenalin und eigene Regeln haben auf der Straße nichts verloren! Shame on you, @TeamAbarth! pic.twitter.com/CeWduh51Ic
— Daniel (@SecretCoAuthor) October 12, 2019
Update 24. Februar 2021
Das @TeamAbarth ruft ganz offensichtlich dazu auf, andere Menschen mit Lärm zu belästigen und der eigenen "Rennfahrernatur" zu folgen. Als hätte es nicht schon genug Tote bei illegalen Autorennen gegeben… pic.twitter.com/x5DTmBFLTl
— Daniel (@SecretCoAuthor) February 24, 2021
9 Antworten auf „Kann Auto-Werbung gefährlich werden?“
Ich definiere mich, wenn überhaupt, über ein Larry vs Harry Bullitt Clockwork mit XT Komplettausstattung. Pose ich heute schon mit dem Statussymbol von morgen? xD
Hier in Berlin-Pberg ist das Bullitt als Statussymbol schon voll angekommen. Gerade in der Innenstadt wirkt diese Form der Distinktion häufig attraktiv auf Menschen mit dem oben beschriebenen Selbstbild: „stark, dominant und immer Herr der Lage. Der Mann am Steuer ist der Siegertyp“. Subjektiv gibt es zudem einen durchnittlichen Unterschied zwischen Nutzern E und Non-E. Selbstüberschätzung, Ignoranz und Rücksichtslosigkeit sind Eigenschaften die sich mit Vergrößerung der Peer-Group leider auch wieder gleichmäßig auf alle Menschen unabhängig ihres fortbewegungsmittels verteilen. Das ist schade fürs Miteinander unter den Radfahrenden, aber die Erweiterung freut mich natürlich als nachhaltigen Ansatz zur Lösung der Umwelt- und Verkehrskollappsproblematik. Glücklicherweise wird die im Artikel beschriebene verklärte und gefährliche Werbeansprache noch nicht von der Lastenradbranche übernommen^^
Frieder, Bullitt Non-E mit Distinktionsmerkmal „selbst zusammengefrickelt“ :)
Bedenklich ist vor allem, dass den Kunden suggeriert wird, sie hätten ein Anrecht darauf, die Leistungsfähigkeit ihres Gefährt’s auch jederzeit ausreizen zu können. Ein 310km/h Bolide steht halt am Ende genau so im Stau, wie der 40PS Twingo und kommt in der Großstadt genau so nur mit lächerlichen 19km/h Durchschnitt voran. Das will den Käufern aber partout nicht in den Kopf gehen, dass der Kaufpreis oder die Steuern in keinster Weise irgendwelche Vorrechte mit sich bringen.
Man sollte den Leuten lieber langsam mal klarmachen, dass die 500PS des Autos nix nutzen, wenn die eigenen Arterien schon platzen, wenn man sich nur den Schlübber zur Vorbereitung des Beischlafs ausziehen will. :p
Mir ist ja nicht ganz klar was Autos – also auch Sportwagen – mit Leistungssport
zu tun haben sollen. Oder Sport allgemein.
Ich habe mich schon manches mal gefragt, ob viele Autofahrer deshalb so
gedankenlos auf’s Gaspedal treten (hab ich früher leider auch, aber man lernt ja
im laufe seines Lebens noch was dazu), weil man sich die Geschwindigkeit nicht
selbst erarbeiten muss. Wenn ich mit dem Fahrrad oder zu Fuß schnell sein will,
muss ich dafür was tun. Sowohl kurzfristig, als auch langfristig.
Wer sich einen Sportwagen kauft, musste bestenfalls das Geld dafür erarbeiten
(wobei ich der Meinung bin, dass man so viel Geld eher nicht durch ehrliche
Arbeit verdienen kann). Somit haben die fahrer eines solchen Fahrzeugs wohl
auch wenig scheu davor diese Motorleistung auf die Straße zu bringen.
Sport oder nicht?
Lass‘ sie doch. Werbung ist nun mal unser Gegenwartsspiegel. Übrigens gibt es da jemanden der sich wirklich damit auskennt und dessen Meinung dazu ist ziemlich eindeutig.
https://bikephreak.wordpress.com/2016/03/10/einem-weltmeister-zum-70/
Auto Werbung an sich ist nicht gefährlich;
fehlt wie bei Zigaretten halt der Hinweis…..
Was mich eher wundert ist;
In PKW wird ganz offen mit Emotionalisierung gearbeitet. Licht, Motormanagement und Sound können auf „Sport“ gestellt werden und animieren zu forscher Fahrweise….
Ablenkung ist ja auch ganz legal; Infotainment darf bedient werden (böse Handys sind illegal wegen Ablenkung)
Wer soll das verstehen?
Werbung? Pfff, Real Life Adblocker ;)
War auch mein erster Gedanke – der Cowboy aus der Zigarettenwerbung ist ja mittlerweile auch tot. Eines Tages dann vielleicht auch endlich die fantasierende Autowerbung…
Seit Dieselgate dürfte man ohnehin keine Fragen mehr haben. Die kriminellen Macher dieser Gefährte wissen sich einig mit der Politik und mit dem größten Teil der Wähler. Die Hälfte lebt immer noch ausserhalb von Großstädten und hat überhaupt kein Problem damit.
Übrigens schick auch die T-Roc Kompakt-SUV Werbung, die einem derzeit von VW um die Ohren fliegt. „T-Roc ist… wenn du Liebesbriefe statt Knöllchen kriegst“
Schöner Text. Nur Darwin scheint hier missverstanden – nicht um die stärksten ging es ihm doch, sondern um die angepasstesten. Das trifft auf die hier vorgestellten Modelle ja kaum zu…