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Radverkehr

Wo man als Radfahrer auf der Fahrbahn fahren soll

British Cycling, der nationale britische Radsportverband, zeigt in einem kleinen Video, wo man als Radfahrer auf der Fahrbahn fahren soll. Der Verband schickt den Radfahrer demnach zwar dahin, wo es sicher ist. Aber eben auch dahin, wo es stressig wird. Natürlich werde ich als Radfahrer besser gesehen, wenn ich nicht am Rand fahre. Allerdings werde ich in der Mitte der Fahrbahn auch schnell zum (gefühlten) Hinderniss für nachfolgende Autofahrer, die nicht mehr so leicht überholen können. Die wenigsten Radler bleiben da entspannt.

Es sind gut gemeinte Tipps im Video von British Cycling, die selbstbewusste Radfahrer annehmen, mit denen man aber sicher keinen Autofahrer hinterm Lenkrad hervorlockt und zum Radfahrer macht. Kritik gibt es denn auch vom ADFC-Bundesgeschäftsführer Burkhard Stork. Auf Twitter schreibt er: „Noch hilfloser als Abstandskampagnen sind Erziehungsfilmchen. Macht deutlich, dass gar nichts im Land vorangeht.“ Recht hat er. Es wird appelliert. Geboten wird dem Radfahrer nichts…

5 Antworten auf „Wo man als Radfahrer auf der Fahrbahn fahren soll“

Sinvolles Video, aber kleiner Widerspruch zu einer Passage in Deinem Text:

Radfahrende sind keine „gefühlten“ Hindernisse.

Empirisch und in Simulation ist sicher nachgewiesen, dass bereits sehr wenige Radfahrende auf der Fahrbahn die Reisezeit des MIV signifikant verlangsamen.
Radfahrende sind also tatsächlich sehr reale und objektive ‚Hindernisse‘ fürden Autoverkehr.

Es findet dabei ein ‚push&pull‘ shift statt:
Reisezeit von Radfahrenden wird i.d.R. beschleunigt, Reisezeit des MIV wird verlangsamt.
(Anders allerdings bei hoher Verkehrsbelastung, falls dann – ohne zusätzliche separate Führung – auch Radfahrende im Stau stehen)

Aggressionsgeladenes Revierverhalten von Autofahrenden hat also durchaus einen zweckrationalen Kern mit dem Zentrum:“Wem gehört die Fahrbahn“.

Mittlerweile scheint diese Kontroverse entschieden: der Autoverkehr hat auf ganzer Linie gesiegt, Radfahrlobbys fordern selbst die Flucht auf vergleichsweise schlechte Nebenanlagen. Fahrbahnerlaubnis nur noch an Abschnitten, wo der heilige Fluss des Autoverkehrs nicht gestört werden wird (NL-Prinzip).
Aktuelle Sprachregelung dabei: „Wir wollen keine Kinder/Omas als lebende Poller in den dichten Autoverkehr zwingen“.

Die Zweiteilung ist ja längst beschlossen: das über Jahrhunderte aufgebaute Strassennetz für die Autos; auf den Restflächen wird dann ein minderwertiges zweites Netz errichtet, das sich durch Umwege, schlechte Oberflächen, Vorfahrtsentzug, enge Radien, Schmalheit usw. auszeichnet.
So wird denn das ehemals allgemeine Verkehrsnetz nach und nach zur Beschleunigung des MIV ‚autobahnisiert‘ und derRadius des Radverkehrs auf ‚Nahmobilität‘ eingehegt.
Auf diesem ‚Radverkehrsnetz‘ lässt sich in der Tat Rad-Kurzstreckenverkehr irgendwie abwickeln, da aber niemand nur auf Kurzstrecken unterwegs ist bleibt – wie praktisch für die Automobilindustrie – die Vorhaltenotwendigkeit für Autos in aller Regel (außer in den Kernen von Großstädten) vollständig bestehen.
Unter dem Motto von „more people bike more often“ entsteht dabei ein Heer von Autofahrenden die – ganz umweltbewußt – AUCH Radfahren und sich toll fühlen, wenn sie mit dem Rad das Brötchen einkaufen, während ihre gefahrenen Autodistanzen weiter ansteigen.
Mit der Methode finden dann steigender „Radverkehrsanteil“ auf der Kurzstrecke und weiter steigende Autoverkehrsleistung quasi als siamesischer Zwilling zusammen.

Davon mal ab: das Video ist inhaltlich m.E. durchaus hilfreich. Es wäre schön, wenn es sowas auch für Radwegbenutzung gäbe. Schliesslich ist die Gefahrenlage auf RVA ‚gefühlt‘ weniger vorhanden, während objektiv alle Nase lang versteckte TÜcken wirksam werden und allwöchentliche Todesopfer fordern.
Die sichere Benutzung von Separationsanlagen verlangt durchaus anti-intuitive und anspruchsvolle Skills, und es ist (im Ggs. zur Fahrbahnbenutzung) sehr oft angeraten das Tempo drastisch zu reduzieren, sowie im Zweifelsfall immer wieder anzuhalten/zu schieben.
Dies gilt insbesondere für Unerfahrene und Senioren, welche nicht in der Lage sind auf den engen holprigen Radwegen die nötigen Schulterblicke auszuführen. Durch die weitere Verbreitung von e-Fahrrädern, Lastenrädern, Hängern, etc. dürfte die Radwegbenutzung in nächster Zeit noch um einiges anspruchsvoller werden.

Da wären solche Radweg-Schulungsvideos gerade für die, die nicht ’strong and fearless‘ die Radweggefahren einschätzen und bewältigen können sehr hilfreich.
Eine solche Radweg-Gefahren-Video-Reihe würde allerdings angesichts des Zustandes unserer RVA wohl recht lang und umfangreich geraten müssen …

> Empirisch und in Simulation ist sicher nachgewiesen, dass
> bereits sehr wenige Radfahrende auf der Fahrbahn die
> Reisezeit des MIV signifikant verlangsamen.

Vom ADAC? Hast Du einen Link dazu? Die Stadt (und Autobahn) betreffend habe ich nämlich Zweifel, daß dies zutreffend ist.
Das größte Verkehrshindernis für Fußgänger, Radfahrer und Kraftverkehr in der Stadt dürfte der Kraftverkehr sein.

Der offensichtlichste Fall sind die Verkehrsstaus. Wenn tausende von Blechbüchsen an Werktagen mehrmals täglich über Stunden den Verkehr kollabieren lassen, ist das höhere Gewalt, aber ein Radfahrer auf der Fahrbahn ist ein unerträgliches Verkehrshindernis. Gerade erst vor ein paar Wochen ging die Statistik herum, wieviele Stunden bzw. Tage die Autofahrer in den einzelnen Städten jährlich im Stau verbringen.

Ein etwas weniger offensichtliches, aber nicht mindergroßes Verkehrshindernis sind Ampeln. Die Ampeln existieren nicht wegen der Fußgänger und Radfahrer, sondern weil die Kraftfahrzeuge nicht ohne auskommen. Fußgänger und Radfahrer brauchen keine Ampeln. Die 90 Sekunden jeder Rotphase darf man getrost dem Kraftverkehr zurechnen.

Ein weiteres Verkehrshindernis sind Stehzeuge. Wenn links und rechts Stehzeuge den Straßenquerschnitt in der Breite je eines Fahrstreifens blockieren und auf der Fahrbahn ein Radfahrer fährt, dann ist der Radfahrer das Verkehrshindernis?

Ein ähnliches Verkehrshindernis sind Einbahnstraßen. Diese werden häufig eingerichtet, um Platz für Stehzeuge zu schaffen und aufgrund der absurden Breite der zweispurigen Kraftfahrzeuge. Ein anderer Grund ist manchmal Verkehrslenkung, um Lärm- und Abgasbelastung des Kraftverkehrs in manchen Gebieten zu mindern. Einbahnstraßen erzwingen Umwege.

Ich habe den Verdacht, daß die Macher einer Studie, die belegen will, daß Radfahrer auf der Fahrbahn signifikant den MIV behindern, mit selektiver Blindheit geschlagen sind.

Allein die Fahrzeit betreffend werde ich wie oben dargelegt als Radfahrer in der Stadt massiv vom Kraftverkehr behindert und würde ohne die damit einhergehenden Nachteile viel schneller vorankommen. Daß es umgekehrt ist, kann ich mir bestenfalls auf vielbefahrenen Landstraßen vorstellen. Autobahnen entfallen ebenfalls mangels Radfahrern (umgekehrt nötigen Autobahnen mir als Radfarer überland viele Umwege auf).

Und was bietet Stork mir? Auf die Interessensvertreter in Ländern, in denen es noch weniger Radverkehr(sfördung) gibt als hier, verbal einzuprügeln auf Twitter ist auch nicht zielführend. Aber bei Twitter rumzuhängen mit seinen aphoristischen Weisheiten in Filterblasen ist die bequemste Art des „Engagements“ und die, die nichts verändert.

Herrn Stork kann man nun wirklich keine Untätigkeit vorwerfen. Der ADFC brüstet sich schließlich damit, an der Novelle von §45 StVO mitgewirkt zu haben. Mit dieser wird nun die Anordnung von Fahrbahnverboten für Radfahrer deutlich erleichtert. Ganz anders als irgendwelches Geblubber auf Twitter hat das durchaus handfeste praktische Auswirkungen.

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