Ich lasse mal diese Grafik des TÜV Nord hier. Sie stammt aus einer Pressemitteilung von Anfang Mai diesen Jahres, die für das Tragen von Fahrradhelmen wirbt. Es wird allerdings schnell klar, dass der Helm nicht der Weisheit letzter Schluss ist. Zunächst wird bemängelt (auch in der Grafik), dass vor allem junge Leute keinen Helm tragen, wenn sie mal eben ein paar Straßen weiter radeln. Denn bei einem Sturz könne der Fahrradhelm schweren Kopfverletzungen vorbeugen.
Dann allerdings heißt es, dass 44 von 119 in Tschechien tödlich verunglückte Radfahrer mit Helm überlebt hätten – allerdings nur jene, die ohne Fremdeinwirkung gegen ein Hindernis gefahren oder vom Rad gefallen waren. Radfahrern, die von Autos oder LKW getötet wurden, hätte ein Helm also nicht geholfen.
Dementsprechend kommt der TÜV Nord auch zu dem Schluss, dass nicht etwa Fahrradhelme das Radfahren sicherer machen, sondern sichere Wege: „mit strikteren Tempolimits, Verkehrskontrollen, Durchsetzung der Regeln und einer besseren Infrastruktur. Ohnehin könnten Helme vor auffahrenden Kraftfahrzeugen nicht schützen, wie die oben genannten Autopsiereporte ergaben. Dazu brauche es getrennte Wege für Rad- und Autoverkehr.“
Zum Schluss gibt es noch Kritik an der Politik: Solange es an einer sicheren Infrastruktur, besseren Gesetzen und Kontrollen zum Schutz von Radfahrenden fehle, müssten Eltern mit ihren Kindern besondere Vorsicht üben. Und Gernot Sieg, Direktor am Institut für Verkehrswissenschaft an der Universität Münster, kritisiert die Helm-Kampagne des Bundesverkehrsministeriums: Schon wenn Kampagnen das Fahren ohne Helm als leichtsinnig darstellen, würden manche daraus schließen, dass Radfahren generell gefährlich sei, und lieber aufs Auto umsteigen. Das aber sei unterm Strich ungesünder. Deshalb wären Kampagnen lediglich dann sinnvoll, „wenn für jede aus Sicherheitsgründen abgeschreckte Person mindestens 13 dauerhaft den Helm nutzen“.
Am Ende weiß ich nicht mehr, ob die Pressemitteilung zum Tragen eines Fahrradhelmes animieren soll oder Kritik an der Bundesregierung äußern will. So oder so wäre es mir lieber, wenn Unfälle verhindert statt die Unfallfolgen in dem einen oder anderen Fall nur gemildert werden.
14 Antworten auf „Radfahren mit Helm – oder ohne?“
Wahrscheinlich würden Helme auch bei Autofahren 80% der Kopfverletzungen bei besonders schwer Verletzten verhindern…
All diese vielen Zahlen verwirren doch nur. „Bis zu 80%“, aber nicht einmal 40% der ohne Fremdeinwirkung tödlich verunglückten Tschechen hätte er (angeblich) retten können. Die Unfallzahlen sind (zum Glück) zu gering, als dass man irgendwie sinnvolle Statistiken aus ihnen ableiten könnte.
Eine der besten Artikel zum Helm-Wahn stammt von Marjut Ollitervo, der Vize-Vorsitzenden des Finnischen Radfahrverbandes. Siehe: https://nerdpol.ch/posts/9c06f68084cd0137ad9452540039b762
Und von jetzt an tragen wir alle Helme, wenn wir duschen (Ausrutschgefahr!), Treppen steigen (Sturzgefahr!), staubsaugen (Stolpergefahr!) oder im Bett schlafen (Rausfallgefahr!) und als Fußgänger sowieso, weil uns ein Kampfradler oder E-Scooter-Spinner umfahren könnte.
Aus welchen Quelle haben die das „bis zu 80% Kopfverletzungen verhindern“ ?
Wahrscheinlich wird da die Studie von Thompson, Rivara et al. (1989) wieder mal aufgewärmt. Dazu sollte man lesen.
Aus dem Artikel:
„Gernot Sieg, Direktor am Institut für Verkehrswissenschaft an der Universität Münster, warnt nicht nur vor der Helmpflicht. Schon wenn Kampagnen das Fahren ohne Helm als leichtsinnig darstellen, würden manche daraus schließen, dass Radfahren generell gefährlich sei, und lieber aufs Auto umsteigen. Das aber sei unterm Strich ungesünder. Deshalb wären Kampagnen lediglich dann sinnvoll, „wenn für jede aus Sicherheitsgründen abgeschreckte Person mindestens 13 dauerhaft den Helm nutzen“.“
U.a. deshalb ärgert es mich, wenn Sprecher meines eigenen Fahrradclubs eine lauwarme Ja-Aber-Position einnehmen. Einerseits sei man ja gegen Helmpflicht, andererseits sei ein Helm doch so schlecht wie er aussieht. Kann man nicht mal einfach ganz klar gegen Plastikmüll sein? Plastiktrinkhalme werden schließlich auch verboten.
Nebenbei unterstützt man mit dem Helmkauf nicht selten Waffenhersteller (https://nerdpol.ch/posts/a4b09ff03edd0137ad3652540039b762) oder religiöse Fundamentalisten (https://de.wikipedia.org/wiki/Abus_(Unternehmen)#Eigentümerfamilie).
Helmpflicht ist, als würde man in einer Feinstaub-belasteten Straße für Radfahrer Atemmasken fordern.
Aber typisch für die Verkehrspolitik: Symptome statt Ursachen bekämpfen. Einfach nur gaga.
‚must read‘ zum Thema:
Metastudie von Elvik.
http://www.cycle-helmets.com/elvik.pdf
Insbesondere Conclusion Punkt 3 ist da recht eindeutig.
@Alfons, ich kannte cycle-helmets.com noch gar nicht. Sehr interessante Seite, die mich nun tagelang beschäftigen wird. Danke!
FahrradfahrerInnen schützen sich auch gegenseitig. Je mehr Fahrräder unterwegs sind, desto präsenter sind sie im Verkehr. Sollte eine Helmpflicht dazu führen, dass auf der kurzen Strecke zum Bäcker 2 Straßen weiter künftig doch häufiger gelaufen wird, wäre eine Helmpflicht der Sicherheit der FahrradfahrerInnen unterm Strich sogar abträglich.
Der ein oder andere Helmverweigerer sollte mal für ein paar Tage in der Notaufnahme eines Unfallkrankenhauses arbeiten. So etwas ändert schon mal ein Weltbild.
Und mehr Rad- statt Autofahrer ist auch keine Lösung; es gibt genug Alleinunfälle bzw. Unfälle zwischen Radfahreren. Den letzten hab ich bei der CM im Juni in Köln erlebt. Der wäre ohne Helm schlimmer ausgegangen.
Die Diskussion erinnert mich an die Einführung der Gurtpflicht.
@Börries, mehr Radfahrer helfen wirklich nicht, denn die fahren nicht in der Wohnung herum:
„Waren um 2010 noch Verkehrs- und Freizeitunfälle (z.B. Sportunfälle) die führenden Ursachen für ein Schädel-Hirn-Trauma, hat sich seit 2013 der Schwerpunkt auf Folgen häuslicher Unfälle und Unfälle in der Freizeit mit jeweils 29% verlagert.“¹
U.a. gibt es viele Treppen- und Leiterstürze. Wer also immer noch auf Treppen den Helm verweigert, sollte mal sein Weltbild in der Unfallklinik geraderücken lassen!
Übrigens ist erst vor wenigen Tagen eine Radfahrerin an Kopfverletzungen gestorben, obwohl sie einen Helm trug.² Denn Fahrradhelme sind Globuli ähnlich, sie haben fast nur einen Placeboeffekt. Man müßte schon einen Motorradhelm tragen.
¹https://www.dgni.de/aerzte/aktuelle-meldungen/604-schaedel-hirn-traumata-im-haeuslichen-umfeld-nehmen-zu-haeufigkeit-und-prognose-nach-daten-des-statistischen-bundesamtes.html
²https://www.merkur.de/bayern/radfahrerin-stirbt-nach-sturz-an-kopfverletzungen-obwohl-sie-einen-helm-trug-12749810.html
Genau diese Diskussion gab es bei der Einführung der Helmpflicht für Mofa Fahrer. Und diese sind offiziell nur mit 25 Km/h unterwegs- ein Tempo über das ein halbwegs sportlicher Radler bestenfalls lächelt ….
Es ist momentan natürlich jedem überlassen ob er Helm trägt oder nicht – aber heult dann anschließend nicht wenn eventuelle Unfallfolgen schlimmer ausfallen…
Die Statements zu der Notärzte , der Björn-Steiger-Stiftung oder Hannelore-Kohl-Stiftung sind ja ohnehin jedermann bekannt .
Du wirst lachen – im Rennsport sind Helme Pflicht .
Trotz Überrollkäfig , 4Punkt Gurte etc
Ich bevorzuge einen unsichtbaren Helm: http://www.invisibel.de
Der Helm steckt in einem funktionalen Rucksack. Bei Gefahr fährt der Schutz erst aus (in 0,1 sec) und schützt dann Kopf, Hals und Nase.
Kann kostenfrei reversiert werden, wenn er mal (testhalber) ausgefahren wurde.
Kann jetzt vorab schon bestellt werden bei: https://www.kickstarter.com/projects/invisibel/invisibel-the-new-automatic-bike-helmet-generation?lang=de