Die Osnabrücker Kammern und Wirtschaftsverbände haben ein gemeinsames Positionspapier zur aktuellen Debatte um die Entwicklung am Neumarkt vorgelegt: „Der Neumarkt: Als Verkehrsachse bis auf Weiteres unverzichtbar“ Überraschend dabei: auf einmal ist auch eine Sperrung vorstellbar – unter bestimmten Voraussetzungen. Das muss nun allerdings auch so sein, wenn man weiterhin mitreden will. Denn die Kommunalwahl hat eine Mehrheit für die Sperrung bestätigt.
Die große Lüge der vergangenen Jahre, mit der auch die wirtschaftsnahe CDU immer wieder spielt, findet sich schon in der Einleitung:
Für das Verkehrssystem der Stadt Osnabrück spielt der Neumarkt als die zentrale West-Ost-Verbindung eine entscheidende Rolle. So erschließt er insbesondere die wichtigsten Innenstadt-Parkhäuser aus allen Richtungen und ist damit entscheidend für die Erreichbarkeit der Osnabrücker Innenstadt insgesamt.
Er erschließt die wichtigsten Parkhäuser aus allen Richtungen, ja. Aber er ist alles andere als entscheidend für die Erreichbarkeit der Osnabrücker Innenstadt. Er ist höchstens mitentscheidend für die Erreichbarkeit einiger weniger Parkhäuser in der Innenstadt. Denn kommt man aus westlicher Richtung nach Osnabrück, sind die im östlichen Teil der Innenstadt gelegenen Parkhäuser eben nicht mehr ganz so direkt erreichbar. Na und? Autofahrer kommen weiterhin aus jeder Himmelsrichtung direkt ins Zentrum und können überall zentral parken. Wer „Lieblingsparkhäuser“ hat, nimmt einen zwei Kilometer langen Umweg schon in Kauf.
Das schwarze Stück ist für Autos gesperrt.Die CDU-#Osnabrück spricht von schlechter Erreichbarkeit der Innenstadt… pic.twitter.com/q9ZUWdXbDP
— Daniel (@SecretCoAuthor) 27. November 2015
Wann kümmern sich die Wirtschaftsverbände also endlich um ihre eigentliche Aufgabe? Nämlich die Osnabrücker Innenstadt für Kunden, also für Menschen, attraktiv zu machen? Das Problem ist nicht die Erreichbarkeit der Stadt, die ist auch bei gesperrtem Neumarkt nicht beeinträchtigt. Alle großen Ein- und Ausfallstraßen bleiben unverändert bestehen. Das Problem ist viel mehr die Anziehungskraft der Stadt gegenüber der Konkurrenz, in erster Linie dem Online-Handel. Es muss einen Grund geben, in die Stadt zu fahren, nicht durchzufahren. Daher ist auch die Forderung, die Bürgerinnen und Bürger des Landkreises ebenfalls über eine Neumarktsperrung abstimmen zu lassen, verrückt. Den für die Stadt wertlosen Durchgangsverkehr fragen, ob der Neumarkt für den Durchgangsverkehr gesperrt werden soll? Absurd…
Eine Bürgerbefragung über den Neumarkt müsste zum Beispiel in Stadt und Landkreis durchgeführt werden, so IHK-Geschäftsführer Marco Graf.
Die Wirtschaftsverbände sollten endlich an einer lebenswerten und attraktiven Stadt mitarbeiten. Den Kunden muss etwas geboten werden. Neben einem breiten Angebot an Waren gehört auch eine hohe Aufenthaltsqualität dazu. Je länger sich die Kunden in der Stadt aufhalten, desto mehr Geld geben sie aller Wahrscheinlichkeit nach auch aus. Sonst könnte man ja alle Geschäfte gleich mit einem Drive-In versehen. So mutet die Strategie der Wirtschaftsverbände zumindest an. Schnell hin und schnell wieder weg. Wenn das aber schon alles sein soll, dann verliert die Innenstadt auf jeden Fall gegen den Online-Handel…
8 Antworten auf „Menschen kaufen ein, nicht Autos…“
Ich habe den artikel in der NOZ auch kopfschüttelnd gelesen. Alternativen Mobilitätsarten zum MIV (mit Mief) können sich Kammern aber so gar nicht vorstellen… Die sind ja sowas von 70er und 80er. Danke für Deine Klarstellung, Daniel, Du hast den richtigen Ton getroffen.
Hi Daniel
So ähnlich sieht es selbst in Münster aus. Der Muff der Politiker jenseits der Ü60 ist sowas von in den 80igern stecken geblieben und meint auch noch, dass sie sowas von mit der Zeit gegangen sind und sich bestens für das Allgemeinwohl einsetzen.
Ähnlich den Menschen die in Jeansjacke aus den 90igern rumlaufen und sich immer noch für Trendsetter halten ,-)
Es wird endlich mal Zeit diejenigen in die Politik zu holen die mitten im Leben stehen und sich aktiv im Stadtgeschehen beteiligen. Auf die ganzen Autofahrer die durch Osnabrück durchfahren kann rein wirtschaftlich sicher gut verzichtet werden…
Hinsichtlich der Samstagsproblematik ist die Neumarktsperrung vielleicht sogar zielführender. Immerhin kriegt man die Leute damit gewissermaßen in das Parkhaus gepresst, dass für ihre jeweilige Windrichtung das richtige ist.
Das Alltagsproblem bleibt aber ohne Umgehungen und offene Autobahnen mit dem gesperrten Neumarkt ungelöst.
Es stinkt auf dem Wall und vor dem Wall zwischen 6:30 und 8 Uhr und zu den Stoßzeiten am Nachmittag mittlerweile so sehr nach Diesel, wie früher an den Hauptstraßen in den frühen 80ern die Benziner gestunken haben. Eine hochkarätige Gesundheitsschädigung und Geruchsbelästigung sowieso.
Das intransparente Gebaren um die Baustellenplanungen im Stadtgebiet und auf den BABs offenbart eine heillose Überforderung, die für mich in grobe Fahrlässigkeit mündet, die wiederrum in einer dauerhaften Gesundheitsschädigung von Pendlern und Anwohnern endet.
Da ich seit 2012 täglich das gesamte Innenstadtgebiet auf dem Rad durchquere, bleibt für mich die Erkenntnis, dass ohne Neumarktsperrung der Verkehrsfluss über eine spürbare Entlastung verfügte.
Definitiv ist für eine zeitgemäße Stadtentwicklung der Neumarkt zu sperren, aber vorher müssen die Alternativen für die Umfahrung vorhanden sein.
Das stimmt insofern, als dass das Verkehrsaufkommen gleich bleibt. Aber das Ziel muss sein, weniger Menschen in Autos zu haben. Die Neumarktsperrung hat u.a. auch gezeigt, dass viele Autofahrer Osnabrück weiträumig umfahren. A1, A30 usw. Das ist schon mal ein richtiger Weg. Stadtbewohnern muss man den Umstieg auf Fahrrad und Bus erleichtern, damit das generelle MIV-Aufkommen abnimmt. Es gibt immer noch genug Menschen, die aus der Wüste mit dem Auto in den Schinkel fahren. Muss nun wirklich nicht sein. Und auch zum Fußballtraining oder ins Fitnessstudio muss man nicht mit dem Auto fahren. Es gibt fast unendlich viele kurze Wege, die man nicht mit dem Auto zurücklegen muss.
Das Baustellen-Bashing finde ich mittlerweile nur noch ermüdend. Baustellen müssen halt sein. Oft sind die Autofahrer ja auch Verursacher, wenn es darum geht, die Fahrbahn zu erneuern. Da steht man dann halt im Stau. Das ist auf der ganzen Welt so.
Wenn Autobahnen teilweise gesperrt werden, gibt es ausgeschilderte Umgehungen, damit die Autofahrer nicht durch die Stadt fahren. Leider werden die allzuoft ignoriert. Dazu hatte die NOZ vor Kurzem was gebracht. Man hört lieber aufs Navi statt sich an Schildern zu orientieren…
Wo liegt der konstruktive Ansatz? Baustellen Bashing als ermüdend zu bezeichnen? So lange Diesel & Co. auf Lunge ziehen, bis die 33 Nord fertig ist? Und die Westumgehung? Also noch ca. 5- 15 Jahre? Auf Kosten deiner und meiner Atemwegsgesundheit? „Man muss“ hier in OS ne ganze Menge. Und vorher muss man Zustände so lange erleichtern, bis durch ein Ganzes die neu geschaffenen Möglichkeiten für alle verbindlich sind.
In meinen Augen wird der MIV dann abnehmen, wenn Pendler im Umland Jobs finden und Sprit unerschwinglich wird. Solange solche Grenzen nicht durch die Umstände gesteckt werden, passiert durch Angebote und Räume alleine in der kollektiven Intelligenz kein spürbarer Wechsel.
Die A33 Nord wird gar nicht gebaut. Glaube ich nicht. Viel zu teuer und unsinnig. Und die Westumgehung würde auch keine Entlastung bringen. Mehr Straßen = mehr Verkehr. Aber wir brauchen weniger MIV. Also müssen Angebote geschaffen werden, dass Autofahrer aufs Fahrrad um- oder in den Bus einsteigen.
Unser Problem wird sein:
Auch Elektro und davor Hybridautos brauchen die Straßen….
Die Wirtschaft will halt Autos gegen Autos tauschen, natürlich auch mehr Autos auf der Straße haben…. -.-
Solange keiner sagt wir wollen weniger davon wird sich nichts bessern+natürlich der Warentransport; auch das wird in Zukunft noch zunehmen. We are doomed :(
Guter Beitrag, angemessener Ton!
Interessant ist für mich die Übertragung nach Oldenburg: Hier tun sich City-Management (CMO) und IHK zusammen, um für mehr Parkplätze und gegen „Anti-Auto-Politik“ ins Feld zu ziehen – z. B. gegen Lärmschutz oder Tempo-Reduzierungen, um die Luftqualität zu verbessern und Strafzahlungen für die Stadt (aufgrund ständig überschrittener Grenzwerte) zu verhindern. Gleichzeitig wurde aber festgestellt, dass die Parkhäuser wie auch die innenstadtnahen Parkplätze seltenst voll ausgelastet sind, außer im Ausnahmefall Adventssamstage. CMO und IHK setzen sich als Lippenbekenntnis zwar auch für ein verbessertes Park&Ride-System und für eine Stärkung des ÖPNV ein, reden tatsächlich aber nur von mehr Parkplätzen in der Innenstadt. Damit diese dann den Großteil des Jahres ungenutzt verbleiben und gerade zu den verkehrsträchtigsten Phasen noch mehr Verkehr und Parksuchverkehr ins Nadelöhr Innenstadt(-ring) ziehen. Und sowas nennt sich dann Fahrradstadt. Hier geht es nicht um die Menschen in der Stadt. Es geht ja nichtmal um den funktionalen Gedanken, mehr Menschen aus dem kaufkräftigen Umland mit gleichem oder weniger Verkehrsaufkommen in die Innenstadt als Einkaufszentrum zu befördern. Es geht schlicht ums Zementieren der bisherigen Strukturen und darum, bloß niemandem aus dem Umland zu verprellen, indem man die „Freiheit“ nimmt, mit dem Auto bis direkt in oder an die Fußgänger_innenzone zu fahren. Damit auch weiterhin alle im Stau stehen und sich über den grausigen Verkehr in Oldenburg und die Benachteiligung der Autofahrenden aufregen können.
Und sowas will sich als Fahrradstadt vermarkten… *kopfschüttel*