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Radverkehr

Tempo 30 ermöglichen!

Tempo 30Bei der Ankündigung von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt, Tempo 30 unkomplizierter anordnen zu können, sieht der gemeine deutsche Autofahrer wieder spontan seine Freiheit in Gefahr. Dabei geht es gar nicht darum, von heute auf morgen Tempo-30-Zonen aus unseren Städten zu machen. (Was im Übrigen gar nicht so schlimm wäre.) Der Vorschlag von Dobrindt soll Städte und Kommunen überhaupt erst in die Lage versetzen, Tempo 30 auf sensible Bereiche (vor Schulen, Kindergärten und Altenheimen) ausweiten zu können.

Jan Heidtmann kommentiert es in der Süddeutschen Zeitung sehr passend:

Bislang unterliegt die Regelung einer geradezu perversen Logik: Eine Tempo-30-Zone darf erst ausgewiesen werden, wenn der Bereich als Unfallschwerpunkt gilt.

Wie absurd! Die Straße vor einer Schule, die gemeinhin ein höheres Unfallrisiko birgt, muss erst zu einem Unfallschwerpunkt werden, bevor die Unfallursache bekämpft werden kann. Wieso sollte man hier nicht präventiv eingreifen dürfen?

Eine entsprechende Gesetzesänderung, die bereits 2014 von den Verkehrsministern der Länder Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern gefordert wurde, würde hier Abhilfe schaffen.

Darüber hinaus sollte es Städten und Kommunen generell überlassen sein, wo Tempo 30 anzuordnen ist. Eine niedrigere Geschwindigkeit entschärft nämlich nicht nur Unfallschwerpunkte, sondern macht den gesamten städtischen Verkehr sicherer. Insofern sollten Städte und Kommunen über „ihre“ Geschwindigkeit selber entscheiden können.

Eine Regelgeschwindigkeit von 30 km/h Innerorts lehnt der Deutsche Städte- und Gemeindebund übrigens mit der Begründung ab, „das wäre eine unnötige Gängelung der Bürgerinnen und Bürger“. Warum eigentlich? Warum ist 30 eine Gängelung, 50 aber nicht? Wo stehen diese in Stein gemeißelten Gesetze zum Thema Verkehr? Auch in Sachen Geschwindigkeit kann und sollte man immer wieder neu denken.

4 Antworten auf „Tempo 30 ermöglichen!“

…ach hör doch auf mit Deiner ewigen Vernunft! Wo leben wir denn? Was zählt sind die Exportzahlen, Wachstum, Bling Bling, Trends, Emotionen, und Freiheit (für Autofahrer natürlich). Fortschritt kostet nun mal Natur und ein paar plattgefahrene Figuren (v.a. Radfahrer und Fußgänger — selbst schuld). Außerdem kann man sich Wald doch viel realistischer auf einem Breitbandbildschirm anschauen. Und das Gejammer von Opferfamilien kennen wir zur Genüge aus dem täglichen Krimi.
Du mit Deiner wutbürgerischen Meckerei machst doch nur das locker-leichte Lebensgefühl des Bürgers 3.0 kaputt. Hast Du den schon vor mindestens 20 Jahren eingesetzten normativen Paridigmshift nicht mitbekommen?
Freiheit heißt v.a. Sorgenfreiheit (und/oder Merkbefreitheit) merk Dir das endlich, Du verkehrspolitisches Tempomat! Hast Du nicht mitbekommen, dass unsere Gesellschaft inzwischen in der Lage ist, ganze Gebirge an Verdrängungsprozessen zu bewältigen? Alles ist prima!
Wir leben im 21. Jahrhundert, es geht voran!

Mann, Mann, wach auf.

der Atze

PS zur Eigenverwendung:

Puh, zum Glück war das ironisch gemeint! :)

Tempo 30 finde ich Klasse. Nützt aber nichts, wenn es nicht kontrolliert wird. Vor einigen Monaten hatte ich das „Vergnügen“ mit einem Taxi durch Hamburg zu fahren (Schienenersatzverkehr).
Durch die Tempo 30 Zone vor einer Schule (was, wie ich hier gelernt habe, erst durch einen Unfallschwerpunkt eingeführt wurde) heizte der gute Mann mit schlappen 70 durch.

Eine Anfrage beim zuständigen PK und dem HVV (Hamburger Verkehrsverbund) vom 13.1. mit Bitte um Stellungnahme blieb bis heute unbeantwortet.

ja, ich hatte auch mal so ein Erlebnis: Eine Mutti mit Kind, wie sich später herausstellte, raste mit einem Affenzahn an der Schule meiner Tochter vorbei, bügelte mich dabei fast um und brachte dann Ihre Tochter (!) in den nahegelegenen Kindergarten. Ich habe die Tante dann zusammengefaltet, das es nur so seine Art hat.
Aber was nützt es? Es ist ein ewiger Kampf gegen Windmühlen. Die Ironie da oben hat auch einen ernsten Hintergrund. Mit Vernunft hat das auch gar nichts mehr zu tun. Es herrscht das Gesetz des Stärkeren, was ja bei unserem Wirtschaftssystem und der einhergehenden Ökonomisierung des Alltags kein Wunder ist.
Das ist ganz klar ein Nullsummenspiel, wobei die Stärkeren immer gewinnen und die schwächeren immer bezahlen. Kannste ganz einfach auf Radfahrer, Ausländer, Behinderte, etc. übertragen.

Wenn man ein bisschen Ursachenforschung betreibt, kommt man immer auf die gleichen Mechanismen: Eine Industrie verdient sich dumm und dämlich an einem bestimmten Produkt, und wird den Teufel tun, das aufzugeben. Im Gegenteil: Zu Erhalt und Pflege des Profits wird alles getan inclusive Leute verblöden und Manipulieren (Werbung), Politiker bestechen, Konkurrenten aus dem Weg räumen. Die gehen im wörtlichen Sinne über Leichen.
Das ganze kannst Du auf die Autoindustrie anwenden, aber auch Pharma, Energie, Rüstung, Transport, Massentierhaltung, Software (M$), etc., etc., etc.

Das schlimme ist nur, dass die Kosten (für die Schwächeren) immer höher werden bis zum Exitus – und der passiert weltweit. Da kann man nicht mehr umsiedeln, oder?
jm2c

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