Im Meller Kreisblatt wird seit einigen Wochen die Landesförderung für Bürgerradwege gefeiert. Denn angestoßen hat diese Idee eine Meller Landtagsabgeordnete der CDU. Eine Million Euro soll nun jährlich vom Land bereitgestellt werden, um so genannte Bürgerradwege zu finanzieren – also Radwege, die von Bürgerinitiativen gefordert werden.
Diese Woche berichtet das Meller Kreisblatt (natürlich mit wiederholtem Lob Richtung CDU-Abgeordneter), dass der Radwegverein Allendorfer Straße in Melle eine Crowdfunding-Aktion unter dem Motto „Mit Sicherheit verbinden“ starten will, um in den Genuss der Landesförderung zu kommen. Denn Voraussetzung dafür ist, dass der Verein die Kosten für die Vorplanung (45.000 Euro) übernimmt. Das Meller Kreisblatt nennt es die „Hausaufgaben“, die der Verein nun machen müsse.
Ich habe den Text zum Anlass genommen, um folgenden Leserbrief ans Meller Kreisblatt zu senden (der bisher nicht abgedruckt wurde):
„Als Radfahrer ist es schwer erträglich, wenn im Artikel davon die Rede ist, dass der Radwegverein „seine Hausaufgaben machen“ müsse. Musste eine Autobahn jemals per Crowdfunding finanziert werden? Wie wäre es, wenn Straßenneubauten in Niedersachsen vorerst ausgesetzt werden, damit das Land seiner Verantwortung in Sachen Radverkehr gerecht wird? Für sichere Radwegverbindungen an Landesstraßen zu sorgen ist Aufgabe des Landes, nicht Aufgabe der Bürger. Nur leider wird diese Aufgabe seit Jahrzehnten nur sehr zögerlich angegangen, weshalb sich immer wieder fleißige Initiativen wie in Melle gründen müssen, die in der Tat großartige ehrenamtliche Arbeit leisten. Mit einem Sondertopf für Bürgerradwege macht es sich die Landesregierung hingegen schön einfach. Andere dürfen jetzt für sie die Hausaufgaben machen…“
Dieser Sondertopf Bürgerradwege zeigt ganz deutlich, dass das Land Niedersachsen seiner Verantwortung nicht gerecht wird. An fast der Hälfte aller Landesstraßen fehlen immer noch sichere Radwege. Der Radverkehrsetat ist chronisch unterfinanziert. Der für Radschnellwege wird von der neuen Landesregierung vorerst nicht weiter gefüllt. Und die Planung weiterer Radwege lässt man sich jetzt von Bürgerinitiativen bezahlen…
Wer die Arbeit der Bürgerinitiative unterstützen will, kann hier spenden.
8 Antworten auf „Wer muss hier seine Hausaufgaben machen?“
Ganz starker Tobak,
kann man da nicht mal wegen Diskriminierung die rechtliche Keule schwingen? Bzw. muss man das nicht sogar?
Mfg Gregor
Der Radwegverein soll für etwas zahlen, was eigentlich die (Haus-)Aufgabe der Kommunalverwaltungen ist? So kann man Initiativen auch im Keim ersticken.
Eine Million Euro pro Jahr ist auch nicht unbedingt viel, denn je nach Beschaffenheit/Oberfläche des zu bauenden oder erneuernden Weges und der Umgebung, ggf. Landankäufe, Brücken, Durchlässe, usw. werden dann dann zwischen wenige hundert Meter und paar Kilometer sein.
Innerhin ist das in Niedersachsen so geregelt, dass die Baustandards eingehalten werden müssen. Zwar sind die Baustandards unzureichend, aber das ist eine andere Baustelle.
In NRW ist das anders, da können die ohnehin ungeeigneten Baustandards bei ‚Bürgerradwegen‘ nochmals erheblich unterschritten werden (20cm Oberbau ist dann ausreichend, etc).
Nähere Informationen zur aktuellen Sit. in NS übrigens hier:
https://www.landtag-niedersachsen.de/drucksachen/drucksachen_18_05000/04001-04500/18-04228.pdf
Insgesamt macht das Projekt der vollständigen Beseitugung von radfahrenden Hindernissen auf unseren Landstrassen ja Fortschritte und es ist absehbar, dass nicht nur die Autobahnen, die Bundesstrassen, sondern auch die Landstrassen vollständig ‚autobahnisiert‘ werden.
Nicht mehr lange, und es wird common sense auch in der ‚Radszwene‘ werden, dass Radfahrende auf „Autostrassen“ (!) ja sowieso nichts verloren haben.
Die Radreisezeiten verschlechtern sich, während die Autoreisezeiten verbessert werden.
Derweil nehmen die Fahrleistungen des MIV parallel zum Anstieg des ‚Radverkehrsanteils‘ immer weiter und immer nachhaltiger zu, wie es ja – für Einige möglicherweise überraschend – in unseren Radwegbau-‚Vorbildern‘ Niederlande und Dänemark der Fall ist.
ich kann aus sem südöstlichen Niedersachsen berichten, dann noch nicht alle Bundes-, Land- und Kreisstraßen „autobahnisiert“ sind, jedoch örtliche Bürgerinitiativen dies hier und da separate Radwege einfordern. Und die haben durchaus recht, bin mehrmals auf der Bundes- oder Landesstraße zu nah überholt worden, oder der Gegenverkehr kam auf meine Fahrspur, sodass ich in den Randstreifen ausweichen musste.
kommt auch nicht selten vor, dass man auf der vierspurigen B4 im Harz angehupt wird, die Autofahrer meinen wohl es wäre sowas wie ne Kraftfahrstraße, was aber erst bei Bad Harzburg so ist.
Auf der anderen Seite im LK Gifhorn zeigte mir Karte und GPS eine „Fahrradroute an, ca 500m entfernt von der B4, nur war das ein Sandweg durch die Wald- und Heidelandschaft, unbenutzbar. Die Fahrt auf der B4 war dann gemeingefährlich.
Ob Baustandards hier in der Region eingehalten werden kann ich jetzt nicht so sagen, da gibts gewaltige Unterschiede zwischen den Landkreisen und je nach Alter der Wege. Kommt durchaus mal vor, dass ein straßenbegleitender Weg in Salzgitter noch aus Betonplatten aus den 1940er besteht, als die Stadt gebaut wurde, oder andere Wege zugewuchert oder bröselig sind. Radwegbreite, Unterhaltungszustand, Oberflächenbeschaffenheit sind nicht einheitlich, manchmal sind wie erwähnt uralte große Betonplatten, oder S-Profil- und Pflastersteine, Gehwegplatten, oder auch mal Asphalt.
Was ich auch schon hatte, man fährt etwa 500m aus nem Ort raus, dann ist der Weg plötzlich zuende oder ein anderer straßenbegleitender Weg endet nach 4-5 Kilometern 300m vor ner Kreuzung.
bei den Verkehrrschildern werden die Vorschriften in meiner Stadt nicht eingehalten mal stehen die vor einer Einmündung, mal dahinter, mal mitten in der Strecke. Die Haltelinie bei den neuen Fahrradampeln ist auch nicht einheitlich der Standort manchmal suboptmimal. Würde man sich zu 100 Prozent korrekt verhalten, behindert man andere Radfahrer oder sieht die eigene Ampel nicht. Die Mängelliste wäre doch sehr lang.
Gibt wahrscheinlich schlimmeres, aber man sollte es sich vor Ort ansehen und nicht ganz den Veröffentlichungen glauben. Es werden gerne nur die besseren Dinge gezeigt und beworben.
„die Autofahrer meinen wohl es wäre sowas wie ne Kraftfahrstraße,“
Ja. Kein Wunder!
Exakt das ist ja die Folge dieser „Autobahnisierung“
Nach und nach wird so unser gesamtes allgemeines Strassennetz (außerorts) zu einem ausschliesslichen Autonetz.
Der Radverkehr holpert dann (in Hauptsache touristisch unterwegs) bei schönem Wetter über die „Bürgerradwegelchen“.
Die wenigen kleineren Strassen, die für den Autoverkehr unwichtig und/oder zu umwegig sind haben dann meist keinen Radweg, aber dafür eine erbärmlich schlechte vielfach geflickte oder mit Rollsplit reparierte Oberfläche.
Am Ende gibt es 2 Typen:
– gut erhaltene direkte Strassen mit guter Oberfläche, Radfahrverbot und einseitigem Radwegelchen am Rand, weswegen sie bei Dunkelheit/Regen/Herbst meist nur in einer Richtung (wenn überhaupt) benutzbar sind, sowie anderseits
– kaputte Strassen im Nebennetz, die für den Radverkehr nicht verboten sind aber de facto aufgrund der desaströsen Beschaffenheit keine längeren Fahrdistanzen zulassen.
Kein Wunder dass die Zahl der Pkw in Deutschland weiter ansteigt.
Die bei einseitiger Führung notwendigen Zwangsquerungen gibts dann noch als nicht selten tödliche Zugabe obendrauf.
Wenn schon unser Fahrbahn- und Strassennetz klimafeindlich von Radfahrenden ‚gesäubert‘ wird, dann doch allerwenigstens mit beidseitigen Radwegen, Breite von je mind. 2,25 und gegen Wurzelaufbrüche gesicherten Oberflächen mindestens in Fahrbahnqualität und 24/7/365 Befahrbarkeit.
Das hat zwar gehörige Nachteile (Versiegelung, ggf. Baumfällungen, ökologische und finanzielle Kosten, hohe Unterhaltskosten bei Laub/Schnee/Sturm/Überfrierungen…, Klimaproblematik durch weiter ‚verflüssigten‘ Autoverkehr), aber wenigstens wäre dann die Erledigung von mittleren und längeren Wegen mit dem Fahrrad weiterhin grundsätzlich möglich.
Auch im Dunkeln, auch bei Regen usw.
Mit Verkehrswende und Ökologie hat das (Radwegebau) im Übrigen – siehe Niederlande – herzlich wenig zu tun, und das sollte m.E. auch besser auseinandergehalten werden.
p.s.:
Die gleichen Leute, die diese „Bürgerradwege“ fordern sind ja oft diejenigen, die direkt auf die Barrikaden gehen wenn mal die aus vielen Gründen erforderliche generelle Temporegelung 30/60/100 gefordert wird.
Zitat Alfons Krückmann: „Wenn schon unser Fahrbahn- und Strassennetz klimafeindlich von Radfahrenden ‚gesäubert‘ wird, dann doch allerwenigstens mit beidseitigen Radwegen, …“
Sobald du ein Rechtsfahrgebot hast, hast du auch oft Zwangsquerungen, mit der Fahrbahn. In den Niederlanden gibt es oft Zweichrichtungsradwege, auf beiden Seiten, so dass man wirklich die Straßenquerung vermeiden kann.
Ich meine für Deutschland besser einen 3 Meter breiten Radweg auf einer Seite, als zwei 2,25 Meter breite Radwege auf beiden Seiten. Man ist mit seiner Fahrbahn flexibler. Mann kann am Wegesrand halten, man kann mit Abstand überholen oder wenn nichts los ist, zu dritt nebeneinander fahren. Mit etwas glück/Planung, kann man zweimal links abbiegen ohne die Kfz-Fahrbahn zu kreuzen. Am Ende hast du sogar weniger Fläche versiegelt.
Was die separierung außerorts allgemein betrifft, halte ich es meistens (nicht immer) für die einzige gute Lösung. Die Ortsverbindungen sind meist auf Geschwindigkeiten von 70 bis 100 km/h optimiert. Selbst in einer Gegend ohne Radwege (z.B. USA) fühlen sich die wenigsten Radfahrer wohl und das Fahrrad wird zuhause gelassen. Die Straßen so schmal oder kurvig zu bauen, dass die Autos nur 50 km/h fahren können, wäre eine Lösung. Also alle Ortsverbindungen aufreisen oder mit Blumenkübeln ausstatten. Als einzige Ortsverbindung wirst du dafür nie eine Mehrheit in der Industrie, Politik oder Bevölkerung finden. Maximal zusätzlich.
Da das Verkehrsaufkommen immer weiter wächst, könnte man unter dem Gesichtspunkt der Flächeninanspruchnahme (verbracht wird die nicht) und dem Ressourcenverbrauch fast noch froh sein, wenn nur ein Geh- und Radweg un nicht 2 neue Vollspuren gebaut werden.
naja, hier gibts jetzt auch die Forderungen Radschnellwege zu bauen, zumeist sind die geplanten Routen bislang bestehende Feldwege oder Radwege an Straßen, da muss man nicht soviel machen, ggf. 0,5-1 Meter breiter, Asphaltieren oder Asphalt ausbessern, eine Billiglösung eben.
Beim Autobahnbau sieht das schon anders aus, A39 zwischen Wolfsburg und Lüneburg einige zig Kilometer mal eben so durchgedrückt. Und wenn das fertig ist, dann reichen die vier Spuren bestimmt nicht mehr aus.
Die allseits bekannte unfallträchtige A2 wird wohl auch irgendwann von sechs auch 8 Sturen erweitert.
Ich bin ja auch ein Schienenverkehrskundiger, was so an Bahnstrecken, Rangierbahnhöfen und Gleisanschlüssen in den letzen Jahrzehnten zurück gebaut, würde heute eigentlich wieder gebraucht um eine echte Verkehrswende im Personen- und Güterverkehr zu stemmen.