Ein Gastbeitrag von Thomas Berger*

Am Montag, den 9. Februar 2015 hat das Landesinnenministerium von NRW die Verkehrsunfallstatistik für das Jahr 2014 veröffentlicht. In diesem Jahr sind in NRW insgesamt 520 Menschen (+ 8,6 Prozent) auf den Straßen gestorben. Wie auch in den letzten Jahren werden immer häufiger die schwächeren Verkehrsteilnehmer Opfer der weiter zunehmenden Motorisierung. Es starben 115 Fußgänger (+ 5,5 Prozent) und 68 Radfahrer (+ 21,4 Prozent).

Ursächlich für das Unfallgeschehen sind die seit vielen Jahren bekannten Probleme auf deutschen Straßen:

    – zu hohe Geschwindigkeit
    – Alkohol, Drogen, Medikamente
    – mangelnde Beachtung von Verkehrsregeln
    – zu wenig Verkehrsüberwachung durch die Polizei
    – keine abschreckende Wirkung durch geringe Strafen bei Regelübertretungen
    – größere und schwerere Fahrzeuge (SUV)
    – leistungsstärkere Fahrzeuge
    – steigende Kraftfahrzeugzulassungszahlen = immer dichterer Verkehr

Seit Beginn der Motorisierung im Jahr 1900 sind in Deutschland bis zum Ende des Jahres 2014 mehr als 1,07 Millionen Menschen im Straßenverkehr gestorben. Das Maximum der Verkehrstoten gab es im Jahr 1970 mit 21.332 Menschen die auf der Straße ihr Leben lassen mussten. Im Durchschnitt der letzten zehn Jahre sterben pro Jahr ca. 4.450 Menschen auf deutschen Straßen. Die heutigen Zahlen hören sich im Vergleich zu den Opferzahlen aus den 1970er Jahren auf den ersten Blick sehr gut an. Dennoch verliert die deutsche Gesellschaft jedes Jahr viele Väter, Mütter, Kinder, Freunde und Großeltern auf Kosten der immer weiter um sich greifenden Motorisierung. Bei keiner anderen Technik würde die Gesellschaft ähnliche Todesraten akzeptieren.

Bei keiner anderen Technik würde die Gesellschaft ähnliche Todesraten akzeptieren.

Darüber hinaus werden die Meldungen zu den jährlichen Verkehrsopferzahlen meist nur kurz in den Medien thematisiert. Konkrete Vorschläge für eine Verbesserung der allgemeinen Verkehrssicherheit werden so gut wie nie gemacht. Eine deutliche Verringerung der Verkehrsopferzahlen ist aber nur mit Einschränkungen für die Fahrer von Kraftfahrzeugen in Form von geringeren Geschwindigkeiten oder höheren Strafen erreichbar. Auch der Innenminister von NRW – Ralf Jäger – betont dies in seiner Rede zur Veröffentlichung der Verkehrsunfallbilanz 2014: „Wir wissen, dass eine Senkung des Geschwindigkeitsniveaus um 2 km/h die Zahl der Unfälle mit Toten und Schwerverletzten um bis zu 15 % senken kann!“ Nun müssen den Worten auch Taten folgen!

Die Nutzung des öffentlichen Raumes sollte allen Menschen gleichermaßen möglich sein. Es kann nicht sein, dass die Nutzer von Kraftfahrzeugen dem Rest der Bevölkerung eine sichere Fortbewegung vorenthalten. Wann habt ihr das letzte Mal ein Kind oder eine ältere Person in einer typischen deutschen Großstadt mit dem Fahrrad auf einer größeren Straße gesehen. In Deutschland ist dies in fast allen Städten unmöglich.


10 Punkte Programm für mehr Verkehrssicherheit auf deutschen Straßen:

1. Reduzierung des Geschwindigkeitsniveaus auf allen Straßen – damit Geschwindigkeit nicht mehr der Killer Nummer 1 ist

    auf Stadtstraßen:
    – 30 km/h für alle Kraftfahrzeuge

    auf Landstraßen:
    – 80 km/h für PKW
    – 60 km/h für Kraftfahrzeuge über 7,5 t

    auf Autobahnen:
    – 120 km/h für PKW
    – 100 km/h für Kraftfahrzeuge über 2,5 t
    – 80 km/h für Kraftfahrzeuge über 7,5 t



2. Anhebung aller Bußgelder und Strafen – mindestens auf europäisches Durchschnittsniveau und Kopplung der Bußgeldhöhe an das Einkommen – damit Strafen auch eine abschreckende Wirkung haben


3. Null Promillegrenze für Fahrer von Kraftfahrzeugen – damit keine unschuldigen Menschen mehr von Fahrern getötet werden die „nur“ zwei Maß Bier getrunken haben


4. Einführung von Intelligent Speed Adaptation (ISA)Intelligenter Geschwindigkeitsassistenz – damit Geschwindigkeitsbeschränkungen auch eingehalten werden


5. Einführung von Abbiege- und Bremsassistenten für Lkw – damit in Städten keine Fußgänger und Radfahrer mehr im Toten Winkel sterben


6. Initiative der Bundesregierung zur deutschlandweiten Verankerung der Vision Zero in Straßenbauverwaltungen – damit bei der Gestaltung von Verkehrsräumen die Verkehrssicherheit an erster Stelle steht und nicht die Leistungsfähigkeit des Verkehrs


7. Gerechtere Flächenverteilung in Städten – mehr Raum für die schwächeren Verkehrsteilnehmer (Fußgänger und Radfahrer) – damit unsere Städte sicherer werden


8. Förderung der Verkehrssicherheitsforschung durch Etablierung einer unabhängigen Bundesbehörde – damit nicht weiter der ADAC und sonstige „Experten“ aus der Automobilwirtschaft die Diskussion bestimmen


9. Bundesweites Verkehrssicherheitsprogramm ähnlich dem schweizerischem „Via sicura“ mit klaren Zielvorgaben zur Senkung der Unfallzahlen in den nächsten Jahren – damit weniger Menschen auf deutschen Straßen sterben


10. Elektronische Sperre für die Nutzung von Entertainmentangeboten, Navigationsgeräten, Handys, usw. durch den Fahrer eines Kraftfahrzeuges beim Fahren – damit sich Fahrer auf den Verkehr konzentrieren und nicht abgelenkt werden

* Der Verfasser ist Mitglied in einem nordrhein-westfälischen ADFC-Verband und möchte nicht unter seinem richtigen Namen genannt werden, da er negative Konsequenzen fürchtet.