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Radverkehr

[Gastbeitrag] Pilotprojekt in Karlsruhe verbietet das Überholen von Radfahrern

Das neue Verkehrszeichen 276.1 am Beginn einer Tempo 30-Zone. © TG/ML
Das neue Verkehrszeichen 276.1 am Beginn einer Tempo 30-Zone. © TG/ML
Ein Gastbeitrag von Thomas Gentner und Matthias Lehr

Der Status als aufstrebende Fahrradstadt mag ausschlaggebend dafür gewesen sein, dass Karlsruhe für diesen ersten Feldversuch zur Einführung eines neuen Verkehrsschildes ausgewählt wurde. Das neue Zeichen mit der Nummer 276.1 verbietet das Überholen von Radfahrern durch Kraftfahrzeuge.

Entwicklung und Test des neuen Verkehrszeichens sind eine Reaktion auf eine Häufung von entsprechenden Beschwerden von Radlern und auch Berichte der Polizei über riskante Überholmanöver durch Autos, bei denen der Mindestabstand von 1,5 m teilweise dramatisch unterschritten wird und die damit zu einer erheblichen Gefährdung der Radfahrer führen. Selbst wenn auf dem Rad sichtbar Kinder mitgeführt werden oder Kinder selbst auf dem Rad unterwegs sind, sind die Überholabstände nicht größer, obwohl hier nach der Rechtsprechung sogar mindestens 2 m Abstand eingehalten werden müssen.

Blick in die Ostendstraße Richtung Ludwig-Erhard-Allee - eine gute Wahl, da hier durch parkende Autos die Fahrbahn schon sehr eng ist. © TG/ML
Blick in die Ostendstraße Richtung Ludwig-Erhard-Allee – eine gute Wahl, da hier durch parkende Autos die Fahrbahn schon sehr eng ist. © TG/ML

Bei durchgeführten Kontrollen, bei denen die Autofahrer angehalten und belehrt wurden, konnte festgestellt werden, dass in den meisten Fällen gar kein Bewusstsein für die notwendigen Sicherheitsabstände vorhanden war. Die betroffenen Radfahrer gaben fast durchgehend an, dass sie die Überholsituation als sehr bedrohlich empfunden haben.

Nun soll in dem Versuch mit der Aufstellung des neuen Verkehrszeichens festgestellt werden, ob sich erreichen lässt, dass diese gefährlichen Situationen deutlich reduziert werden können. Der Einsatz soll zunächst ausschließlich in Tempo 30 Bereichen erfolgen und dort schwerpunktmäßig bei einspurigen Verkehrsführungen. Ein weiterer Anwendungsfall sind Fahrbahnverengungen, vor denen Autofahrer gerne noch schnell überholen. Hierbei kommt es häufig zu der Situation, dass der Radler abbremsen oder gefährlich nah an parkende Autos oder den Bordstein fahren muss, um eine Kollision zu vermeiden.

Hier in der Georg-Friedrich-Straße müsste das Schild eigentlich schon ca. 20 m vorher aufgestellt werden, um knappe Überholmanöver im Bereich der Verengung der Fahrbahn zu unterbinden. © TG/ML
Hier in der Georg-Friedrich-Straße müsste das Schild eigentlich schon ca. 20 m vorher aufgestellt werden, um knappe Überholmanöver im Bereich der Verengung der Fahrbahn zu unterbinden. © TG/ML

Weitere Schwerpunkte sind im Bereich von Schulen vorgesehen, um speziell die Kinder auf dem Schulweg besser zu schützen. Grundsätzlich handelt es sich damit um Bereiche, in denen ein regelkonformes Überholen per se nicht möglich ist. Dennoch gehören gefährliche Überholmanöver hier zur täglichen Realität.

Als Radler darf man übrigens weiterhin andere Radfahrer überholen. Das Bußgeld für Autofahrer bei einem Verstoß beträgt mindestens 70 Euro. Das kann sich aber sehr schnell erhöhen, weil hier in den meisten Fällen noch zu geringer seitlicher Abstand und eine Gefährdung mit ins Spiel kommen. Da können es auch schnell 250 oder gar 300 Euro werden und als Draufgabe noch 2 Punkte in Flensburg.

Die erste Versuchsphase ist für ein Jahr angesetzt. In dieser Zeit soll mit weiteren intensiven Kontrollen die Einhaltung des Überholverbots überprüft und in Gesprächen mit Radlern die Auswirkung auf den erzielten Sicherheitsgewinn nachverfolgt werden. Bei positiven Resultaten ist auch die Einrichtung von Überholverbotszonen, ähnlich Tempo 30-Zonen, denkbar.

Die Stadt Karlsruhe, die sich für diese Versuchsphase beim Bundesverkehrsministerium beworben hatte, hofft, damit mehr tatsächliche und auch gefühlte Sicherheit für die Radler zu schaffen. Das könnte dem inzwischen erreichten Radverkehrsanteil in der Stadt einen weiteren Schub geben.

Thomas Gentner und Matthias Lehr leben beide in Karlsruhe und engagieren sich dort für eine bessere Förderung des Radverkehrs. Thomas Gentner ist Ingenieur und schreibt den Fahrradblog KA-Radler. Matthias Lehr ist Kommunikationsdesigner und hat u.a. das Logo für die Critical Mass in Karlsruhe entworfen.

Update

Wir lösen auf: leider handelt es sich bei diesem Pilotprojekt nur um einen Aprilscherz. Aber die Reaktionen, allein die Retweets bei Twitter, haben gezeigt, dass zu geringer Überholabstand ein echtes Problem ist. Das muss sich ändern. Wenn nicht durch ein Schild, dann vielleicht durch Empathie der Autofahrer. Mehr dazu gibt es von mir übrigens im neuen Transform Magazin. Und zum Überholabstand findet ihr hier hier noch was.

6 Antworten auf „[Gastbeitrag] Pilotprojekt in Karlsruhe verbietet das Überholen von Radfahrern“

Sehr gut!
Ich würde mir wünschen, dass dieses Überholverbot auch in Fahrradstraßen gelten würde.
Hier in Hamburg in der Fakefahrradstraße „Harvestehuder Weg“ (Dank CDU-Protest auch allgemein für PKW und Motorräder freigegeben) wird regelmäßig zu eng und zu schnell überholt.
Die meisten Kampfkraftfahrer sehen auch auf der Fahrradstraße einen Fahrradfahrer als „Provokation“ an.
Aber ein neues Verbotsschild ist nur soviel Wert wie es der Kontrolldruck hergibt. Und für Hamburg heißt das leider nicht Gutes. Man hat hier das Gefühl, dass die Hamburger Polizei den Kampf gegen diese Windmühlen bereits aufgegeben hat. Beispielsweise wird oft ein systematisch und regelwidriges Falschparken von der Hamburger Polizei geduldet oder im Nachhinein durch entsprechende Verkehrszeichen legalisiert (s. hamburgize.com).

>Aber ein neues Verbotsschild ist nur soviel Wert wie es der Kontrolldruck hergibt.

Genau das ist das Problem. So ein Schild macht es höchstens einfacher den Verstoß nachzuweisen, weil man keinen Abstand mehr messen muss. Aber wenn keiner zum kontrollieren da ist, ist es letztlich auch egal.

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