Kategorien
Allgemein

Im Kern gesund

im_kern_gesundGreenpeace hat seit einem Jahr einen Maßnahmenkatalog für eine gesunde Mobilität in Deutschlands Stadtzentren. Trotz mancher Anstrengung zum Umbau der Innenstädte bleibt ein Thema ungelöst: Der motorisierte Verkehr belastet die Innenstädte weiterhin enorm – durch Lärm, Schadstoffe und Flächenverbrauch. Die zehn vorgestellten Thesen sollen einen Anfang machen und zeigen, wie man Deutschlands Innenstädte für die Menschen zurückerobern kann.

Gesunde Städte brauchen einen gesunden Kern: Eine Innenstadt mit hoher Lebensqualität, die den Menschen mit seinen vielfältigen Bedürfnissen in den Mittelpunkt stellt.

  1. Wer stinkt, der zahlt: Ein fairer Beitrag zu gesunden Städten.
    Die Städte wachsen und mit ihnen der Verkehr. Um die Schadstoffbelastung deutlich zu reduzieren, kommen wir nicht um eine Begrenzung des Innenstadtverkehrs herum. Hier stehen verschiedenen Möglichkeiten wie Umweltzonen oder eine Innenstadtmaut zur Wahl.

  2. E für alle: Ganzheitliche E-Mobilität statt nur E-Autos
    Betrachtet man allein den schädlichen Ausstoß von Luftschadstoffen durch Pkw, scheint das Elektro-Auto die Antwort auf zu hohe Stickstoff- und CO2-Emissionenn zu sein. Aber dieser Gedanke greift zu kurz. Auch öffentliche Verkehrssysteme, Liefer- und Transportverkehre müssen zukünftig von E-Mobilität angetrieben werden.

  3. Gut gepackt: Lieferverkehr reduzieren und konzentrieren.
    Ein wichtiger Ansatzpunkt für Verbesserungen des Verkehrs in der Innenstadt ist die Neuorganisation des Lieferverkehrs, speziell auf der so genannten „letzten Meile“. Der sich immer stärker abzeichnende Umstieg auf Lastenfahrräder und kleine Fahrzeuge mit Elektroantrieb muss weiter vorangetrieben werden – durch Förderprogramme einerseits sowie durch einschränkende Maßnahmen für Lieferfahrzeuge mit Verbrennungsmotor.

  4. Feet first: Vorfahrt für Fußgänger und Radfahrer
    im_kern_gesund 2Ob mit dem Rad oder auf Sohlen: Die Füße sind unser naturgegebenes Fortbewegungsmittel. Eines, das keine Stickoxide, keinen Feinstaub und (fast) kein CO2 verursacht – und kaum Raum verbraucht. Was würde besser zu den beengten Platzverhältnissen in den Innenstädten passen? Der nicht motorisierte individuelle Verkehr muss die Nummer eins in Deutschlands Innenstädten werden. Fahrradfahrer und Fußgänger sollten grundsätzlich Vorrang vor jeglichem motorisierten Verkehr in der Innenstadt haben – ob an Kreuzungen, im Straßenraum oder bei Investitionen.

  5. Die neue Cityfreiheit: Mut zu autofreien Zonen.
    Schadstoffemissionen können am effektivsten vermieden werden, indem der Verkehr verringert wird, von dem die Schadstoffe ausgehen. Deutschlands Städte sollen prüfen, welche Teile ihrer Zentren sie ausschließlich Fußgängern und Radfahrern vorbehalten können. Der Verkehr muss in Teilbereichen der Innenstädte auf zeitlich begrenzten Lieferverkehr, öffentlichen Personenverkehr sowie Fußgänger- und Radverkehr beschränkt werden.

  6. Slow statt stressig: Tempo runter, Verkehr beruhigen.
    Die Belastung durch Feinstaub und Stickstoffoxide im Straßenverkehr wird nicht allein durch die Art und Anzahl der Fahrzeuge bestimmt, sondern auch durch die Fahrgeschwindigkeit. Ein erprobtes Gegenmittel: Tempo-30-Zonen und verkehrsberuhigte Zonen mit Tempo 20. Weniger Geschwindigkeit bringt mehr Lebensqualität.

  7. Weg mit dem Standblech: Räume für Menschen, nicht fürs Parken!
    23 Stunden pro Tag steht ein Auto im Durchschnitt still und nimmt  einfach nur Platz weg: etwa zehn Quadratmeter, häufig sogar mehr. Es gibt kaum einen ineffizienteren Weg, den öffentlichen Raum zu nutzen, als ihn für parkende Autos zur Verfügung zu stellen. Es st höchste Zeit, den Parkraum im öffentlichen Straßenraum in den Innenstädten deutlich zu reduzieren.

  8. Der Nahverkehr in der Innenstadt muss kostenlos sein.
    Wer den Verkehr auf der einen Seite einschränkt, muss auf der anderen Seite neue Angebote machen. Um die emissionsarme Mobilität und den öffentlichen Nahverkehr konsequent zu fördern, müssen Busse und Bahnen im Innenstadtbereich kostenfrei sein. Nur so ist sichergestellt, dass wirklich alle Bevölkerungsschichten die Möglichkeit haben, sich bequem und emissionsfrei in der Innenstadt fortzubewegen.





  9. Integrierte Mobilitätsangebote müssen gefördert werden
    Um die Menschen dazu anzuregen, aus dem Pool alternativer Transportmittel zu wählen, statt den Schlüssel zum Auto zu zücken, muss dieser Pool möglichst reichhaltig sein. Alle Angebote müssen aufeinander abgestimmt werden und so bequem und einfach wie möglich genutzt werden können.

  10. Weg von Monotonie und hin zu Lebendigkeit in der Innenstadt
    In den letzten Jahrzehnten haben sich unsere Innenstädte zu austauschbaren Konsum-Catwalks gewandelt: Kühle Hochglanzfassaden, karge Plätze, zugige Straßen und unbequemes Stadtmobiliar – eine Komposition, die sich von Stadt zu Stadt kaum noch unterscheidet. Damit unserer Innenstädte auch außerhalb der Öffnungszeiten wieder lebendig werden, müssen sie mehr bieten als nur Konsumtempel: Wohnraum, Grünflächen, kulturelle Orte. Sie müssen wieder zu Zielen des Alltags abseits des Shoppings und der Büroarbeit werden.

Das Fazit von Greenpeace: „Um eine gesunde Mobilität in den Innenstädten zu etablieren, muss ganzheitlich gehandelt werden. Im Vordergrund steht die Notwendigkeit, Schadstoffe zu reduzieren. Hier sind schnelle erste Erfolge nötig. Um aber auf ganzer Linie gesunde Innenstädte zu sichern, müssen Mobilitätskonzepte entwickelt werden, die allen genannten Zielen für lebenswerte Innenstädte gerecht werden. Erste Verbesserungen sind schon auf den Weg gebracht.

Deutschlands Städte sind aber dabei, im internationalen Vergleich den Anschluss zu verlieren. Viele Städte weltweit haben sehr weit reichende Maßnahmen zur Reduzierung des Autoverkehrs und zur Förderung alternativer Verkehrsträger umgesetzt. Die dargestellte Strategie für Deutschlands Innenstädte baut auf diesen Erfahrungen auf und ergänzt sie um neue, für Deutschland relevante Vorschläge.

Die Strategie ist ein deutlicher Aufruf zum Handeln: Nur, wenn unsere Städte im Kern gesund bleiben, sind unsere Städte zukunftsfähig – und im Wettbewerb um Standort- und Lebensqualität konkurrenzfähig.“ Hier gibt es das gesamte Dokument.

im_kern_gesund 3

Eine Antwort auf „Im Kern gesund“

Sehr sinnvolle Einzelaspekte. Aber schade, dass das weltweit grassierende Problem der Gentrifizierung unserer Innenstädte nicht reflektiert wird.
So entstehen derweil zum Wohle der Immobilieninvestoren nach und nach ‚grüne‘ hochpreisige Kernstädte für das Klientel, das es sich leisten kann. Das Herz der Städte dann nur noch für Besserverdienende, in denen sich die ‚Normalos‘ dann immerhin gelegentlich dank ÖPNV-Nulltarif noch emissionsfrei „fortbewegen“ dürfen?

Die von den Neoliberalen favorisierte anti-congestion Citymaut (Brexit-Boris-Johnson und Co.), welche für Besserverdiener nicht spürbar ist, aber die verstopten Fahrbahnen vom Stau der ‚Normalos‘ säubert, ist auch nicht gerade geeignet die verstärkte sozialräumliche Segregation aufzuhalten. Im Gegenteil. Da ist der – gleichfalls im Papier enthaltene – Vorschlag zu generellen Fahrverboten schon erheblich besser.

Leider auch keine Reflektion darüber, welche Auswirkungen die gentrifizierten ‚grünen‘ und ‚lebenswerten‘ Kerne auf die Autoverkehrsleistung der rapide wachsenden Ströme von Einpendlern und Auto-Suburbverkehren haben.

Aber seis drum: immhin ein Papier, das mal nicht das Heil in tumbem Radwegebau („der gute Radweg“, der gerne „auch dem Autoverkehr nutzt“) als Placebo sucht, sondern klar und ausdrücklich Restriktionen gegen den ausufernden Autoverkehr fordert. Mehr davon!

Glücklicherweise wird auch nicht der Fehler der neuen „Radwegebauszene“ begangen, dass eine Ausweitung der Kapazität (zusätzliche Radwege neben der Fahrbahn) zu eingeschränktem Autoverkehr führen soll. Das KANN nicht funktionieren, wird aber in der Welt allgegenwärtiger Powerpoint-Slogans privater Radwegbau-Werbeagenturen gern ausgeklammert. Ausweitung der Kapazität führt (außer in Schrumpfregionen) stets zum Anwachsen von Verkehr (induzierte Verkehre), NICHT zu dessen Eindämmung.

Allerdings ist die eierlegende Wollmilchsau, die zugleich den Autoverkehr zurückdrängt, die Gentrifizierung aufhält, Akzeptanz findet und zozial gerecht die ökologische Abwärtsspirale aufhält … leider eh noch nicht gefunden.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert