Im Februar 2016 hat die Bundesregierung ein „Nationales Programm für nachhaltigen Konsum“ veröffentlicht, das Verbrauchern das nachhaltige Leben durch „Anreizsysteme oder inhaltlich begründete Begrenzungen von Auswahlmöglichkeiten“ erleichtern soll. In diesem Programm findet sich auch ein Abschnitt zu Mobilität. Ziel sei es demnach, „den Verkehr der Zukunft umweltverträglicher, ressourcenschonender, effizienter und sicher zu gestalten, wobei individuelle, sich ändernde Mobilitätsbedürfnisse zu berücksichtigen sind“. Dazu werden vier Maßnahmenbereiche erfasst: klimafreundliche Mobilitätsformen begünstigen, Förderung von Telearbeit und mobilem Arbeiten, vernetzte Mobilitätsweisen fördern, kurze Wege im Alltag ermöglichen.
Von den insgesamt durch privaten Konsum verursachten CO2-Emissionen macht der Verkehr etwas mehr als ein Viertel aus.
Das Papier kommt aus dem Bundesumweltministerium (BMUB), von dem wir ja bereits wissen, dass es deutlich mehr und überhaupt auf alternative Mobilitätsformen setzen will – im Gegensatz zum Bundesverkehrsministerium, wo Verkehr eigentlich nur aus Auto und LKW zu bestehen scheint. Das BMUB identifiziert auch private Haushalte als einen Akteur, der zu einem erheblichen Umfang an den Emissionen im Verkehrssektor beteiligt ist. „Von den insgesamt durch privaten Konsum verursachten CO2-Emissionen macht der Verkehr etwas mehr als ein Viertel aus.“ Und das werde sich angesichts zunehmender Wege und Distanzen und immer mehr Flugreisen in absehbarer Zukunft auch nicht ändern. Wenn man nicht gegensteuert.
Hemmnisse eines nachhaltigen Konsums im Bereich der Mobilität
Als Hemmnis eines nachhaltigen Konsums im Bereich der Mobilität identifiziert das BMUB u.a. die verfestigten Routinen der Verbraucher. „Die tägliche Verkehrsmittelwahl wird auch durch soziale Normen wie den eigenen gesellschaftlichen Status beeinflusst. Solange der Autobesitz – und insbesondere leistungsstarke Fahrzeuge – immer noch häufig als Zeichen von Erfolg und Unabhängigkeit gewertet werden, setzen sich umweltfreundlichere Mobilitätsalternativen auf breiter Basis nur schwer durch.“ Allerdings gebe es in städtischen Milieus auch einen Wandel hin zu einer smart mobility. „Insbesondere jüngere Menschen treffen damit zunehmend situative und pragmatische Entscheidungen in Bezug auf das Fortbewegungsmittel der Wahl.“ Auf dem Land sieht das natürlich anders aus. Hier ist das öffentliche Verkehrsnetz weniger gut ausgebaut „und Mobilitätsbedürfnisse bzw. -erfordernisse sowie die Sicherstellung der notwendigen Erreichbarkeit sind ohne Auto kaum realisierbar“. Zumindest ist es ungleich schwerer.
Politik für eine nachhaltige Mobilität
Was kann/sollte die Politik tun? Zunächst einmal will das BMUB Verkehre nicht verhindern, sondern Mobilität in Deutschland so gestalten, dass sie umweltfreundlicher, leiser und nachhaltiger wird. „Dies wird vor allem dann gelingen, wenn die Angebote nicht nur hinsichtlich des Preises sondern auch hinsichtlich des Komforts und der Verbraucherfreundlichkeit überzeugen können.“ Politische Anstrengungen sollten sich daher vor allem auf die Angebotsverbesserung des öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV), die Aufwertung des Fußgänger- und Fahrradverkehrs und die Verknüpfung dieser Verkehrsmittel untereinander, einschließlich des Carsharings, konzentrieren. Und gerade in Bezug auf das Fahrrad ist die Sache mit dem Preis nicht schwer. Radinfrastruktur ist im Vergleich günstig. Man muss sie allerdings schaffen, damit sie hinsichtlich des Komforts und der Verbraucherfreundlichkeit dann auch überzeugen kann.
Als konkrete Maßnahmen bezüglich des Fahrrads nennt das BMUB:
- Unterstützung des Radverkehrs intensivieren (z. B. durch den Nationalen Radverkehrsplans (NRVP) und die Nationale Klimaschutzinitiative, sowie ggf. weiterer Programme)
- Förderung von investiven Maßnahmen in Stadt- und Ortsteilzentren zur Gestaltung quartiersverträglicher Mobilität (z. B. barrierearme und barrierefreie Verkehrsflächen, Rad- und Fußgängerfreundlichkeit) im Rahmen der Städtebauförderung
- Schaffung neuer Übergänge und Schnittstellen aller Verkehrsträger, weitere Förderung und Einrichtung von Mobilitätsstationen als Schnittstellen des Umweltverbundes
- Verbesserung der Rahmenbedingungen für nachhaltige Fahrzeugverleihsysteme, insbesondere Carsharing, Bikesharing einschließlich von Lastenrädern (z. B. durch Integration elektrischer Zweiräder in die Elektromobilitätsförderung, Sondernutzungen für Carsharing im öffentlichen Raum, Kooperationen zwischen Carsharing-Anbietern und ÖPNV etc.)
Der letzte Punkt ist interessant: Integration elektrischer Zweiräder in die Elektromobilitätsförderung. Das heißt, dass das BMUB doch eigentlich eine Kaufprämie für E-Lastenräder fordert. #EfürAlle sozusagen. Leider gerade gescheitert, als die Kaufprämie exklusiv für E-Autos beschlossen wurde.
Integration elektrischer Zweiräder in die Elektromobilitätsförderung? Wo bleibt die Kaufprämie für E-Bikes oder, wie bei einem Projekt in den Niederlanden, das geschenkte E-Bike, wenn man damit dann regelmäßig zur Arbeit fährt?
Dabei ist das Fahrrad als Verkehrsmittel nicht nur in Bezug auf das Klima nachhaltig. Es belastet mangels Feinstaub- und Stickstoffoxidausstoßes weder die menschliche Gesundheit noch bedarf es einer „Entwicklung und Zulassung leiser Komponenten“, um den Verkehrslärm zu reduzieren. Das Fahrrad ist leise und abgasfrei. Und von einem Rückgang der biologischen Vielfalt und wichtiger Natur- und Landschaftsräume, wie im Programm erwähnt, hat man im Zusammenhang mit dem Verkehrsmittel Fahrrad auch noch nichts gehört. (Außer in Buxtehude, wo ein Radweg den Wachtelkönig stören würde, die parallel verlaufende Bahnstrecke und Autobahn komischerweise nicht…)
Einmal mehr erkennt das BMUB im Fahrrad also einen Lösungsansatz für verschiedene Verkehrsprobleme. Wann folgt endlich die breite Umsetzung der genannten Maßnahmen?