Der Deutsche Verkehrsgerichtstag hat sich 55. Mal getroffen. Der Arbeitskreis IV hat sich dabei mit der „Sicherheit des Radverkehrs“ befasst. Hauptredner waren dabei Burkhard Pauge (Richter am Bundesgerichtshof a.D.), Jörg Ortlepp (Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft), Burkhard Stork (Bundesgeschäftsführer ADFC) und Sascha Ziegler (Leiter der Fahrradstaffel der Polizei Berlin). Herausgekommen sind sechs Empfehlungen, die neben mehr Polizei im Bereich Radverkehr eine sichere Infrastruktur mit Mindeststandards fordern und darauf hinwirken, dass Fahrzeugassistenzsysteme zeitnah europaweit eingeführt werden.
Tendenziell richtig, aber nicht weit genug.
Für den Verkehrsclub Deutschland e.V. (VCD) hätten die Empfehlungen durchaus noch konkreter sein können. Anja Smetanin, Pressesprecherin des Bundesverbandes: „Die Empfehlungen des Verkehrsgerichtstages sind tendenziell richtig, dennoch gehen sie uns nicht weit genug. Wir hätten uns für die Erhöhung der Sicherheit im Radverkehr konkrete Empfehlungen, insbesondere für ausreichend breite Fahrradstreifen gewünscht, sowie für weitere konkrete infrastrukturelle Maßnahmen, wie sie der VCD in seiner Pressemitteilung vom 25. Januar 2017 gefordert hat.“
Auch der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) begrüßt, dass sich der Verkehrsgerichtstag mit dem Thema der Radverkehrssicherheit befasst hat. Er fordert in einer Mittelung, dass die Sicherheit für Radfahrer verbessert werden muss, da es vor allem „Normalradfahrer“ seien, die gefährdet sind. Abhilfe könne durch baulich getrennte Radwege im Sichtbereich der Fahrbahnen geschaffen werden.
Der ADFC wertet die Konferenz als vollen Erfolg, wird seine Forderung nach sicherer und vom motorisierten Verkehr getrennter Infrastruktur gestärkt. Bundesgeschäftsführer Burkhard Stork: „Die Radinfrastruktur in Deutschland ist ein schlecht gemachter Flickenteppich. Radfahrer wissen nicht, wo sie sicher fahren können – und Autofahrer wissen nicht, wo sie mit Radfahrern rechnen müssen. Das bringt Gefahr. Wir brauchen ein intuitiv verständliches, durchgängiges Radverkehrssystem mit großzügigen Abmessungen, das dem wachsenden Radverkehr gerecht wird. Dass auch die über 2.000 Verkehrsrechtsexperten in Goslar den Ausbau der Fahrrad-Infrastruktur als prioritär wahrnehmen, ist ein Riesenschritt nach vorn!“
Der Platz für zusätzliche Fahrrad-Infrastruktur muss in erster Linie vom Autoverkehr kommen.
Auf die Frage, woher der Platz für einfache, selbsterklärende und sichere Radverkehrsinfrastruktur kommen soll, hat der ADFC eine klare Antwort: in erster Linie vom Autoverkehr. Das trage „schließlich auch zur Entlastung der KFZ-Spuren bei“. (Mehr auch hier…)
Hier die sechs Empehlungen:
- Der Arbeitskreis empfiehlt, die Radverkehrsinfrastruktur generell einfach, selbsterklärend und sicher zu gestalten. Dabei sind durchgehende Radverkehrsnetze zu schaffen.
- Die Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA) der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV) beschreiben, wie sichere Radverkehrsanlagen geplant, ausgeführt und betrieben werden können. Erreicht werden muss eine für alle Straßenbaulastträger verpflichtende Einführung der ERA als Mindeststandard.
- Die Bundesregierung sollte sich auf europäischer Ebene intensiv für eine zeitnahe Einführung geeigneter Fahrzeugassistenzsysteme (z.B. Lkw-Abbiegeassistenten, Pkw-Notbremsassistenten, Abbiege-Geschwindigkeitsbegrenzer) zur Verhinderung von Radverkehrsunfällen einsetzen. Zudem ist auf eine Verbesserung der passiven Schutzmaßnahmen an Kraftfahrzeugen zur Minimierung der Verletzungsschwere von Radfahrenden hinzuwirken.
- Der Einsatz von Fahrradstaffeln der Polizei leistet einen wirksamen Beitrag zu mehr Akzeptanz der Verkehrsregeln bei Radfahrern und Kraftfahrern. Deshalb sollten bundesweit in allen größeren Städten mit einem nennenswerten Radverkehrsaufkommen speziell ausgebildete und ausgerüstete polizeiliche Fahrradstaffeln, möglichst als Alleinaufgabe, eingerichtet werden.
- Der Arbeitskreis empfiehlt mehr Überwachung und Sanktionierung von Verkehrsverstößen von und gegenüber Radfahrenden.
- Der Arbeitskreis empfiehlt mehr und zielgruppenorientiertere Aufklärung und Vermittlung von Regelkenntnissen rund um den Radverkehr (z.B. Frage der Benutzungspflicht von Radwegen; einzuhaltender Seitenabstand beim Vorbeifahren/Überholen; Beleuchtungseinrichtungen) sowohl für Radfahrende als auch für die übrigen Verkehrsteilnehmer. Hilfreich sind bundesweite Rad-Aktionstage.
2 Antworten auf „Verkehrsgerichtstag: Mehr Technik, mehr Polizei“
Naja, in den ERA gbit es ja immer Schlupflöcher, soll- und Kannbestimmungen. Aber keine Defintion, wann Ausnahmen keine Ausnahmen mehr sind. Also wird halt flächendeckend Ausnahmen gebaut, die jedesmal mehr oder weniger plausibel begründet werden.
Gibt es empirische oder argumentative Belege dafür? Heißt das, dass ein Streifenwagen diesen Effekt nicht hat?
Und die Alleinaufgabe ist dann die Jagt der Rüpelradler? Das sich aus dem Verkehrsmittel ergibt, nur zuständig zu sein für Verkehrsteilnehmer*innen die das gleiche nutzen, ist absurd. Warum soll ein Streifenwagen nicht auch für Radfahrer*innen zuständig sein?