Seit knapp acht Monaten ist der Neumarkt nun für den motorisierten Individualverkehr gesperrt. Das Verkehrschaos ist ausgeblieben. Damit fällt dieses Argument bei der Diskussion um eine dauerhafte Sperrung des Neumarkts also weg. Bleiben im Prinzip nur noch die Einwände des Einzelhandels, der um seine Umsätze fürchtet.

Im November hieß es, viele Geschäfte würden zunehmend unter der Großbaustelle (Neumarkt) leiden. „Sie fürchten schon jetzt ums anstehende Weihnachtsgeschäft.“ Es war nicht verwunderlich, dass die CDU in Osnabrück auf diesen Zug mit aufsprang und düstere Zeiten für den Einzelhandel in Osnabrück ankündigte: „Das Weihnachtsgeschäft gerät in Gefahr. Die Attraktivität, im Dezember nach Osnabrück zu kommen, nimmt weiter ab.“ Weiter heißt es: „Die Auswirkungen sowohl auf den Verkehr als auch auf das bevorstehende Weihnachtsgeschäft sind nicht von der Hand zu weisen.“

Ab hier nur noch mit Bus oder Fahrrad!

Ab hier nur noch mit Bus oder Fahrrad!
Foto: dd

Wie war das nun aber genau mit den Auswirkungen? Schon Mitte Dezember hieß es vom Handelsverband Osnabrück-Emsland e.V., dass die Innenstadt „rappelvoll“ sei und obwohl die Situation am Neumarkt als Nachteil gesehen werde, zeigte sich die Pressesprecherin Katja Calic optimistisch und konnte sich über „die betriebsame, aber angenehme Atmosphäre in der Stadt“ freuen: „Die Kunden sind gut gelaunt und entspannt, von Weihnachtshektik ist noch nicht viel zu spüren.“ Die Attraktivität, nach Osnabrück zu kommen, hat also anscheinend nicht so sehr abgenommen, wie es die CDU befürchtet hatte.

Am vorvergangenen Samstag (10. Januar) habe ich in einer Email an den Handelsverband Osnabrück-Emsland e.V. gefragt, wie das Weihnachtsgeschäft gelaufen ist. Leider kam bisher keine Antwort. Dafür hat die Pressesprecherin in der Zwischenzeit der Neuen Osnabrücker Zeitung ein Interview gegeben. Überschrift: „Osnabrücker Einzelhandel bügelt die Neumarkt-Sperre aus“. Demnach habe die Sperrung des Neumarktes negative Folgen für den Einzelhandel im Weihnachtsgeschäft gehabt – allerdings nicht in dem zuvor befürchteten Ausmaß. Der Handel sei mit einem „blauen Auge“ davongekommen. Allerdings habe er im Vergleich zu den Vorjahren erheblich mehr in Werbung investieren und die Kunden zu besonderen Aktionen und Events einladen müssen. Ich würde aber fast wetten, dass die Ausgaben für diese Posten sowieso jedes Jahr steigen, weshalb man auch diese Aussage relativieren muss. Und dabei darf man auch nicht vergessen, dass jedes Jahr erhebliche Steuermittel dafür eingesetzt werden, dass die Stadt attraktiv bleibt. Davon profitiert dann auch wieder der Handel – in nicht unerheblichem Maße.

Jammern ist der Gruß der Kaufleute.

Insgesamt lägen zwar noch keine Zahlen vor. Die meisten Einzelhändler hätten im Weihnachtsgeschäft 2014 aber ein Umsatzpari zum Vorjahr erreichen können, „einige sogar ein geringes Umsatzplus erwirtschaftet“. Wenn man zu diesem Ergebnis dann noch das warme Wetter rechnet, das laut Calic vor allem für den Textilhandel und die Schuhbranche ein negativer Verkaufsfaktor bei Winterkleidung war, dann bin ich mir nicht sicher, ob man überhaupt noch Auswirkungen messen kann, die auf den gesperrten Neumarkt zurückzuführen sind.

Und sogar die Auslastung der Parkhäuser hat sich im Dezember 2014 zum Vorjahresmonat um 8,5 Prozent erhöht – zumindest die der OPG (Parkhausbetreiber). Von L+T (großes Modehaus) und Galeria Kaufhof lägen noch keine Zahlen vor. Ich vermute mal, dass man dort noch fleißig nach Möglichkeiten sucht, die Auslastungen runter zu rechnen. Gerade L+T hatte bereits im vergangenen Jahr geklagt, dass sein Parkhaus nur noch schwer zu erreichen sei. Was aber, wenn überhaupt, wohl eher an einer anderen Baustelle liegt. Nämlich die in der Möserstraße, die dort aufgrund des Baus eines Geschäftshauses mit Tiefgarage seit Monaten eine Fahrspur der direkten Zufahrtsstraße zum Parkhaus blockiert.

Die Gegner der Neumarktsperrung, hier insbesondere der Handel, scheinen also weiterhin der alten Mär aufzusitzen, dass mehr Straßen und mehr Parkplätze zu mehr Umsatz führen. Die aktuelle Situation in Osnabrück scheint dies jedoch zu wiederlegen. Es gibt nun nicht mehr viele Gründe, den Neumarkt für den motorisierten Individualverkehr wieder zu öffnen. Mir fällt auf jeden Fall keiner mehr ein. Zu der Thematik gibt es auch ein schönes Zitat bei LZonline – auf Lüneburg bezogen:

Neue Parkplätze wurden [vor 25 Jahren] das Valium für rebellische Einzelhändler. Politiker mussten kräftig einstecken. Erstaunlich ist nur, dass die vielen Parkplätze wenig geholfen haben: Kaum einer der Aufrührer von damals betreibt heute noch ein Geschäft in der Innenstadt.

Zeit also, über eine Neuplanung nachzudenken. Wie wäre es mit einer shared space-Zone für Busse, Radfahrer und Fußgänger, die dann irgendwann auch zum neuen Shoppingcenter pendeln werden? Dafür müsste man schauen, wie hoch die Busfrequenz am Neumarkt dann noch ist. Vorbild wäre hier der Vorplatz vom Hauptbahnhof in Hannover, wo die Straßenbahn fährt und Fußgänger ohne Ampel oder Zebrastreifen queren? Oder Busspuren, breite Radfahrstreifen daneben und eine Ampel in der Mitte (Höhe Große Straße). Platz genug wäre vorhanden. Dazu auf beiden Seiten Bäume, Abstellplätze für Fahrräder und die eine oder andere Sitzbank. Der Platz sollte für Menschen da sein, nicht für Autos. Mit vier Spuren oder dichtem Verkehr auf zwei Spuren wird eine Aufwertung des Neumarkts im Sinne der Bürgerinnen und Bürger nicht möglich sein!

So sieht es auch Dietmar Kröger von der Neuen Osnabrücker Zeitung. Er kommentiert heute bei noz.de:

Mal ganz ehrlich: Stellt man sich derzeit zum Beispiel auf die Treppen des Landgerichts und beobachtet das Treiben auf dem Neumarkt, dann strahlt der Platz schon jetzt trotz Baulärm so etwas wie Ruhe aus – jedenfalls im Vergleich zur ursprünglichen Situation. Die fehlende Hektik schnellfließenden Autoverkehrs macht sich positiv bemerkbar. Soll der Platz im Herzen der Stadt Lebensqualität bekommen und als Bindeglied zwischen Großer Straße und Johannisstraße fungieren, wird es ohne eine Sperrung für den Individualverkehr nicht gehen.