Osnabrück hat eine neue Spaßpartei. Anders bekomme ich das Grundsatzprogramm und den Wahlkampf-Flyer einfach nicht zusammen. Die Demokratische Mitte Deutschlands (DMD) will bei der Kommunalwahl im September ihre Premiere feiern.
Auf der einen Seite stellen sie im Grundsatzprogramm fest, dass der Autoverkehr „eine ökologisch äußerst nachteilige und klimabelastende Form der Mobilität“ darstellt, „die Haushaltsbudgets beträchtlich“ belastet, „volkswirtschaftlich in weiten Bereichen ineffizient“ ist und „bestimmte, große Bevölkerungsgruppen“ ausschließt. Daher strebt die DMD den „Umstieg vom Individualverkehr auf einen am maximalen Fahrgastnutzen orientierten und effizient organisierten öffentlichen Verkehr an“.
Auf der anderen Seite wollen sie aber laut Wahlkampf-Flyer alle großen Straßenbauprojekte durchziehen, die Osnabrück momentan zu bieten hat und die für den motorisierten Individualverkehr (MIV) gedacht sind: der Neumarkt soll für den MIV offen bleiben (was dem öffentlichen Verkehr übrigens nicht gut täte), die Entlastungsstraße West soll gebaut werden und der Lückenschluss A33-Nord soll „mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln“ unterstützt werden. Letzteres um den LKW-Verkehr aus der Stadt auszuschließen (was im Übrigen nicht gelingen wird, da die meisten LKW zu Speditionen mit Sitz in Osnabrück gehören).
Wer also zukunftsfähigen Stadtverkehr oder auch nur halbwegs durchdachte Politik will, sollte besser nicht die DMD wählen…
Update 30. Juni
Jetzt weiß ich, warum ich Grundsatzprogramm und Flyer nicht zusammenbekomme. Mindestens den Teil zur Mobilität hat die DMD per copy/paste von den österreichischen GRÜNEN übernommen, die das 2001 auf ihrem Bundeskongress in Linz beschlossen hatten (Seite 31 des pdf und hier unten). Und die sind bestimmt keine Straßenbaupartei…
Aus dem Grundsatzprogramm der DMD oder auch der österreichischen GRÜNEN:
Mobilität und Raumentwicklung
Mobilität kann Lust sein, wird aber heute vielen durch die zunehmende Länge der Wege zur Last. Bewegungsfreiheit und die Möglichkeit zum Erreichen anderer Orte und zur Überwindung von Raum trägt einerseits zur Lebensqualität bei. Andererseits wird diese Freiheit durch Zwang zur Mobilität, Mangel an umwelt- und sozialverträglichen Transportmitteln und die Bewegung aller eingeschränkt bis zum faktischen Stillstand.
In der Raumentwicklung, in Siedlungsstrukturen und der Planung des öffentlichen Raumes erfordern Nachhaltigkeit und Bedachtnahme auf Lebensqualität gleichermaßen eine “Politik der kurzen Wege”. Dadurch sollen Lebensumwelten so strukturiert werden, dass möglichst kurze Wegstrecken zurückzulegen sind, um die alltäglichen Lebensbedürfnisse zu befriedigen. Eine Trendwende: statt für Wege etwa zum Arbeitsplatz, in die Schule, zum Einkaufen, etc. immer längere Distanzen überbrücken zu müssen, rücken die Einrichtungen des täglichen Lebens wieder in die Nähe. Eine stärkere funktionale Durchmischung von Siedlungsgebieten wäre ebenso die Folge wie die Abkehr von immer größeren, an einem Ort konzentrierten Versorgungseinrichtungen. Eine Siedlungs- und Strukturentwicklung, die auf möglichst geringe Verkehrs- und Transportstrecken abstellt, ist gleichzeitig ein wichtiger Anreiz gegen die fortschreitende Zersiedelung der Landschaft und Verhüttelung durch ausufernde Ortsränder und zerfließende Stadtgrenzen.
Ein hoher Anteil der heute notwendigen Mobilität entfällt – häufig mangels vertretbarer Alternative – auf den individuellen Autoverkehr. Dieser stellt eine ökologisch äußerst nachteilige und klimabelastende Form der Mobilität dar, er belastet meist die Haushaltsbudgets beträchtlich, ist volkswirtschaftlich in weiten Bereichen ineffizient und schließt bestimmte, große Bevölkerungsgruppen aus. Jenes gute Drittel der Bevölkerung, das nicht automobil ist, besteht vor allem aus älteren Menschen, Jugendlichen und Frauen, die durch individualverkehrslastige Politik in ihrer Beweglichkeit stark eingeschränkt sind.
Grüne Politik verfolgt demgegenüber das Ziel, den Zwang zur Mobilität zu reduzieren und gleichzeitig das Recht und die Möglichkeit auf Mobilität durch ein attraktives öffentliches Verkehrssystem zu sichern. Kostenwahrheit im Verkehr ist zu Gunsten des öffentlichen Verkehrs nötig. Angestrebt wird eine konsequente Attraktivierung des öffentlichen Verkehrs und sein flächendeckender Ausbau. Mit einem solchen anreizorientierten Programm streben wir den Umstieg vom Individualverkehr auf einen am maximalen Fahrgastnutzen orientierten und effizient organisierten öffentlichen Verkehr an.