Ein Gastbeitrag von Andreas Lenzing aus Osnabrück
Pünktlich zur Tour de France 2018 erscheint mit „Zugtiere in Trägerhosen – Wie ich meinen Traum vom Radprofi lebte“ beim COVADONGA Verlag die deutsche Übersetzung des ursprünglich englischen Titels „Draft Animals. Living the Pro Cycling Dream (Once in a While)“ von Phil Gaimon.
Phil Gaimon beschreibt in diesen offenbar authentischen Memoiren seinen Weg vom radfahrenden Kind über den Hobbysportler und Amateur bis hin zum Profi in einem der besten Profi-Teams (Garmin-Sharp, später Cannondale) der UCI World Tour. Die UCI World Tour ist quasi die Champions League des Radsports, und lässt ihre Teams unter anderem auch an den großen europäischen Etappenrennen (Tour de France, Giro d´Italia, Vuelta a España) und Klassikern (Paris – Roubaix, La Flèche Wallonne usw.) teilnehmen.
Das Buch ist sprachlich sehr gelungen, auch in der sehr guten deutschen Übersetzung, obwohl man sich zunächst an seinen Stil und seinen Humor gewöhnen muss. Aber es lohnt sich. Von Anfang an ist klar, dass es Gaimon eine Herzensangelegenheit ist, Radprofi zu werden, weil er fest daran glaubt, die dafür erforderlichen Voraussetzungen zu besitzen, und weil er befürchtet, dass er sich ewig darüber ärgern würde, wenn er es nicht wenigstens versucht hätte. Also geht er „all in“. Er setzt alles auf diese Karte und hängt sich richtig rein.
Der Erfolg stellt sich ein: Zuerst in Amateurrennen, dann in der US-Continental Tour und schließlich in der World Tour. Dort findet Gaimon sich dann aber in einem Umfeld wieder, das ihm zwei Dinge klar macht: es gibt auch andere hervorragende Fahrer, und Radsport ist ein Teamsport. Letzteres wird für ihn zum Problem. Es ist nicht so, dass er sich nicht teamorientiert verhalten hätte. Vielmehr muss er erkennen, dass er keinen herausragenden Erfolg erringen wird, wenn das Team ihn nicht auf dem Podium sehen will. Insofern ist dieses Buch auch ein Lehrstück über die Spielchen, die hinter den Kulissen selbst in großen Radsportteams gespielt werden.
Wo wäre der Radsport, wenn es nicht den Betrug durch Doping gegeben hätte?
Besonders interessant ist es auch deshalb, weil Gaimon (Jahrgang 1986) zur jüngeren Generation der Radsportler gehört und sich vehement gegen Doping ausspricht und engagiert. Er kommt als World-Tour-Neuling genau in das Team, in dem auch Thomas Dekker nach seiner Doping-Sperre einen Neuanfang versucht. Dekker hat im vergangenen Jahr eine Doping-Beichte in Buchform (unbedingt lesen!) vorgelegt, die kaum eine Frage unbeantwortet lässt und derentwegen er auch (erfolglos) juristisch angegriffen wurde. Die beiden Bücher ergänzen sich zu einem Gesamtbild, dass nachdenklich macht: Wo wäre der Radsport, wenn es nicht den Betrug durch Doping gegeben hätte? Wäre der Radsport jetzt populärer? Gäbe es mehr Sponsoren, Medienpräsenz und letztlich auch Stellen für talentierte Newcomer? Was ist mit den Sportlern passiert, die gegen gedopte Konkurrenten verloren haben?
All diese Gedanken spielen bei Gaimon auch eine Rolle, und so gibt dieses Buch Einblicke sowohl in die sportlichen Aspekte des Teamsports „Radfahren“ als auch die persönlichen Abgründe eines Sportlers, der zur falschen Zeit auf der Höhe seiner Leistungsfähigkeit war.
Hier geht es zur Leseprobe.
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Zugtiere in Trägerhosen – Wie ich meinen Traum vom Radprofi lebte
Phil Gaimon
Broschur; 378 Seiten im Format 21 cm x 14,8 cm
Covadonga Verlag
Juli 2018