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Radverkehr

Stadt Kassel erhält Deutschen Verkehrsplanungspreis für Friedrich-Ebert-Straße

Für die Modernisierung und Umgestaltung der Friedrich-Ebert-Straße wurde Kassel mit dem Deutschen Verkehrsplanungspreis ausgezeichnet. Der neue Boulevard in der Innenstadt sei eine „beispielhafte Verkehrslösung“ zur Stärkung und Förderung einer nachhaltigen Mobilität auf Hauptverkehrsstraßen.

Für die Modernisierung und Umgestaltung der Friedrich-Ebert-Straße wurde Kassel mit dem Deutschen Verkehrsplanungspreis ausgezeichnet. Der neue Boulevard in der Innenstadt sei eine „beispielhafte Verkehrslösung“ zur Stärkung und Förderung einer nachhaltigen Mobilität auf Hauptverkehrsstraßen. „Wer den Straßenraum intelligent für die unterschiedlichen Verkehrsarten aufteilt, gewinnt Stadtraum zurück“, erklärt Kassels Stadtbaurat Christof Nolda. „Dies hat es uns ermöglicht, die Friedrich-Ebert-Straße als attraktiven innerstädtischen Boulevard mit ihren vielen Geschäften, Gastronomie und Dienstleistungsangeboten aufzuwerten.“

Boulevard statt von Autos und Straßenbahn dominierte Verkehrsader

Die Stadt Kassel hat die Friedrich-Ebert-Straße von 2014 bis Ende November 2015 von einer ursprünglich durch Autos und Straßenbahn dominierten Verkehrsader zu einem Boulevard umgebaut. Zentrale Elemente dabei waren breitere Gehwege, geordnete Parkstreifen, separate Radfahrstreifen sowie in die Gehwege integrierte und barrierefreie Haltestellen der Straßenbahn. Mehr als 70 Bäume wurden entlang der Friedrich-Ebert-Straße gepflanzt. Ein Mittelstreifen ermöglicht es Fußgängern jetzt, die Straße sicher zu überqueren. Die Vereinigung für Stadt-, Regional- und Landschaftsplanung (SRL) erklärt anlässlich der Preisverleihung: „Der Umbau einer innerstädtischen Hauptverkehrsstraße in einem dicht besiedelten Quartier mit einer Belastung von 18.000 Kfz/Tag zu einem lebendigen Boulevard mit hoher Aufenthaltsqualität zeigt, dass es möglich ist, die autogerechte Stadt zukunftsweisend umzugestalten und Lebens- und Arbeitsraum mitten in der Stadt zurückzugewinnen.“

Jetzt will ich nicht an allem rummeckern und die Straße sieht sicher besser aus, als vieles, was wir sonst so an deutschen Einfallstraßen kennen. Aber dass die Radfahrstreifen durch die Wartezonen der Straßenbahn verlaufen und dort auch noch für ein kurzes Stück auf ein Hochbord gelegt werden (was dem Einstieg in die Bahn geschuldet ist) gefällt mir nicht. Da sind doch dann Konflikte wieder vorprogrammiert. Übrigens auch mit Autos, die auf den Parkstreifen wollen. Wenn bestehende Bäume schon kein Problem darstellten, hätte man das eventuell auch anders aufteilen können.

Nichtsdestotrotz sieht das schon besser aus als eine vierspurige „Autoschlucht“…

Bild: Stadt Kassel

Update

Via Twitter hat mich die Stadt Kassel auf ein Interview mit ihrer Radverkehrsbeauftragen aufmerksam gemacht, in dem sie den Verlauf des Radfahrstreifens erklärt:

Nach einer umfassenden Abwägung der verschiedenen Belange und aus Erfahrungen anderer Städte haben sich die Planer für diese Lösung entschieden. Beim Ein- und Aussteigen, wenn die Tram-Nutzer die Radverkehrsanlage überqueren, dürfen Radfahrer nur mit Schrittgeschwindigkeit vorbeifahren. Und auch das nur, wenn sie ein- und aussteigende Fahrgäste weder behindern noch gefährden. Ansonsten müssen sie, genau wie die hinter der Straßenbahn fahrenden Autos, warten. Auch Radfahrende können nicht damit rechnen, dass sie sich ungebremst durch die Stadt bewegen können. Wir bewegen uns „in“ der und nicht „durch“ die Stadt.

Natürlich haben wir bei der Planung auch über andere Lösungsmöglichkeiten nachgedacht. Eine Einfädelung des Radverkehrs vor der Haltestelle in die Fahrbahn ist aufgrund des Gleises und der damit verbundenen Sturzgefahr durch den ungünstigen Querungswinkel zur Schiene zu gefährlich. Auch die Führung des Radverkehrs zwischen Fahrgastunterstand und Geschäften, quasi über den Gehweg, hat ein höheres Gefährdungspotenzial. Hier entstehen nach unseren Erfahrungen größere Konflikte als bei der nun umgesetzten Variante. Denn im Gegensatz zu dem von Ihnen angeführten Beispiel Breitscheidstraße, wo es keine Geschäfte gibt und wo sich die Fußgänger im Bereich der Gehwege ausschließlich in Längsrichtung bewegen, ist der Boulevard extra so angelegt worden, damit die Fußgänger an jeder Stelle auch einfach queren können.

Das ganze Interview gibt es hier auf Seite 8.

16 Antworten auf „Stadt Kassel erhält Deutschen Verkehrsplanungspreis für Friedrich-Ebert-Straße“

Das Problem mit den Haltestellen sehe ich auch hier in Osnabrück. Es gibt Stellen, dort ist der Radfahrer zwischen Bus und Passagieren. Hier kann, meiner Meinung nach, nur helfen, wenn die Busfahrer sensibilisiert sind und z. B. nicht die Türen öffnen, wenn sie gerade einen Radfahrer überholt haben oder, wenn sie z. B. langsamer an die Haltestelle ranfahren, wenn ein Radfahrer neben ihnen ist, denn dann wird der Radfahrer von den wartenden Passagieren gesehen.

Von Osnabrück brauchen wir da gar nicht reden. Schau dir den benutzungspflichtigen Rad- und Fußweg gegenüber vom Schloss an, vorm Ledenhof. Katastrophe. Zur Bushaltestelle kommt noch das rutschige Pflaster…

Hier in Osna, und ich wette auch in anderen Städten, sollten die Busfahrer erst einmal aufhören, Radfahrer zu schneiden oder mit 20cm Abstand zu überholen.
Beispiel Möser Str. wenn man vom Bahnhof kommt. Eigentlich passiert mir das jedes Mal wenn ich dort fahre und gerade ein Bus an mir vorbei will.
Busfahrer und Taxifahrer: Es ist eher so, dass man als Radfahrer rechtzeitig in Deckung gehen muss, wenn die um die Ecke kommen. Da sind die Bushaltestellen noch das kleinere Übel.

Möser Str. ist wirklich schlimm, passiert mir da auch ständig… Einmal zwei Busse nacheinander, nur um dann wieder gemeinsam an der Bushaltestelle bzw. der Ampel zu stehen… jeden Fall bei der VOS melden mit Uhrzeit, Liniennummer und möglichst Kennzeichen!

Melden ist nicht mein Ding und hat auch keinen Sinn. Die würden auch niemals zugeben, dass ein Busfahrer einen Fehler macht.
Als ob es Zufall sein soll: Bin gerade aus der Innenstadt die Natruper Str. runter und stehe an der Kreuzung Wachsbleiche in er Mitte der Busspur bei Rot. Neben mir steht eine Radfahrerin ganz rechts und kommt bei Grün nicht so schnell in den Tritt. Der dahinter ankommende Bus will ungelogen mit 15cm Abstand noch in der Busspur an der Radfahrerin vorbei. Ich dachte, ich guck nicht richtig. Da habe ich den erstmal ausgebremst (!) und die Radfahrerin vor mich gelassen. Der Busfahrer hat gehupt wie verrückt und scheinbar überhaupt nicht mitbekommen, dass er der Radfahrerin zumindest massiv auf die Pelle gerückt ist.
Ich halte das für versuchten Totschlag.
Das ist der normale Wahnsinn. Aber das ist nur ein Teil dessen, was ich so bei einer Tour in die Innenstadt wochentags erlebe. In den anderthalb Stunden meiner kleine Nachmittagstour sah ich dutzende Falschparker auf Rad- und Busspur, wurde dreimal zu dicht überholt, zwei Autos auf den roten Haltefeldern vor der Kreuzung, zwei rückwärts fahrende LKW ohne Einweiser, einer davon in der Fußgängerzone neben einem Spielplatz, drei falsch parkende und in der Busspur fahrende Lieferanten, zwei Taxis in der Fußgängerzone parkend und Fußgänger massiv behindernd, etc. etc.
Und das noch nicht einmal im Berufsverkehr.
Das ist die tägliche und von Behörden akzeptierte Realität des urbanen Verkehrs in einer Möchtegerngroßstadt….
Es herrscht das Gesetz des Stärkeren. Wie gesagt, da hilft nur rechtzeitig in Deckung gehen, wenn man der Schwächere ist.

Natürlich werden die das niemals zugeben, aber das Unternehmen muss auch wissen, dass nicht jeder sich das einfach so gefallen lässt.

Nur 3x zu eng überholt während 1,5 Stunden? Ich werde jedes Mal, wenn ich die Gluckstraße entlang fahre von 80% der Autos zu eng überholt, das sind dann auch gerne mal 10 in nichtmal 5 Minuten…

Das Problem mit den Haltestellen ist wirklich schlimm. Es stehen durchgehend Menschen auf dem Radstreifen, ob gerade eine Bahn kommt oder nicht. Besonders ungünstig ist es aber, wenn Fahrgäste aus der Bahn aussteigen und erstmal auf den Radweg stehen bleiben oder den Radweg benutzen, um zu der nahegelegenen Fußgängerampel zu gelangen.

Mittlerweile wurden Schilder aufgestellt, dass man als Fahrradfahrer doch bitte auf die Fußgänger aufpassen soll. Das man nachträglich dieses Schild anbringen musste, ist ein Zeichen dafür, dass diese Verkehrsführung nicht funktioniert. Ich bin mittlerweile dazu übergegangen, hier auf die Fahrbahn für Autos zu fahren, das ist wesentlich ungefährlicher, wenn auch nicht regelkonform.

Ein weiteres Problem sind die vielen Glasscherben auf dem Radstreifen, denn in der Straße befinden sich viele Kneipen, deren Gäste offensichtlich gerne Gläser und Flaschen zerbrechen.

Aber abgesehen von diesen Problemen und den übliche Kampfparkern kann man hier sehr schön mit dem Rad fahren.

Warum hat man die Haltestellen nicht in den Mittelstreifen integriert? Man hätte ihn dafür ja noch etwas breiter machen können, evtl. sogar auch die Parkplätze der Autos dahin verlegen.

Die Radverkehrsbeauftragte vergisst, dass das Problem mit dieser Führung nicht beim Halt der Straßenbahn ist – da muss man langsam fahren und entsprechend aufpassen. Auch klar ist mir, dass das nicht alle Radfahrer wissen oder sich dran halten und entsprechend abbremsen, nicht viel anders als es Autofahrer tun wenn der Bus blinkt.

Die ganze restliche Zeit ist doch die gefährlichere da der Hochbordbereich vom Fußgänger als Gehsteig wahrgenommen wird und im Zweifel auf dem Radweg rumgestanden oder von der Seite draufgelaufen wird und dort die Konflikte mit dem Radverkehr kommen.

Mikael Skolville Andersen hat es kürzlich treffenderweise die Arroganz der großen Nationen genannt, das Nichtannehmen von Best-Practice-Lösungen aus dem Ausland. Schön zu sehen beim LKW-Mautsystem vor ein paar Jahren und jetzt wieder beim Thema Radverkehr. Der Blick über die Grenzen in das benachbarte Ausland scheint per Verwaltungsvorschrift verboten zu sein.

Dieses Beispiel zeigt aber auch sehr „schön“, dass man mit straßengeführten Radwegen v.a. an Hauptstraßen für viel Geld nur noch mehr Widersprüche gegen das Radfahren und Hindernisse erzeugt, als bei sauberer Trennung der drei Hauptverkehrsarten eigentlich nötig wäre (z.B. das extrem gefährliche Ausweichen über die Gleise, wenn mal wieder ein Paketdienst auf dem Radstreifen hält – keine Mutter wird ihr Kind hier gerne fahren lassen!).

In der CROW gibt es für genau die Thematik Bushaltestellen bereits eine sehr gute Lösung des Problems, die in der Praxis von den Verkehrsteilnehmern in niederländischen Innenstädten seit Jahren intuitiv bestimmungsgemäß genutzt wird. Der sowohl einfache wie geniale Trick ist, dass die Haltestellen per Bordstein (und Farbe) vom Radweg abgetrennt und gleichzeitig die Haltestelle mit Zebrastreifen in Kombination mit leichten Anrampungen des Radweges wieder mit dem Gehweg verbunden werden. Der Effekt: FußgängerInnen sehen sich vor dem Überqueren um und RadfahrerInnen verzögern vor dem Queren der Haltestelle ihre Fahrt: Win-win.

Schön zu sehen hier in einem Blobbeitrag von Mark Wagenbuur: https://bicycledutch.wordpress.com/2013/09/05/riding-around-the-bus-stop/

Das funktioniert mittlerweile auch in Österreich und den USA wo im Urban Bikeway Design Guide sog. Cut-Throughs die niederländische Best-Practice für den urbanen Bereich jüngst adaptiert haben. Nur in Deutschland muss man leider immer noch den Radweg immer wieder neu erfinden und wird zu allem Überfluss für halbgare Lösungen, dann auch noch mit Preisen bestärkt – da kann man nicht mal mehr drüber lachen, wenn man sich bewusst macht, dass solche Lösungen dreißig, vierzig Jahre Bestand haben und Vorbild für andere Verkehrsplaner sein sollen..

Naja, so ganz in den Himmel würde ich unsere holländischen Nachbarn da aber auch nicht loben. Warst du mal in Amsterdam? So toll vieles für Radfahrer dort ist (toller als in Münster oder in anderen holländischen Städten aber meiner Meinung nach nicht), die Einstiegstellen für die Straßenbahn sind so schmal, ich habe mich regelmäßig erschrocken… Mit Kinderwagen oder Rollstuhl, keine Chance…

Sieht man hier ganz gut (stell dir noch ein paar Menschen mehr und einen Rollstuhl auf der Umsteigeinsel vor): http://www.goruma.de/export/sites/www.goruma.de/Globale_Inhalte/Bilder/Content/N/Niederlande_Amsterdam_Strassenbahn_1600.jpg

Hallo Elena, Danke für die Replik und ja ich war in Amsterdam und Kopenhagen und habe mir von beiden Städten real aber auch über verschiedene Kanäle ein Bild beider Städte machen können.

Die Radwege sind an manchen Tagen und manchen zentralen Orten in Amsterdam tatsächlich absolut überfüllt, denn die Stadt kommt mit der Erweiterung nicht hinterher.

Du hast sicherlich Recht, dass die Haltestellen in Amsterdam (an manchen Orten in der Innenstadt) sehr eng sind, aber das ist nun mal so in einer Stadt mit sehr begrenzter öffentlicher Fläche und maximal effizienter Aufteilung. Nicht vergessen: Radfahrer, Fußgänger, Autofahrer und der öffentliche Nahverkehr müssen sich den Platz teilen mit einem weit verzweigten Kanalnetz.

Das spricht aber auch dafür, dass der Radverkehr sehr wohl auch in eng bebauten Städten seinen Platz finden kann und nicht wie von vielen Fahrbahnfetischisten immer wieder mantraartig vorgetragen, die deutschen Verhältnisse – paradoxerweise meistens Kriegszerstörte, neubebaute, autogerechte Innenstädte – es für bauliche Radinfra keine Fläche gäbe.

Im Übrigen unterscheiden die Niederländer zwischen sogenannten Aussteigehaltestellen und Einsteigestellen, von daher kann es nicht verwundern, dass mancher Warteraum nicht für längeren Aufenthalt vorgesehen ist. Die von Dir verlinkte Haltestelle empfinde ich nicht als besonders eng.

Ich benutze dieses Strecke ca. 3x die Woche. Wie von Lutz bereits angesprochen ist ein Problem die zerknallten Bierflaschen auf dem Radfahrstreifen von den feierenden Partygästen der angrenzenden Lokale…Da kann man aber schwer was gegen machen.
Das größte Problem ist die Blockierung durch Klein-Lkws bei Warenlieferungen für die Geschäfte in der Friedrich-Ebert-Straße…Parken in zweiter Reihe halt. Da bleibt vom wirklich geilen breiten Radweg nicht mehr viel übrig…und schon muss man auf die Straße…aber hups…da sind dann die Schienen…das sind wirklich die gefährlichsten Situationen. Einparkende Autos ist nervig…aber naja kommt muss man mit leben. Eine farbliche Hervorhebung des Radweges in Rot vor allem an den Haltestellen wäre gut. Ansonsten finde ich die Lösung über die Haltestelle gar nicht so schlecht. Eine Verlegung hinter die Haltestelle zu den Geschäften hin wäre glaube ich problematischer, da Fußgänger sich nicht immer an die Markierungen halten. Eine Verlegung der Haltestellen in die Fahrbahnmitte würde glaube ich zu einer Verlangsamung des Verkehrs sowohl für Autofahrer und auch Radfahrern führen.
Man hätte die Bäume vielleicht in die Fahrbahnmitte setzen können…aber da gibt es vielleicht Probleme mit der Oberleitung. Ich möchte aber auch nicht weniger Bäume, da sie stadtklimatisch wichtige Funktionen erfüllen.
So schlecht ist die Lösung nicht. Wenn jetzt mehr Flächen der Warenanlieferung zugesichert würden und dafür parkende Autos verschwinden, wäre es noch besser.

zugegebenermaßen findet man solche Platzverhältnisse im Straßenraum aber nicht überall. man bräuchte eher Modellbeispiele für enge Straßen und da kommt man ganz schnell zu dem Schluss, dass Autos total bescheuert sind.

Anmerken wollte ich noch, dass die Straße gar nicht so lang ist und dieses „Modellprojekt“ bereits am Bürogebäude links neben der Kirche endet (auf dem Foto gut zu sehen)…dort verschwindet der Radstreifen im nichts…auch nicht das Gelbe vom Ei

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