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Besser und sicher Radfahren

Der Allgemeine deutsche Fahrrad-Club (ADFC) hat sich auf seiner Bundeshauptversammlung neue Leitlinien gegeben. Ziel des ADFC ist es, ganz allgemein gesagt, dass die Mehrheit aller Menschen das Fahrrad künftig ganz selbstverständlich als Alltagsverkehrsmittel verwendet. Oder wie ich immer sage: „Es muss einfach logisch sein, das Fahrrad zu nehmen.“ Deswegen fordert der Fahrrad-Club eine systematische Radverkehrsförderung mit dem entscheidenden Faktor der fahrradfreundlichen Infrastruktur. Diese sei so zu gestalten, dass die meisten Menschen sie auch als sicher und komfortabel empfinden.

To make more people bike more often

Dafür gibt es laut ADFC nun zwei Möglichkeiten. Entweder man begrenzt die Höchstgeschwindigkeit im Mischverkehr auf 30 km/h, d.h. der Radverkehr teilt sich die Fahrbahn mit dem motorisierten Verkehr. Oder man baut eine „zukunftsfähige sowohl vom Kfz- als auch vom Fußverkehr getrennte Radverkehrsinfrastruktur“. Mit letzterem dürfte es aber wohl leichter sein, auch Kinder und ältere Menschen (wieder) zum Radfahren zu bewegen. Als Leitbild müsse hier „Vision Zero“ gelten. Der Straßenverkehr muss so sicher und fehlerverzeihend werden, dass tödliche oder schwere Unfälle nicht mehr vorkommen.

Hier sind die 15 Leitlinien, die eine klare Richtung vorgeben: dem motorisierten Verkehr muss Platz genommen werden, der Radverkehrsplanung müssen deutlich mehr finanzielle Mittel zur Verfügung stehen.

  1. Die gesamte Radverkehrsinfrastruktur soll für alle Alters- und Nutzergruppen sowie Mobilitätszwecke intuitiv nutzbar und attraktiv sein. Diese Infrastruktur soll als durchgängiges Radverkehrsnetz alle wichtigen Quellen und Ziele verbinden sowie einen leichten und flüssigen Radverkehr fördern. Sie muss flächendeckend und in hoher Qualität vorhanden sein. Moderne Radverkehrsführung vermeidet Umwege und schafft direkte Verbindungen.
  2. Gute Radverkehrsanlagen benötigen keine Benutzungspflicht. Radfahrende nutzen sie gern.
  3. Moderne Radverkehrsinfrastruktur wird nach folgenden Kriterien gestaltet: Im geringbelasteten Nebennetz oder bei echter Verkehrsberuhigung und gefahrenen Geschwindigkeiten bis 30 km/h wird der Radverkehr im Mischverkehr geführt. An Straßen mit Verkehrsgeschwindigkeiten über 30 km/h und auf Straßen mit Tempo 30 und hohem Kfz-Aufkommen erfolgt die Führung auf Radfahrstreifen. An Straßen mit Geschwindigkeiten über 50 km/h fahren Radfahrende auf baulich getrennten Radverkehrsanlagen. Der Radverkehr wird getrennt vom Fußverkehr geführt.
  4. Die Kapazitäten für den Radverkehr müssen zukunftsfähig für die gewünschte Erhöhung des Radverkehrs festgelegt werden. Sie sind bei allen Baumaßnahmen zu berücksichtigen. Die Breitengestaltung von Radverkehrsinfrastruktur muss Möglichkeiten zum Überholen und Nebeneinanderfahren beinhalten. Moderne Radinfrastruktur muss flexibel erweiterbar sein und den Trend zu neuen Fahrradtypen berücksichtigen, z.B. mehrspurige Fahrräder, Fahrradanhänger und Transport- und Lastenräder.
  5. Die Umverteilung des öffentlichen Verkehrsraums, die für hochwertige Radverkehrsinfrastruktur nötig ist, muss die Interessen und den Platzbedarf von Fuß- und Radverkehr ausreichend berücksichtigen. Radverkehrsinfrastruktur darf nicht auf Kosten von Flächen für zu Fuß Gehende oder den ÖPNV entstehen. Sie wird zu Lasten des ruhenden oder fahrenden motorisierten Individualverkehrs errichtet.
  6. Radverkehrsinfrastruktur ist individuell zu planen. Dabei müssen die „Empfehlungen für Radverkehrsanlagen“ (ERA) und andere einschlägige Regelwerke konsequent angewandt werden. Über die Regelmaße hinausgehende Breiten sind anzustreben. Die Kombination von Mindestmaßen oder der Einsatz von Minimallösungen wie schmalen Schutzstreifen an hochbelasteten Straßen entsprechen nicht den Planungsstandards der ERA.
  7. Schutzstreifen auf der Fahrbahn sind nur dann zielführend, wenn sie Flüssigkeit, Sicherheit, Sicherheitsempfinden, Sicherheitsabstände und Attraktivität für den Radverkehr gewährleisten. Sie sollen nur zum Einsatz kommen, wenn bauliche Radverkehrsanlagen oder Radfahrstreifen nicht umsetzbar sind.




  8. Breite Radfahrstreifen, die deutlich über die Mindestmaße der ERA hinausgehen, sind attraktiv und sicher. Werden solche breiten Radfahrstreifen durch Pollerreihen oder ähnlich wirkende Verkehrseinrichtungen geschützt, vermitteln sie Sicherheit und erhöhen das Sicherheitsempfinden sowie die Attraktivität des Radverkehrs. Geschützte Radstreifen müssen das gegenseitige Überholen der Rad Fahrenden ermöglichen und sollen zu einer Regellösung weiterentwickelt werden.
  9. Zukunftsfähige Radverkehrsinfrastruktur muss weiterentwickelt werden. Internationale Erfahrungen, insbesondere mit Radschnellwegen, geschützten Radstreifen und Führungsformen an Kreuzungen sollen dabei ebenso beachtet werden wie erfolgreiche zeitgemäße nationale Entwicklungen.
  10. Die „Empfehlungen für Radverkehrsanlagen“ (ERA) stellen momentan das Regelwerk in Deutschland für die Planung von Radverkehrsinfrastruktur dar und sind als verbindliche Grundlage der Straßenplanung unverzichtbar. Sie und alle anderen relevanten technischen Regelwerke und Rechtsvorschriften müssen aber auch daraufhin überprüft werden, ob sie den veränderten Voraussetzungen für den Radverkehr (z.B. zunehmender Radverkehr, mehrspurige Fahrräder, höhere Radverkehrsgeschwindigkeiten, Verdichtung der Städte, Sicherheitsempfinden) und den gewachsenen Ansprüchen an die Radverkehrsinfrastruktur entsprechen. Wo das nicht der Fall ist, sind Regelwerke und Vorschriften grundlegend und widerspruchsfrei weiterzuentwickeln. Dies gilt insbesondere für die anstehende Überarbeitung der ERA, bei der vor allem die Nutzerakzeptanz berücksichtigt werden muss und die Kombination von Minimallösungen ausgeschlossen werden muss.
  11. Die Wegweisung für den Radverkehr muss durchgängig, einheitlich, informativ und schon aus ausreichender Entfernung gut lesbar sein.
  12. Multimodale Wegeketten brauchen geeignete Schnittstellenangebote für Rad und ÖV an Bahnhöfen und Knotenpunkten. Dazu ist eine am Umweltverbund ausgerichtete Netzplanung notwendig.
  13. Radabstellanlagen sollen im öffentlichen Raum, im Wohnungsbau und bei Geschäfts-, Büro und Gewerbebauten bedarfsorientiert und sicher errichtet werden. Sie müssen in ausreichendem Maße witterungsgeschützt und absperrbar sein. Monitoring, Betreuung und Wartung brauchen zeitgemäße Lösungen. Barrierefreie Zugänge und gute Auffindbarkeit durch sichtbare Beschilderung stellen wichtige Erfolgskriterien für Radabstellanlagen dar.
  14. Budget und Personalressourcen in den kommunalen Verwaltungen für Radverkehrsmaßnahmen müssen sich nach den politischen Zielwerten für den Radverkehr richten. Für einen attraktiven Radverkehr ist ein Radverkehrsbudget von mindestens 30 Euro pro Einwohner und Jahr notwendig. Planungen müssen fachübergreifend u.a. mit Stadt-, Verkehrs und Freiraumplanern erfolgen und integraler Bestandteil der entsprechenden Ausbildungsgänge an Universitäten und Fachhochschulen sein.
  15. Alle Infrastrukturmaßnahmen für den Radverkehr brauchen kontinuierliche Evaluierung und Benchmarking anhand objektiver Kennzahlen und umfassender Erhebung der Nutzungszufriedenheit.
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11 Antworten auf „Besser und sicher Radfahren“

Es würde völlig ausreichen, wenn Radfahrer (endlich wieder) gleichberechtigt die Fahrbahnen benutzen dürften, das Autoproblem würde sich in kurzer Zeit in Luft auflösen. Mehr Radfahrer auf der Fahrbahn = geringere Gefahr durch die Autos. Was für ein Geeier des ADFC, 15 Punkte, die indoktrinieren, daß Radfahren gefährlich sei und dabei die tatsächliche Gefahrenquelle, nämlich die viel zu schnellen, luftverpestenden, lärmenden Autos, völlig ausblenden. Dabei sind sie es nämlich, die separiert werden müssten, auf die Autobahnen, dort können sie sich untereinander totfahren. Dann könnte ich als Fußgänger auch endlich wieder die Straße überqueren …

Wirklich so erstaunlich, dass der Colville-Andersen consulting Verbund (aka Copenhagenize) mit Markenkern ‚Radwegebau‘ anfängt gegen Planer zu mobben, wenn die sich nicht nur weigern, seiner Agentur separate Radwege abzukaufen, sondern auch noch so dreist sind die Grundlagen seines Geschäftsmodells infrage stellen?

Nein, aber das liegt höchstwahrscheinlich schlicht daran, dass wir Separa-Fetischisten uns mit niederländischen Selbstbeweihräucherungskraut derart eingenebelt haben, dass wir die Hochbegabung der VC-Götterboten nicht im Ansatz zu erkennen vermögen. Selbstverständlich würden sofort alle auf das Fahrrad umsteigen, wenn man nur ohne Belästigung durch den Autoverkehr auf der Straße fahren könnte – nichts einfacher als das…

Ferrara ist mit 30% Radverkehrsanteil Italiens Fahrradhauptstadt und Radwege nur an wenigen Hauptstraßen. Es gibt Städte mit gut ausgebautem Radwegenetz und niedrigem Radverkehrsanteil und andersherum. In CPH und NL dürfte das Radnetz so gut ausgebaut sein, weil es so viele Radler gibt, nicht andersherum. Nachdem ich im Sommer in CPH war, finde ich die Haltung von MCA und anderen mittlerweile äußerst arrogant. Es wird behauptet das diese und jene Radverkehrsinfrastruktur sicher sei, aber auf Nachfrage kann nicht auf entsprechende Studien verwiesen werden.
Ich halte gut gebaute Radfahrstreifen (das ERA-Maß ist deutlich zu gering) für mindestens genauso gut, wie gut ausgebaute Radwege.

Zwei Irrtümer: Erstens setzt Ferrara nicht Aktiv auf VC – Punkt 1 und zweitens ist Ferrara eine Universitätsstadt und von daher schon alleine von der Population betrachtet sehr fahrradaffin.

Wirklich jede Stadt dieser Kategorie bzw. Größenordnung, auch wenn sie gar nichts für den Radverkehr unternimmt (was nicht gleichbedeutend ist mit „auf VC setzen“ – ganz wichtig an dieser Stelle!) kommt auf solche „Traumwerte“.

Sobald die Städte größer werden und mehr Pendleranteil haben, wird es schwierig mit VC oder diesem leidigen Mischverkehrsansatz generell auch nur an die 20% zu kommen, wenn man nicht bereit ist wenigstens ein bisschen in die Radinfra (Auch eine vernünftige Wegweisung und Velorouten ohne eigene Trasse können dazu gehören) zu investieren.

In Deutschland ist übrigens Greifswald noch vor Münster die Stadt mit dem höchsten RVA von 44%, warum? Das wissen die Greifswalder Verkehrsplaner selber nicht so ganz genau, mit einem Radverkehrskonzept oder mit der bewussten Entscheidung gg. Separation hat das aber nicht im geringsten etwas zu tun, sondern eben mit dem Umstand, dass Studenten nun mal in der Regel bevorzugt mit dem Fahrrad fahren!

Das ist kein Geeier des ADFC, das ist Realismus und die Feststellung, dass man mit dem bisherigen Programm nur einen geringen Teil der Bevölkerung in den Ballungszentren aufs Rad bekommen hat. Viele haben so viel Angst vor den Autos, dass sie lieber gar nicht oder auf dem Gehweg Rad fahren.

Ich weiß auch, dass wir mit der neuen Positionierung keine Holländischen Verhältnisse bekommen werden (leider), aber das Ziel ist klar: Alle Menschen sollen sich trauen Rad zu fahren ohne dabei Angst zu empfinden. Man soll also mal klar eingestehen, dass viele Menschen weniger Mut haben als einer selbst.

Und außerdem…. ich fahre gerne am Auto-Stau vorbei auf einer eigenen Spur

Man kann die „normale“ radnutzende Bevölkerung (also nicht kampfradel-erprobte Spezis) nicht auf vielbefahrene Hauptverkehrstraßen schicken, ohne zu riskieren, den momentan immer stärker werdenden Wunsch vieler, mit dem Rad komfortabel und sicher mobil zu sein, im Keim zu ersticken. Mischverkehr in ruhigen Wohngebieten mit Tempo 30 (besser: T. 20) ist schon heute gängig und gut so, aber auf mehrspurigen Stadtverkehrsadern mit LKW, Lieferwagen u Bussen führt auch in meinen Augen kein guter Weg an einer Separierung der Verkehrsarten vorbei. Zumindest wenn man auch „Klein Erna“ und „Omma Janssen“ die Angst vor´m städtischen Radfahren nehmen will…

Hätten wir

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