Pressemitteilung von Kidical Mass Aktionsbündnis, Deutsches Kinderhilfswerk und Verkehrsclub Deutschland
Das Kidical Mass Aktionsbündnis, das Deutsche Kinderhilfswerk und der ökologische Verkehrsclub Deutschland (VCD) haben heute ein gemeinsames Rechtsgutachten zu Schulstraßen vorgestellt. Das Gutachten weist eindeutig nach, dass Kommunen vielfältige Möglichkeiten haben, so genannte Schulstraßen temporär oder dauerhaft einzurichten. Das Straßenverkehrsrecht und das Straßenrecht bieten nach geltender Rechtslage zahlreiche Optionen, die Straßen nur für den nicht-motorisierten Verkehr freizugeben und damit für ein sicheres Schulumfeld für die Kinder zu sorgen: Zum Beispiel mittels Teileinziehung, als Fahrradstraße, mit dem Nachweis der qualifizierten Gefahrenlage oder zur Unterstützung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung.
Im Umkehrschluss bedeutet dies jedoch keinesfalls, dass die kürzlich gescheiterte Reform des Straßenverkehrsrechtes damit hinfällig wäre. Denn eine Änderung der Straßenverkehrsordnung (StVO) ist nach wie vor die Voraussetzung, um die Verkehrswende voranzubringen und mehr kinderfreundliche Mobilität zu ermöglichen. Das Bündnis fordert, Schulstraßen rechtlich zu verankern und die Regelungen zum Nachweis der Gefahrenlage (§ 45, Absatz 9) als Grundvoraussetzung für entsprechende Eingriffe in den Straßenverkehr zu reformieren.
Damit würde die Bundesregierung ein klares Signal für sichere Mobilität von Kindern setzen und mehr Bewusstsein für Schulstraßen schaffen. Das Bundesverkehrsministerium ist daher dringend angehalten, den Prozess noch in der laufenden Legislatur konsequent fortzuführen, statt die Verantwortlichkeit allein bei den Ländern und Kommunen abzuladen.
Simone Kraus, Co-Initiatorin und Sprecherin Kidical Mass Aktionsbündnis: „Kinder haben ein Recht darauf, sich sicher, selbstständig und geschützt zu bewegen. Schulstraßen tragen nachweislich zur Verbesserung der Verkehrssicherheit von Kindern bei. Städte wie Wien, Paris und Gent machen es vor. Mit dem Rechtsgutachten haben Politik und Straßenverkehrsbehörden keine Ausreden mehr. Die Einrichtung von Schulstraßen ist rechtlich auch in Deutschland möglich. Jetzt heißt es: Umsetzen!“
Kerstin Hamann, VCD-Bundesvorsitzende: „Während Frankreich und Österreich vorpreschen, hinkt Deutschland bei den Schulstraßen weit hinterher. Dabei muss es oberste Priorität haben, die Verletzlichsten im Verkehr zu schützen: Kinder. Sie sind besonders gefährdet und das Verkehrschaos vor Schulen trägt erheblich dazu bei. Deshalb brauchen Kommunen mehr Spielraum, den Verkehr sicherer zu machen – etwa durch Schulstraßen.“
Kinder sind besonders gefährdet und das Verkehrschaos vor Schulen trägt erheblich dazu bei. Deshalb brauchen Kommunen mehr Spielraum, den Verkehr sicherer zu machen – etwa durch Schulstraßen.
Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes, sagt: „Es gibt viele Argumente für mehr Sicherheit der Kinder im Umfeld der Schulen: Wenn Schulkinder ihren Schulweg eigenständig zu Fuß, mit dem Fahrrad oder Roller bestreiten können, ohne auf den elterlichen Hol- und Bringdienst angewiesen zu sein oder Gefahr zu laufen, vor dem Schultor von Autofahrenden in Gefahr gebracht zu werden, trägt dies viel zu ihrer Selbstständigkeit bei. Ganz nebenbei tun sie der Umwelt etwas Gutes, erhalten bereits morgens eine dringend benötigte zusätzliche Bewegungseinheit und pflegen beim gemeinsamen Weg mit Freund*innen zudem ihre sozialen Kontakte.“
Zum Hintergrund:
Schulstraßen sind Leuchttürme zur Förderung der sicheren und aktiven Kindermobilität. Und sie bieten ein enormes Potenzial für die Mobilitätswende, wie man an Beispielen in Paris sehen kann. Seit Sommer 2021 gibt es Schulstraßen-Aktionstage auch in Deutschland. Das Kidical Mass Aktionsbündnis hat das Konzept bundesweit verbreitet. Es hat das Konzept auf die Straßen gebracht und tausende Eltern und Kinder, Schulen, Anwohnende und Politker*innen davon begeistert.
Die Stadt Köln startete 2023 daraufhin einjährige Schulstraßen-Pilotprojekte an vier Schulen. Einige Kommunen sind dem Kölner Beispiel gefolgt, darunter Berlin, Bonn, Dresden, Essen und Ulm. Gleichzeitig berichten Städte und Kommunen über die große Rechtsunsicherheit im Bereich „Schulstraße“.
Unter „Schulstraße“ ist ein Set von Maßnahmen und Regeln gemeint, das Kindern im Umfeld von Schulen oder Kitas die Teilhabe an Mobilität und die Verbesserung von Verkehrssicherheit ermöglichen soll. Dafür werden eine oder mehrere Straßen im Umfeld einer Schule (oder Kita) für den Kraftverkehr gesperrt – und somit zugleich die Fahrbahn für den nichtmotorisierten Verkehr freigegeben. Die Sperrung wird typischerweise zeitlich für eine halbe Stunde bis Stunde auf den Schulbeginn oder das Schulende begrenzt (temporäre Schulstraße). Das Umfeld einer Schule kann aber auch dauerhaft autofrei gestaltet werden, um über den ganzen Tag Möglichkeiten zum Verweilen oder Spielen zu schaffen (permanente Schulstraße).
Zum Rechtsgutachten:
Das Rechtsgutachten wurde im Auftrag von Kidical Mass Aktionsbündnis, Deutsche Kinderhilfswerk und VCD von Dr. Olaf Dilling (re Rechtsanwälte PartGmbB) erstellt und untersucht die planungsrechtlichen, straßenverkehrsrechtlichen sowie straßenrechtlichen Vorgaben und Möglichkeiten zur Einrichtung von Schulstraßen anhand der rechtlichen Bestimmungen und der Rechtsprechung.