Da ich gerade „Nordkorea – Innenansichten eines totalen Staates“ von Rüdiger Frank gelesen habe und auch die Bedeutung des Fahrrads kurz angesprochen wird, dachte ich mir, skizziere ich hier doch kurz, was man über den Radverkehr in Nordkorea so weiß. Viel ist das – typisch für die Demokratische Volksrepublik Korea – leider nicht. Laut Wikipedia ist das Fahrrad das wichtigste Verkehrsmittel des Individualverkehrs, „da private PKWs kaum existieren und im Land ein Mangel an Treibstoff herrscht“.
Diese Information ist aber, zumindest was den zweiten Teil betrifft, wohl überholt. Nach Rüdiger Frank ist die Zahl der Autos in den letzten Jahren explodiert. Neben Wagen der heimischen Marke „Peace Motors“ findet man immer mehr chinesische Fabrikate und die Markenvielfalt auf den Straßen Pjöngjangs soll sogar größer sein als im südkoreanischen Seoul. „Hier und da“ soll die immer größere Menge an Fahrzeugen sogar schon zu Verkehrsstaus führen, was als Symbol des Fortschritts gilt. (Ein vorrübergehendes Phänomen, wie wir wissen.)
Aber zurück zum Radverkehr. Laut Frank besitzt heute jede Familie mindestens ein Fahrrad, wobei der Trend bereits zum Zweitrad geht. Eine uns wohl bekannte Erfahrung haben die Nordkoreaner dabei anscheinend auch schon gemacht: aus Japan importierte Gebrauchträder sind deutlich begehrter als die Billigware aus China. Insbesondere, seit der Fährverkehr zwischen Japan und Nordkorea eingestellt wurde und es an Nachschub mangelt. Daneben gibt es aber auch inländische Fahrradproduktionen der Marken „Songchong-gang“ und „Seemöwe“.
Insbesondere auf dem Land ist das Fahrrad aber wohl wirklich noch das wichtigste individuelle Verkehrsmittel – oft auch das einzige. Eine Besonderheit, die sich auch manch deutscher Autofahrer immer wieder wünscht: die Fahrräder in Nordkorea haben Nummernschilder. Was wahrscheinlich der lückenlosen Überwachung geschuldet ist.
Bis Anfang der 1990er Jahre war das Radfahren in Nordkorea noch verboten. Das Fahrrad galt schlicht als Zeichen der Rückständigkeit. In der Hauptstadt Pjöngjang herrschte sogar bis Mitte der 1990er Jahre ein Radfahrverbot, „da dies den fließenden Verkehr stören würde“. Ein auch bei uns altbekanntes Argument. „Ein erneutes Verbot wurde im Frühjahr 2005 als angebliche Reaktion auf einen individuellen Verkehrsunfall ausgesprochen“, einige Monate später aber wieder aufgehoben.
Laut Gerhard Tauscher, der von 2011 bis 2012 für die Internationale Föderation des Roten Kreuzes in Nordkorea arbeitete, unternimmt Nordkorea „den Versuch, Fahrräder zurückzudrängen. In China gab es eine Art natürliche Entwicklung vom Fußgänger über den Fahrradfahrer und das Motorrad zum Auto. In Nordkorea versucht man dagegen Fahrräder zu verbannen und direkt auf einen modernen öffentlichen Verkehr und Autos zu kommen, aber das klappt so nicht. Anderswo wird Fahrradfahren vereinfacht, aber dort wird es absichtlich erschwert: Man darf zum Beispiel nicht auf der Straße fahren, sondern muss auf dem Bürgersteig fahren. Man muss jeden Tunnel nutzen und muss an jeder Ecke absteigen.“
Ein schönes Beispiel für eine überholte Modernität. Gerade in einer Großstadt wie Pjöngjang wäre das Fahrrad wohl das modernste Verkehrsmittel. In Nordkorea scheint wirklich alles eine Frage des politischen Willens zu sein.
Anderswo wird Fahrradfahren vereinfacht, in Nordkorea wird es absichtlich erschwert…
Seit 1996 gilt darüber hinaus ein landesweites Verbot für Frauen, Rad zu fahren. Dies würde gegen „Anstand und Moral“ verstoßen. Die aktuelle Quellenlage hierzu, die mit Vorsicht zu genießen ist, zeigt sich allerdings nicht ganz eindeutig. Laut short news im August 2012 wurde das Verbot aufgehoben. Laut Stimme Russlands soll das Verbot seit dem 10. Januar 2013 aber wieder gültig sein. Aber auch Rüdiger Frank schreibt, dass sich diese kommunizierten Verbote „in der Praxis nicht mehr verifizieren lassen“.
Man findet also nicht viel über den Radverkehr in Nordkorea, erst recht nicht aus erster Hand. Aber einen groben Einblick ergeben die genannten Informationen doch. Ob man das alles verstehen oder nachvollziehen kann, ist gerade in Bezug auf Nordkorea eine ganz andere Frage…
Zum Schluss noch ein Zeitraffer-Video, das wahrscheinlich ein maximal verzerrtes und beschönigendes Bild Pjöngjangs zeigt. Denn gezeigt wird ja in der Regel nur, was gezeigt werden darf…
4 Antworten auf „Radverkehr in Nordkorea“
ha! da sind die berliner ubahnen nach der modernisierung gelandet!
http://de.wikipedia.org/wiki/Metro_Pj%C3%B6ngjang#Fahrzeuge
Jo. Und die Nordkoreaner fragen sich, warum die Deutschen die Scheiben in den Bahnen immer zerkratzen…
Sehr schöner Bericht!
Schade das es den Personen die eh kein Auto haben und aufs Rad angewiesen sind, dann auch noch erschwert bzw. verboten wird.
Und das Frauen verbot….schwachsinn hoch 10. Gibt nix besseres als eine lange Radtour mit der Freundin.
Na wenn die Bürgersteige breit genug sind ist man dort doch viel sicherer als zwischen den Autos unterwegs.
Und Oberleitungsbusse haben sie, die sind ja viel sauberer als bei uns die Dieselfahrzeugbusse.