Foto: dd

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Am Wochenende habe ich vom Jovis Verlag die Neuerscheinung Städte für Menschen von Jan Gehl bekommen. Endlich gibt es dieses Buch auch auf Deutsch! Jan Gehl ist einer der weltweit bekanntesten Stadtplaner und verantwortlich für den Boom seiner Heimatstadt Kopenhagen, den Umbau Moskaus und die Wiederbelebung Manhattans. Städte für Menschen zeigt Gehls Arbeit im Bereich Neubau sowie seinen Ansatz zur Umgestaltung städtischer Räume und Verkehrsflächen.

Für den Blog hier besonders interessant ist der Abschnitt „Gute Städte für Radfahrer“ in Kapitel 4 „Die Stadt auf Augenhöhe“. Und allein daran erkennt man schon das erste Defizit der meisten deutschen Städte: der Radverkehr ist hier eben meist nicht auf Augenhöhe und wird auch erst langsam auf Augenhöhe gedacht.

Es ist gar nicht so einfach, dieses Kapitel zu rezensieren, ohne ein seitenlanges Zitat daraus zu machen. Denn es steckt voll von großartigen Sätzen, die man einfach nicht zusammenfassen möchte, weil dabei zu viele wertvolle Details verloren gehen. Ein Beispiel gleich aus dem ersten Absatz? Radfahrer sind „erwünscht, wenn das Ziel darin besteht, lebendige, sichere, nachhaltige und gesunde Städte zu schaffen“. Wenn das kein Argument für den Radverkehr ist?!

Gehl geht in dem nur zwölf Seiten langen Kapitel zunächst auf das „Kopenhagener Modell“ mit seinem ganzheitlichen Ansatz von Infrastruktur bis Verkehrserziehung ein. Das Hauptziel all dieser Maßnahmen sei, „Radfahrern mehr Raum zu geben“. Dabei gelte es stets, einen sicheren Fahrradverkehr „von Tür zu Tür“ zu ermöglichen.

Wenn das Fahrradverkehrsaufkommen eine „kritische Masse“ erreicht, wirkt sich das positiv auf die Sicherheit jedes einzelnen Radfahrers aus.

Als wichtigen Einstieg in die Radverkehrsförderung nennt Gehl Mietradsysteme, wie es sie in Kopenhagen und Paris gibt. Ein nächster Schritt seien oft „billige Werbekampagnen für das Radfahren“. Bevor man diese jedoch durchführt, „sollte man die Förderung des Zweiradverkehrs und der Verkehrssicherheit ernsthaft und konkret betreiben und in anderen Städten gewonnene Erkenntnisse und Erfahrungen einbeziehen“. Ein wichtiger Punkt. Denn zu oft hat man als Radfahrer in Deutschland das Gefühl, dass man mit ermutigenden Plakaten allein gelassen wird.

Als gelungenes Beispiel für Radverkehrsförderung nennt Gehl autofreie Sonntage. In vielen Großstädten würden Straßen an Sonntagen für den Autoverkehr gesperrt, um die Menschen generell zum Umsteigen auf das Fahrrad anzuregen. In Südamerika gibt es das „Ciclovía“-Programm, in New York die summer streets, die sich als äußerst effektives und populäres Mittel zur Förderung einer neuen Radfahrerkultur erwiesen hätten. Da kann man fast verzweifeln, wenn man, wie ich, in einer Stadt lebt, die sich noch nicht mal am europaweiten autofreien Sonntag beteiligt…

Auch wenn das Kapitel, das sich explizit mit dem Radverkehr beschäftigt, verhältnismäßig kurz ist, ist es mit seinen Bildern und Grafiken eine Bereicherung für jeden, der sich mit dem Thema beschäftigt. Für alle anderen sowieso. Und man möchte es den Verkehrs- und Stadtplanern in unseren Städten auf den Tisch knallen, auf dass sie Gehls Erkenntnisse doch bitte endlich auch in Deutschland umsetzen!

Ein erhöhter Zweiradverkehr bietet eine einfache Lösung vieler Probleme, mit denen Großstädte in aller Welt heute zu kämpfen haben.

Und weil Radfahrer für Gehl allmählich ein alltägliches und normales Bild in der Stadt abgeben, kommt das Thema Radverkehr auch nicht nur in diesem einen Kapitel vor. Ihm wird im ganzen Buch ausreichend Raum gegeben, da er eben in Wechselwirkung mit anderen Aspekten der Stadtplanung steht.

Für Radfahrer ist Städte für Menschen zudem besonders interessant, weil sie es sind, neben Fußgängern, die ihre Stadt in allen Facetten wirklich wahrnehmen. Sie fahren in ihr und nicht, wie Autofahrer, abgekapselt durch sie hindurch. Sie interagieren mit der Stadt und ihren Bewohnern. Daher haben sie auch ein feineres Gespür dafür, was gut läuft und was nicht.

Ich bin mir sicher, dass mir dieses Buch noch eine Menge Input für weitere Artikel geben wird und schließe mich Jan Gehls Hoffnung an:

Ich freue mich, dass dieses Buch nun in einer deutschen Ausgabe vorliegt und hoffe, dass es auch im deutschen Sprachraum ein wenig dazu beitragen wird, dem Ziel menschenfreundlicher Städte näher zu kommen.

Eine Leseprobe gibt es hier.
Und für die Berliner: am 24. März 2015 wird das Buch um 18:30 Uhr in der Alfred Herrhausen Gesellschaft (Unter den Linden 13–15, Eingang Charlottenstraße 37) vorgestellt. Auch Jan Gehl wird teilnehmen. Alle Infos zur Anmeldung hier.

Städte für Menschen
Jan Gehl
304 Seiten mit zahlr. farb. Abbildungen
Jovis Verlag
Februar 2015