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Warum wir keine höheren Parkgebühren für SUV brauchen

Paris will die Parkgebühren für SUV von außerhalb drastisch erhöhen – so hat es die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger beschlossen. Zumindest die Mehrheit der knapp sechs Prozent, die abgestimmt haben. Den anderen scheint es egal zu sein. Während „normale“ Autos im Zentrum sechs Euro die Stunde zahlen, sollen für die immer beliebteren bzw. von den Autokonzernen immer stärker in den Markt gedrückten Großstadtpanzer bald 18 Euro fällig werden. Weil nicht ganz klar definiert ist, was ein SUV ist, wird das Gewicht entscheidend sein. Bei Verbrennern geht es ab 1,6 Tonnen los, bei Elektroautos ab zwei Tonnen.

Ist das auch ein Modell für deutsche Städte? Warum sollte der, der mehr Platz wegnimmt und mehr Schaden anrichtet, nicht auch mehr bezahlen? Klingt erstmal logisch und private Parkhäuser machen das zum Teil auch schon. Allein, es wird nichts nützen. Würden deutsche Städte die Parkgebühren verdreifachen, wären wir zum Beispiel im Falle Osnabrücks bei 7,50 Euro für die erste Stunde. Also gerade mal knapp mehr, als es in Paris sowieso schon für alle kostet.

Deutsche Städte stellen dem Auto – ob klein, groß oder monströs – noch immer viel zu viel öffentlichen Raum zur Verfügung.

Und wem wäre dadurch wirklich geholfen? Wer mehrere Zehntausend Euro für ein SUV ausgibt, kann sich die Parkgebühren auch weiter gut leisten und wird den öffentlichen Raum damit zustellen. Womit wir zum eigentlichen Problem kommen. Deutsche Städte stellen dem Auto – ob klein, groß oder monströs – noch immer viel zu viel öffentlichen Raum zur Verfügung. Sie dürfen über mehrspurige Straßen aus sämtlichen Himmelsrichtungen bis ins Zentrum einfahren, finden fast überall und vor allem in Wohngebieten straßenbegleitenden Parkraum, der oft auch noch gratis zur Verfügung gestellt wird. Oder es wird dort gleich auf der Fahrbahn geparkt. Die Kosten für den Unterhalt der Abstellfläche trägt die Allgemeinheit.

Währenddessen stehen volle Busse im Stau neben leeren Autos auf dem Parkstreifen. Und Radfahrerinnen und Radfahrer müssen sich entweder halbwegs sichere Umwege ins Zentrum suchen oder sie werden auf schmale Wege geschickt, die sich Schutz- oder Radfahrstreifen schimpfen. Rechts oft die Gefahr von aufgehenden Türen geparkter Autos, links ständig mit zu wenig Sicherheitsabstand überholende Autos.

Fußgängerinnen und Fußgänger können ihr eigenes Lied singen, wenn sie mal wieder versuchen, mit Kinderwagen oder Einkäufen hindernisfrei nach Hause zu kommen. Wenn sie hinter Eckenparkern die Straße zu überqueren versuchen und dabei inzwischen gar nicht mehr gesehen werden, weil eben die abgestellten SUV so groß geworden sind, dass sie jegliche Sicht versperren. Wobei wir wieder beim Thema wären: Keine Parkgebühr der Welt macht die Fußgängerin hinter dem großen SUV sichtbar. Und im Zweifel wird, weil sowieso kaum kontrolliert wird, sowieso an der Ecke falschgeparkt, was die Sache – vor allem für Kinder – noch gefährlicher macht.

Ich konnte früher noch auf der Straße Basketball spielen. Heute werden Kinder eingezäunt, damit Autos freie Fahrt haben.

Apropos Kinder, früher war gewiss nicht alles besser. Aber ich konnte da noch auf der Straße spielen. Mein Basketballkorb stand am Grundstückszaun, mit Spielfeld auf der Straße. Heute werden Kinder eingezäunt, auf „Spielplätze“ gebracht, sollen aus dem Straßenbild möglichst verschwinden, damit ihnen nichts passiert und Autos freie Fahrt haben. Die Prioritäten haben sich offensichtlich geändert. Der Deutschen liebstes Kind scheint ein anderes geworden. Das Auto bekommt in der Standardgarage 18 Quadratmeter Platz, davon kann das echte Kind im kleinen Kinderzimmer oft nur träumen.

Muss das alles so sein? Die Pariser Bürgermeisterin findet nicht. Aber ihr Weg über die Parkgebühren wird das wahre Problem nicht lösen. Sie nimmt den Autos in den Straßen den Platz eben nicht weg, wie sie hofft. Sie macht ihn nur teurer – und das auch nur für Gäste-SUV, nicht für Pariser Autobesitzer*innen. Dabei sollten unsere Städte wieder für Menschen da sein und nicht für Autos. Die Bürgerinnen und Bürger sollten sich ihre Städte zurückholen. Der Verkehrsraum muss neu verteilt werden, weg vom Auto, hin zu ÖPNV, Fahrrad- und Fußverkehr. Die vermeintliche Abhängigkeit vom privaten Pkw muss auch ganz offensichtlich abgebaut werden. Für die übrigbleibenden Autos gibt es reichlich private Parkhäuser, die nachts meist leerstehen. Wahrscheinlich muss es noch ein paar mehr geben, Stichwort Quartiersgaragen. Der Markt kann dann gerne die Gebühren regeln.

Und wer wirklich etwas gegen zu große und zu schwere Autos unternehmen will, sollte dafür sorgen, dass die Industrie wieder Autos baut, die nötig sind und nicht überwiegend solche, die möglich sind. Kein Mensch braucht mehr als 200 PS, niemand ist darauf angewiesen, 2,5 Tonnen in Bewegung zu setzen, um acht Brötchen fürs Sonntagsfrühstück zu holen. Aber hier hilft vielleicht wirklich ein Blick nach Frankreich, wo bei der Zulassung neuer Autos Strafsteuern sowohl für hohen CO₂-Ausstoß als auch für hohes Gewicht fällig werden. Über 60.000 Euro Aufschlag sind möglich. Betroffen sind aktuell vor allem Autos deutscher Hersteller.

Auf dem Parkplatz des Nettebades in Osnabrück wird seit 2019 ein Bereich explizit für SUV ausgewiesen.

3 Antworten auf „Warum wir keine höheren Parkgebühren für SUV brauchen“

Nach meinem Kenntnisstand verteilt Frau Hidalgo den Platz in Paris aktuell mächtig um. Die Parkgebühren sind nur der Bruchteil ihres Maßnahmenbündels, der hierzulande Schlagzeilen macht?!
* Seine-Ufer autofrei statt Stadtautobahn: https://help-tourists-in-paris.com/paris-entdecken/freizeit/seineufer-in-paris-autofrei/
* Schulstraßen: https://www.linkedin.com/posts/pascal-fuhr_umwandlung-einer-schulstraße-in-paris-activity-7122109138838384640-lr2K?originalSubdomain=de

Ja, das alte neoliberale Konzept der ‚Stuerung über den Preis‘ kommt tatsächlich schnell an seine Grenzen. Speziell dann, wenn ‚über einen Kamm geschert‘ wird, wie es zB oft bei City-Maut Konzepten passiert.
In Paris wird bei der SUV Regel aber immerhin nach ‚Reichtum‘ selektiert, was einen klaren Vorteil darstellt.
Dass solche Maßnahmen nicht ausreichen stimmt ebenfalls, aber wenn sich eine solche Maßnahme einbettet in den geplanten massiven Ausbau des Metro-Netzes, bei welchem vor allem auch das weitere Umland mit hohen Kapazitäten angeschlossen werden soll und zudem über Tangentialverbindungen die nicht mehr zeitgemäße tradierte Sternförmigkeit durch Punkt zu Punkt Verbindungen (Suburb zu Suburb) ergänzt wird, kann das Gesamtpaket beim Vergleich mit anderen Städten (Kopenhagen, Amsterdam, etc.) durchaus punkten.
CPH und NL haben es beide nicht geschafft die MIV-Dichte und die MIV-Fahrleistung zu reduzieren, sondern das Gegenteil erreicht.
Nl-DK Konzepte können für attraktive Stadtkerne sorgen, adressieren aber definitiv nicht die heute zentralen Problemlagen Ökologie, Klimaumbruch und soziale Ungleichheit.
Insofern wird es sehr spannend sein, ab die Metropolregion Paris die erste europäische Agglomeration ist, die es tatsächlich schafft, dass der MIV eingedämmt wird.
Die Chancen stehen nicht schlecht, sofern sich die Politik verstetigen kann und nicht durch einen Rechtsruck wieder rückabgewickelt wird.

Gleichzeitig drücken die Kommunen aber auch oft beide Augen zu, wenn Anwohner aus Faulheit ihre Autos (vielleicht auch, weil letztere einfach zu groß sind?) nicht in der Garage, sondern vor dem Hoftor auf der Straße parken lassen. Die besagte Garage ist dann oft noch zu einem Lager umdefiniert worden, was ihrer ursprünglichen Bestimmung zuwider läuft. Hier müsste eigentlich das Ordnungsamt einschreiten, denn eine als Garage im Bauplan ausgewiesenes Gebäude muss auch als solches genutzt werden, und nicht anders. Aber die Ämter werden nur dann aufmerksam, wenn man ihnen einen Hinweis darüber gibt. Und wer verpfeift schon seinen Nachbarn… :-|

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