Thomas Dekker Unter ProfisEin Gastbeitrag von Andreas Lenzing aus Osnabrück

Schon wieder eine Sportlerbiografie, die schnell nach dem Karriereende lanciert wird? Thomas Dekker (Jahrgang 1984) ist ein ehemaliger niederländischer Radsportprofi, der in Form einer Biografie seinen Werdegang vom fahrradfahrenden Steppke über den Amateursport bis hin zu einem führenden professionellen Rennstall mit Teilnahme an den großen Radsportevents bis hin zur Tour de France beschreibt, und zwar in der Zeit unmittelbar nach den Dopingskandalen um Lance Armstrong, Jan Ullrich und viele andere. Soweit ja, es ist das, was man angesichts der Titelseite erwartet. Geschrieben von einem erfahrenen Radsportjournalisten aufgrund zahlreicher Gespräche mit dem Sportler.

Der Inhalt ist aber unerwartet verstörend, denn Thomas Dekker ist mit der Zeit Teil eines Systems von Doping geworden, nicht ohne eigenes Zutun. Die Art und Weise und die Offenheit, mit der er hier seine Sicht der Dinge darlegt und auch Namen, Orte und Zeiten nennt, ist schon einmalig. Da wird in einfach strukturierter Sprache Klartext geschrieben, sodass man als Leser mehr als einmal denkt: Das gibt Ärger!

Ein erschütterndes Sittengemälde eines Pelotons der Exzesse

Vom Amateursportler wird der Weg in ein Profiteam beschrieben, bei dem Thomas Dekker von einem „Berater“ begleitet wurde, der Beteiligungen am ausgehandelten Gehalt und an den Preisgeldern erhält. Damit diese auch fließen, wird Kontakt zu Sportärzten hergestellt, die den Sportler mit Dopingmitteln versorgen und Dopingverfahren durchführen. Dekker spart nicht mit unappetitlichen Details. Es wird immer in Kenntnis der Illegalität gehandelt, regelrecht konspirativ gereist und sich bewusst und gezielt der Kontrollen der Antidopingorganisationen entzogen. Er verschweigt aber auch nicht, wie geradezu suchtauslösend er es empfunden hat, nach einer Erhöhung der Blutmenge mittels Blutdoping über eine ungeahnte und nie zuvor erlebte Leistungsfähigkeit verfügen zu können. Man kann dieses Hochgefühl, insbesondere bei einem Jungprofi Anfang 20,  durchaus nachvollziehen und verstehen, warum er immer tiefer in diesen Sumpf geriet.

Manche Details sind vermutlich auch von der subjektiven Wahrnehmung des Protagonisten geprägt, man nimmt ihm aber seine Offenheit bei der Darstellung der Abläufe sehr wohl ab. Für das Verständnis des Radsportdilemmas in der Zeit nach dem Skandal um Lance Armstrong und andere ist dieses Buch ein wichtiges Zeugnis.

Es gibt dann wohl auch Ärger, denn unmittelbar nach der Erstveröffentlichung wurden rechtliche Schritte angedroht. Der genannte Berater Jacques Hanegraaf hat eine Klage gegen Thomas Dekkers Co-Autor angestrengt, die Angelegenheit ist jedoch vom Gericht bereits zugunsten von Thijs Zonneveld entschieden worden.

Fazit: Eine spannende Lektüre, für Radsportinteressierte eine Pflichtlektüre. Eine Leseprobe gibt es hier beim Verlag.

Unter Profis
Thomas Dekker mit Thijs Zonneveld
Broschur, ca. 220 Seiten
Covadonga Verlag
1. Juli 2017