Mit der neuen Straßenverkehrsordnung soll unter anderem das freie Rechtsabbiegen für Radfahrende ermöglicht werden. Das heißt, wenn an einer roten Ampel ein Grünpfeil für Radfahrer hängt, dürfen diese trotzdem abbiegen.

Die Kommunen sind aber noch sehr zögerlich bei der Anwendung der neuen Möglichkeiten der StVO. So lehnt die Stadt Osnabrück bis auf weiteres auch meinen Vorschlag eines Überholverbots von Radfahrern ab. Dies soll nach der neuen StVO auch möglich sein. Solange aber die Verwaltungsvorschriften zur neuen StVO nicht da sind, werde man in Osnabrück nicht tätig werden. Das ist natürlich unbefriedigend.

So sieht es wohl auch das nordrhein-westfälische Verkehrsministerium. Es hat Anordnungsvoraussetzungen für neue Verkehrszeichen gemäß Vierundfünfzigster Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften („StVO-Novelle“) herausgegeben. Zwar habe das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) bereits angekündigt, die jeweiligen Anordnungsvoraussetzungen der neuen Zeichen im Rahmen der nächsten Änderung der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO) zu regeln. „Derzeit ist allerdings nicht absehbar, wann die VwV-StVO novelliert wird und in Kraft treten soll.“

Derzeit ist allerdings nicht absehbar, wann die VwV-StVO novelliert wird und in Kraft treten soll.

Um den Straßenverkehrsbehörden bei der Anwendung der Verkehrszeichen bereits jetzt die nötige Handlungssicherheit zu verschaffen, wurden in Abstimmung mit den Bezirksregierungen und dem Landesbetrieb Straßenbau NRW landesweite Anordnungsvoraussetzungen definiert. Für den Grünpfeil für Radfahrer bedeutet das in NRW ab sofort und bis die Änderung der VwV-StVO:

„Das Zeichen wird an Lichtsignalanlagen angeordnet und ermöglicht es Rad Fahrenden, von einem Schutzstreifen, einem Radfahrstreifen oder einem baulich angelegten Radweg während einer Rotphase rechts abzubiegen, soweit die Verkehrslage dies zulässt.

Der Einsatz des Zeichens kommt nur in Betracht, wenn der rechtsabbiegende Radverkehr den Fußgänger- und Fahrzeugverkehr der freigegebenen Verkehrsrichtungen ausreichend einsehen kann, um die ihm auferlegten Sorgfaltspflichten zu erfüllen.

Es darf nicht verwendet werden, wenn

  • dem entgegenkommenden Verkehr ein konfliktfreies Abbiegen nach links signalisiert wird und der Radverkehr nach dem Rechtsabbiegen nicht auf einer benutzungspflichtigen Radverkehrsanlage geführt wird,
  • für den entgegenkommenden Linksabbieger der grüne Pfeil gemäß § 37 Absatz 2 Nr. 1 Satz 4 verwendet wird und der Radverkehr nach dem Rechtsabbiegen nicht auf einer benutzungspflichtigen Radverkehrsanlage geführt wird,
  • Pfeile in den für den Rechtsabbieger gültigen Lichtzeichen die Fahrtrichtung vorschreiben,
  • beim Rechtsabbiegen Gleise von Schienenfahrzeugen gekreuzt oder befahren werden müssen,
  • sich im Bereich des rechtsabbiegenden Radverkehrs eine Aufstellfläche für das Linksabbiegen mit indirekter Radverkehrsführung befindet oder
  • die Lichtzeichenanlage überwiegend der Schulwegsicherung dient.

An Kreuzungen und Einmündungen, die häufig von seh- oder gehbehinderten Personen überquert werden, soll das Zeichen nicht angeordnet werden.

Im Falle einer Häufung von Unfällen, bei denen das Zeichen ein unfallbegünstigender Faktor war, ist es zu entfernen, soweit nicht verkehrstechnische Verbesserungen möglich sind. Die Vorgaben zur Ermittlung von Unfallhäufungen sind dem Gemeinsamen Runderlass des Ministeriums
für Inneres und Kommunales und des Ministeriums für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen vom 25.06.2017 (Az: 414-61.05.04 und III B 3 75 – 05 /2) zu entnehmen.

Der auf schwarzem Grund ausgeführte grüne Pfeil im Zeichen darf nicht leuchten, nicht beleuchtet sein und nicht retroreflektieren. Das Zeichen hat eine Breite von 315 mm und eine Höhe von 420 mm.“

Damit kann der Grünpfeil zumindest in Nordrhein-Westfalen jetzt montiert werden. Niedersächsische Radfahrerinnen und Radfahrer müssen sich dagegen gedulden und auf die nächste Änderung der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung warten, wie mir das niedersächsische Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung auf Anfrage mitteilt. Es sei wenig zielführend, wenn 16 Bundesländer jeweils eigene Verwaltungsvorschriften zu dieser Thematik erlassen würden. „Niedersachsen wird daher keine eigenen Verwaltungsanweisungen zu den von Ihnen angefragten Verkehrsregelungen [Grünpfeil für und Überholverbot von Radfahrenden] erlassen. Die bundeseinheitlichen Verwaltungsvorschriften sind daher zunächst abzuwarten.“

Update 8. Juni 2020
Auf meine Anfrage, ob das bayerischen Staatsministerium des Innern, für Sport und Integrationin in absehbarer Zukunft Anordnungsvoraussetzungen für die neuen Verkehrszeichen herausgeben wird, damit die Straßenverkehrsbehörden die Schilder rechtssicher anordnen können, teilt die Pressestelle mit, dass man „erste wissenschaftliche und praktische Erfahrungen vor Ort abwarten wolle“, bevor man entscheidet, „ob aus übergeordneter Sicht ergänzende Hinweise notwendig sind“.

Ich bin mir nicht ganz sicher, ob man meine Anfrage dort ganz verstanden hat. Den Straßenverkehrsbehörden fehlen momentan ja gerade noch klare Vorgaben für die Anordnung des Grünpfeils und des Überholverbots – deswegen ist NRW (siehe oben) ja aktiv geworden. Aber vielleicht ordnen bayerische Straßenverkehrsbehörden ja auch einfach an und schauen mal was passiert. Wer was sieht (außer den Grünpfeil-Modellprojekten in Bamberg und München), kann mir gerne einen Hinweis geben.

In Hessen kann es losgehen

Im Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen hingegen sieht man die Anordnung der neuen Verkehrszeichen Grünpfeil und Überholverbot von Radfahrenden bereits für geregelt an. „Die Voraussetzungen für die Anordnung des Grünpfeils sind in Abschnitt XI zu § 37 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO) festgelegt. Die hier formulierten Grundsätze beziehen sich allgemein auf die Anordnung des „Grünpfeils“ und differenzieren nicht zwischen „Zeichen 720“ (bisheriger Grünpfeil) und „Zeichen 721″ (Grünpfeil nur für den Radverkehr) und sind daher bei beiden Verkehrszeichen anzuwenden. Die praktische Umsetzbarkeit des Grünpfeils muss jedoch stets vor Ort geprüft werden. Die Straßenverkehrsbehörden entscheiden dann im eigenen Ermessen, ob im konkreten Fall mit der Anordnung des Grünpfeils die Verkehrssicherheit beispielsweise von Fußgängern noch gewahrt ist.

Auch die Anordnung des Zeichens 277.1 [Überholverbot von Radfahrenden] kann nach derzeitiger Kenntnislage auf Grundlage der StVO rechtssicher angeordnet werden. Zwar definiert die VwV-StVO keine speziellen Vorgaben oder Voraussetzungen für das Verkehrszeichen 277.1, die Anordnung eines Überholverbotes von einspurigen Fahrzeugen kann aber logischerweise nur dort in Betracht kommen, wo aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse aus Verkehrssicherheitsgründen ein Schutz des Verkehrs mit einspurigen Fahrzeugen erforderlich ist. Dies könnte beispielsweise auf gefahrenträchtigen Fahrbahnabschnitten oder Steigungsstrecken der Fall sein, wo eine Gefährdung des Verkehrs mit einspurigen Fahrzeugen besteht. Auch bei dieser verkehrsbehördlichen Entscheidung wird den zuständigen Straßenverkehrsbehörden ein Ermessensspielraum zugestanden.“

Eine länderspezifische Handlungsempfehlung sei in Hessen daher aktuell nicht geplant. Die Straßenverkehrsbehörden könnten die Zeichen auch ohne eine Handlungsempfehlung rechtssicher anordnen.