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Schutzranzen überwacht Kinder zum Wohle der Autofahrer

Es ist das alte Spielchen: es gibt ein Problem mit „Tätern“ und die Lösung wird bei den „Opfern“ gesucht. Das Projekt „Schutzranzen“, hinter dem VW steht, will Grundschulkinder mit App oder GPS-Empfänger ausstatten, damit Autofahrer gewarnt werden, wenn sie sich in der Nähe befinden. netzpolitik.org berichtet darüber, weil Google und Co. dabei wohl auch nicht leer ausgehen. Ihnen wird offenbar ein schönes Bewegungsprofil geliefert.

Ich habe mir das Werbevideo gerade angesehen und bin nicht überrascht. Es ist wie so oft mit dem Auto: Es gibt ein Problem und im Zentrum der „Lösung“ steht das unverrückbare Privileg, dass sich für das Auto erstmal nichts Entscheidendes ändern darf. Also justiert man an denen, die das Problem haben. Hier die Schulkinder. Und ich bin auch fast ein bisschen entsetzt. Erstens werden Ängste von Eltern vor dem so gefährlichen Straßenverkehr geschürt. Und zweitens wird die Nutzung eines Smartphones am Steuer (Bei 0:15 ist der Autofahrer „spät dran“ und schaut auf eben jenes.) hier schon als gegeben statt als Verkehrsdelikt hingenommen.

Der typische Versuch, etwas zu ändern, ohne wirklich etwas zu verändern.

Und auch die Begründungen auf der Homepage wirken zum Teil verrückt. „Alle 18 Minuten kam im letzten Jahr ein Schulkind im Straßenverkehr zu Schaden.“ Kein Wort darüber, dass Kinder als Insassen in einem PKW dabei am gefährdetsten sind (38,8 % der verunglückten Kinder in 2016).

„Autofahrer sind heute routiniert aber nicht konzentriert, häufig tragen sie die Verantwortung an den Unfällen mit Kindern, weil sie abgelenkt sind.“ Vielleicht sollte man das erstmal ändern, bevor man Autofahrern die nächste App auflädt und im Zweifel eine weitere Ablenkung sowie technische Ausrede liefert?!

„Schutzranzen unterstützt Autofahrer dabei, Kinder frühzeitig wahrzunehmen und hilft so Unfälle zu vermeiden.“ Autofahrer sollten meiner Meinung nach endlich technisch abgerüstet werden, damit sie sich auf das reine Fahren konzentrieren können. Dann haben sie auch Gelegenheit, Kinder und andere Verkehrsteilnehmer wahrzunehmen. Denn was passiert eigentlich mit Kindern, die die Schutzranzen-App nicht haben? Freiwild? Stehen sie dann womöglich in der Verantortwung, gerade weil sie die App nicht haben?

„Die Position der Kinder und Autofahrer wird bestimmt und verschlüsselt an die Schutzranzen Cloud übertragen.“ Ich will gar nicht drüber nachdenken, wenn die falschen Menschen an diese Daten kommen…

Wie gesagt, es ist der typische Versuch, etwas zu ändern, ohne (für das Auto) wirklich etwas zu verändern. Es gibt bessere Möglichkeiten, den Schulweg für unsere Kinder sicherer zu machen. Eine fehlertolerante Infrastruktur, die die Bedürfnisse aller Verkehrsteilnehmer berücksichtigt, wäre hier ein Weg. Aber dann müsste man ja wirklich etwas ändern…

Update
Das Projekt wurde nach großen Protesten, vor allem aus datenschutzrechtlichen Gründen, vorerst gestoppt.

Update 26. März 2019
Die App gibt es inzwischen. Allerdings wohl nur im Google Play Store. Und aufgrund der breiten Kritik auch nur in einer abgespeckten Version: Die Tracking-Funktion, mit deren Hilfe ELtern ihre Kinder hätten orten können, gibt es nicht mehr. Positionsdaten werden auch nicht gespeichert.

Bewertungen der App fallen unterschiedlich aus: Mein Kritik wird geteilt: „Eine App, die Autofahrer *verführt*, auf das Smartphone zu schauen (indem sie *auch* optische Warnungen gibt), erhöht sicherlich nicht die Sicherheit im Straßenverkehr.“ Die Voraussetzungen seien oft nicht gegeben: „Leider nicht weit genug verbreitet. Was bringt mir diese App, wenn man nicht an die Sender kommt? In der Grundschule hat man hier noch kein Smartphone.“ Es gibt aber auch zustimmende Bewertungen: „Lohnt sich diese App mal anzuschauen. Unsere ganze Familie nutzt diese schon.“

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9 Antworten auf „Schutzranzen überwacht Kinder zum Wohle der Autofahrer“

Klasse Blog-Beitrag, Daniel! Neben den von Dir erwähnten konzeptionellen Unzulänglichkeiten, gibt es aber auch noch genügend Kritik an der wenig redundanten Umsetzung der App. Was passiert z.B., wenn der Handy-Empfang gestört ist? Was, wenn das Kind sein Handy „vergisst“, weil es z.B. nicht getrackt werden möchte? Was ist, wenn sich ein Autofahrer dann zu sehr auf das System verlässt und eben nicht mehr mit der nötigen Konzentration und Vorsicht an Schulen vorbeifährt, weil ja jetzt Geofencing und GPS-Tracking ihm vermeintlich diese Arbeit abnehmen. Zusammenfassend: Eine schöne Startup-Geschäftsidee aber leider kein Beitrag, um das Verkehrsgeschehen für Kinder nachhaltig sicherer zu machen mMn. Die Verantwortung dafür liegt zum größten Teil bei den Kommunen und den Gesetzgebern in Bund und Land.

So ein schwachsinniges Konzept. Temporeduzierungen rund um Schulen und Kindergärten, zu manchen Uhrzeiten auch mal eine Vollsperrung, Parkverbote, damit die Gegend nicht gnadenlos zugeparkt ist und damit übersichtlicher wird und die Kinder frühzeitig gesehen werden können, den Eltern ihr schwachsinniges Elterntaxi abgewöhnen, mit dem sie Teil des Problems sind und ihren Kindern überhaupt keinen Gefallen erweisen, sowas ist natürlich völlig undenkbar. Von einer Verkehrspolitik, die sich endlich mal vom Auto löst und den Umweltverbund in den Mittelpunkt rückt ganz zu schweigen.
Stattdessen muss wieder eine fragwürdige technische Lösung her. Hauptsache, dem autofahren steht nichts im Weg. Lieber mit viel Aktionismus an den Symptomen fummeln statt das Problem von der Ursache her anzugehen.

Das ist ja schon ähnlich wie bei Pokemon-Go. Ein Kind ist in der Nähe, jetzt ist nur die Frage, Fährst du vorsichtig, oder schnappst du dir lieber das Kind?
Die Deppen denken einfach nur von 12 bis Mittag!
Man sollte Auto- und LKW.Fahren in der Stadt allen verbieten, die nicht unbedingt auf ein Auto angewiesen sind. Und damit meine ich keine Pseudo-Angewiesenheit, wie ich brauch doch dann länger zur Arbeit.

Dies ist einfach nur eine weitere Geschäftsidee zu sein, die durch geschürte Angs funktioniert. Genauso wie zum Beispiel Desinfektionsmittel, die der gesunde Mensch nicht braucht.

Dazu frage ich mich vor allem, wan das System zuschlägt. Schlägt es erst alarm, wenn das Kind auf die Straße springt oder 8 Meter entfernt ist, ist es zu spät. Ist der Radius zu groß, warnt das System vor jedem Kind, selbt wenn es neben der Straße im Schulgebäude, Zuhause oder im abgetrennten Garten sitzt und spielt. Bei der Anzahl an nutzlosen Alarmierungen, achtet der Autofahrer dann doch nicht mehr auf den Hinweis. Und dann warnt das System auch nur vor einigen Kindern, deren Eltern bezahlen und ein halbwegs aktuelles Smartphone haben. Mit offenen Augen und weniger Ablenkung kommt man sicherer durch den Verkehr.

Meine Güte, das ist ja erschreckend. Wie absurd. Statt 5 Minuten früher loszufahren (ohne Stress), soll man sich eine zusätzliche App aufs Handy laden?

Ich sehr auch schon die PM der Polizei vor mir:
„Das Schulkind, das ohne Schutzranzen-App unterwegs war,…“

Die (hier: die Macher) merken echt gar nix mehr.

Scheint ein aktueller ‚Megatrend‘ zu sein: einerseits politisch korrekt in Sonntagsreden der Steigerung des ‚modal-split‘ des Fuß- und Radverkehrs das Wort zu reden, aber parallel eine konsequente ‚Zurichtung‘ dieser Verkehre in Richtung ‚Kompatibilität zum wachsenden Autoverkehr‘ erwirken.

Warnwesten, Fahrradhelme, separate Radwege, High-visible Kleidung für Fußgehende, …, … da passen die verwanzten Schulranzen doch perfekt ins Bild.
Schliesslich sind unberechenbare fußgehende Kinder und fahrbahnfahrende RadfahrerInnen ernste Hürden für die ‚Verkehrswende‘ in Richtung massenhaft autonom fahrender Automobile.
Alles was nicht MIV-kompatibel ist: separieren oder ’stigmatisieren‘.

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