Die deutsche Fahrradwirtschaft hat sich in Berlin zum vivavelo-Kongress getroffen – ausgerichtet vom Verbund Service und Fahrrad e. V. (VSF). Ich war selbst nicht dabei und gehe daher nicht weiter auf den Kongress ein. Da man in der Regel aber recht wenig von der Fahrradwirtschaft hört, die ja eigentlich eine starke Lobby für uns Radfahrerinnen und Radfahrer bilden sollte, veröffentliche ich unten mal die Abschlusserklärung, die sechs wichtige Forderungen an die Politik auflistet. Alles nichts Neues, aber trotzdem gut, es aus einer anderen Richtung zu hören.

Staatssekretär Norbert Barthle hatte auf dem Kongress gesagt, dass man ihn und das Bundesverkehrsministerium weiter antreiben solle. Der ADFC tut da schon einiges. Wäre schön, wenn in Zukunft auch von der Fahrradwirtschaft mehr und lautere Stimmen zu hören sein werden!


Abschlusserklärung

Zur Verabschiedung in Berlin durch den Kongress am 19.4.2016:

Der Ausbau des Radverkehrs in Deutschland trägt zur Lösung sehr vieler gesellschaftlicher Probleme bei. Dies sind z.B. die verkehrspolitische Entlastung, der Nutzen für die Lebensqualität (weniger Lärmbelastung, Feinstaub, Beitrag zum Klimaschutz) und die gesundheitlichen (Überwindung von Bewegungsmangel) und ökonomischen Vorteile. Auf der politischen Ebene bedeutet dies, dass der Radverkehr eine ressortübergreifende Aufgabe und in mehreren Ministerien zu verorten ist.

Verkehrspolitisch bietet die Stärkung des Radverkehrs vielfältige Vorteile. Mehr Radverkehr trägt zur Stauvermeidung und zur Verringerung des Parkraumdrucks in den Ballungsräumen bei. Eine gute Radverkehrsinfrastruktur ist deutlich effizienter und kostengünstiger als der Bau von Infrastruktur für den MIV.

Daher liegt die Schaffung besserer Rahmenbedingungen für den Radverkehr im gesamtgesellschaftlichen Interesse. Je komfortabler und sicherer das Radfahren in Deutschland wird, umso mehr Menschen werden Fahrräder als Fortbewegungsmittel oft und gerne nutzen. Trotz des gegenwärtigen Fahrradbooms verzichten immer noch zu viele Menschen auf das Radfahren, weil sie durch schlechte und unkomfortable Radwege oder mangelnde Parksysteme davon abgehalten werden und sich im Verkehr unsicher fühlen.

Die aktuellen Ansätze zum Bau von komfortablen, kreuzungsarmen und daher sicheren Radschnellwegen sind ausdrücklich zu begrüßen und sollten engagiert vorangetrieben werden. Studien belegen ihre verkehrsentlastenden Effekte (Beispiel RS1: 50.000 Kfz pro Tag weniger). Radschnellwege haben eine grundsätzliche bundesweite Signalwirkung für den Ausbau des Radverkehrs und liegen daher im nationalen Interesse.

Eine wirkungsvolle Radverkehrsförderung dient zugleich auch der Sicherung von Beschäftigung in Deutschland. Die Fahrradbranche steht hierzulande für rund 280.000 Arbeitsplätze und einen Gesamtumsatz von 16 Mrd. Euro. Die Fahrradwirtschaft entwickelt, produziert und vertreibt Produkte, die das Radfahren erleichtern und die Freude dabei erhöhen.

Trotz einzelner positiver Tendenzen bei der Fahrradnutzung im städtischen Bereich, gibt es insgesamt kaum Wachstum beim Radverkehr und nach wie vor viele Hemmnisse. Wir brauchen aber jetzt einen deutlichen Entwicklungssprung.

Diesen notwendigen Durchbruch wird es aber erst geben, wenn Deutschland auf allen Ebenen fahrradfreundlicher gestaltet wird. Dazu gehören die Bereiche Infrastruktur, Finanzierung, Öffentlichkeitsarbeit und ein neues Denken in Fragen der Flächenverteilung und Verkehrssicherheit.

Die Teilnehmer des vivavelo Kongresses der Fahrradwirtschaft 2016 fordern deshalb von Politik und Verwaltung die Umsetzung der folgenden sechs Punkte:

  1. Eine Flächenoffensive für den Radverkehr. Dazu gehört eine gerechtere Zuweisung von Platz für den nichtmotorisierten Verkehr. Ziel ist eine bedarfsgerechte Verteilung von Verkehrsflächen entsprechend dem Modal Split unter Einbeziehung der Flächen für parkende Fahrzeuge.
  2. Ein bundesweites Investitionsprogramm von Bund, Ländern und Kommunen in den Erhalt und Ausbau der Radinfrastruktur. Auf den Wegen für Radfahrer muss ein schnelles und komfortables Vorankommen möglich und ein sicheres Fahrradparken gewährleistet sein, besonders auch an den Verknüpfungsstellen mit dem ÖPNV. Die zu schaffende Radinfrastruktur sollte dazu geeignet sein, gegenwärtig noch bestehende Hemmnisse der Fahrradnutzung abzubauen.
  3. Die Erhöhung der Bundesmittel für den Radverkehr von aktuell rund 100 Mio. Euro auf 1 Mrd. pro Jahr. Die Haushaltsmittel des BMVI bewegen sich gegenwärtig auf dem Niveau von 2002 und entsprechen nicht der tatsächlichen Bedeutung des Radverkehrs. Auch die Personalausstattung für den Radverkehr im BMVI ist deutlich zu erhöhen.
  4. Die Förderung von komfortablen und sicheren Radschnellwegen ist eine Aufgabe von nationaler Bedeutung und bundesweiter Wirkung. Daher sollten Radschnellwege nicht nur durch die Kommunen und Länder, sondern auch durch den Bund finanziert werden. Dies ist schon nach der gegenwärtigen Rechtslage aus Mitteln des Straßenbaus möglich, wenn dadurch Bundesstraßen oder Autobahnen entlastet werden, wie z.B. beim RS1.
  5. Wirkungsvolle Maßnahmen zur Verbesserung des Verkehrsklimas. Dazu gehören eine Verringerung der innerörtlichen Kfz-Geschwindigkeiten und wirkungsvolle Maßnahmen gegen das Zuparken von Radwegen. Dies führt zur Erhöhung der Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer und zur Steigerung der Lebens-und Aufenthaltsqualität in unseren Städten. Geringere Geschwindigkeitsdifferenzen aller Verkehrsteilnehmer tragen zu einem besseren Verkehrsklima bei. Dies kann dazu führen, dass Radfahrer sich im Verkehr sicherer fühlen und mehr Menschen das Rad nutzen.
  6. Eine nationale Öffentlichkeitskampagne, die die Vorteile des Radfahrens bei der Gestaltung individueller Mobilität in den Mittelpunkt stellt und die auch Menschen anspricht, die bisher kaum oder gar nicht Rad fahren. Die Kampagne sollte zu einer Erhöhung der gesellschaftlichen Wertschätzung des nichtmotorisierten Verkehrs beitragen.