Am Donnerstag (9. Juli) ist die Critical Mass im kleinen Flecken Harsefeld angekommen (ca. 12.500 Einwohner) – und damit in der bisher kleinsten Stadt meiner deutschlandweiten Liste. Und da Harsefeld in meiner alten Heimat liegt und meine Schwester dort wohnt, bin ich natürlich besonders neugierig.

Bei einer Onlinesuche bin ich über einen Flyer auf der Homepage des Ortsvereins von Bündnis 90/Die Grünen gestolpert, habe dort einfach mal angerufen und mit Ralf Poppe gesprochen. Er war bei der Premiere der Critical Mass Harsefeld dabei.

 

Moin Ralf, erzähl doch mal: Wie war es Donnerstagabend? Wie viele Teilnehmer hattet ihr?

Die Aktion ist bei den Teilnehmern toll angekommen. Hat Spaß gemacht, die Straße mal so ganz für sich zu haben. Wir waren 28 Radlerinnen und Radler.

Wie waren die Reaktionen der Harsefelderinnen und Harsefelder?

Die anderen Harsefelder schauten ein wenig irritiert. Eine so große Gruppe Freizeitradler und dazu noch auf der Straße hatten sie noch nicht in Harsefeld gesehen. Die Autofahrer waren überwiegend geduldig. Natürlich gab es welche, die – koste es, was es wolle – überholen mussten. Eine Autofahrerin schaffte es nicht vor dem Gegenverkehr an uns vorbei zu kommen, musste auf der Gegenfahrbahn vor einem entgegenkommenden Pkw stoppen, uns Radler vorbeiziehen lassen und sich dann wieder hinter uns einordnen. Von Gefährdungen habe ich nichts mitbekommen.

Das Fahrrad ist in Harsefeld hauptsächlich ein Verkehrsmittel für die Freizeit. Leider. Hoffen wir, dass die Critical Mass Verbesserungen bewirkt.

Wie es bei einer Critical Mass so ist, gibt es ja keinen Veranstalter. Aber irgendjemand muss die Idee ja ins Leben gerufen haben. Warum gibt es deiner Meinung nach in Harsefeld jetzt eine Critical Mass?

Nach umfangreichen Baumaßnahmen im Ortszentrum trat die erhoffte Verkehrsberuhigung nicht ein. Auch die allermeisten Radler änderten ihr Verhalten nicht und fahren nach wie vor auf den Gehwegen anstatt auf der Straße. So gelangten Radverkehrsthemen auf die Agenda von Gemeinderat und Verwaltung. Die Grünen fordern ein Gesamtkonzept für den ganzen Ort anstelle punktueller Lösungen und veranstalteten einen Radverkehrs-Workshop. Da demnächst Entscheidungen über die Radverkehrsführung anstehen, schlug einer der Teilnehmer vor, die Öffentlichkeit durch „Critical Mass“ zu mobilisieren und so Einfluss zu nehmen. Kurz danach kursierte der Termin – 9. Juli, 19 Uhr, mit Startort. Ohne zu wissen, von wem dieser Termin letztendlich kam, griff ich das auf, erstellte ein Flugblatt, verteilte es und informierte die Presse, die dankenswerter Weise auch berichtete. Ich denke, es gibt jetzt Critical Mass in Harsefeld, weil die Harsefelderinnen und Harsefelder ein Gesamtkonzept anstatt Stückwerk in der Radverkehrsführung wünschen. Das wollen sie der Kommunalpolitik und der Verwaltung klar machen.

Welchen Stellenwert hat das Fahrrad denn bei euch in Harsefeld? Verkehrsmittel für den Alltag oder für die Freizeit?

Bei uns wird zu viel Auto gefahren. Obwohl es nur noch auf zwei Straßen eine Radwegbenutzungspflicht gibt, fahren viele Radfahrer aus Gewohnheit und teilweise aus Angst auf den Gehwegen. Meine Nachbarin radelt nie in den Ort, weil Sie Angst hat, unter die Räder zu kommen. Sie fährt ausschließlich im Grünen auf Wirtschafts- oder Waldwegen. Unter den Alltagsradlern ärgern sich viele über schlechte Radwege und teilweise unsinnig erscheinende Radverkehrsregelungen. Das Fahrrad ist in Harsefeld deshalb hauptsächlich ein Verkehrsmittel für die Freizeit. Leider. Hoffen wir, dass die Critical Mass Verbesserungen bewirkt.

Hört sich an, als müsste da wirklich noch etwas passieren. Ich wünsche euch dann für den August schon mal viel Erfolg. Danke für das kurze Interview!

Und hier noch ein paar Eindrücke von der #CMJuli in Harsefeld. Die Fotos sind von Thomas Tremmel.

Critical Mass Harsefeld (1)

Critical Mass Harsefeld (5)