Neighborhood in motionOne neighborhood – one month – no cars. Das ist der spannende Untertitel von Neighborhood in Motion. Und er fasst das Experiment, das 2013 in der südkoreanischen Stadt Suwon, im Stadtteil Haenggung-dong durchgeführt wurde, auch treffend zusammen.

Die Idee war, einem Stadtquartier den Weg in eine autofreie Zukunft der Mobilität aufzuzeigen. Da Autos aber auch in Südkorea ein großes Statussymbol sind und man den Gebrauch in einer ganzen Nachbarschaft nicht einfach verbieten kann, wurde dieses Experiment als einmonatiges Festival aufgezogen – mit intensiver Einbindung der Bevölkerung. Und so waren die 4.300 Bewohner bereit, ihre 1.500 Autos aus dem Gebiet zu verbannen und einen Monat lang einen ökomobilen Lebensstil zu führen.

Der Verlauf war überraschend: Die Bewohner sahen den Nutzen nicht allein in veränderten Mobilitätsgewohnheiten mit positiven Umwelteffekten, sondern vor allem in der Wiederentdeckung der Nachbarschaft, dem Wiederaufleben sozialer Kontakte – zunächst angestoßen durch kontroverse Debatten um den autofreien Monat, sodann ermöglicht durch den von Autos befreiten öffentlichen Raum.

Beteiligt an dem Experiment war auch der deutsche Stadtplaner Konrad Otto-Zimmermann, der wie viele andere Mitwirkende im Buch zu Wort kommt. Und so dient Neighborhood in Motion fast als Anleitung zum Nachmachen. Die einzelnen Schritte von der Idee über die Planung bis zur Realisierung des Projekts werden genau nachgezeichnet. Und die Erfahrungen sind mehr als wertvoll. Das Bewusstsein der Bevölkerung von Haenggung-dong wurde nachhaltig beeinflusst, die Veränderungen im Quartiersklima möchten die Menschen nicht mehr missen.

Neighborhood in Motion dokumentiert ein mutiges Experiment, das dringend Nachahmer braucht. Denn, so Otto-Zimmermann: „Meine Geduld ist ob der Dringlichkeit, mit der wir uns vom derzeitigen Muster autobasierter städtischer Mobilität abkehren müssen, aber geschrumpft. Wenn wir Bilder von autofreiem Stadtverkehr und ökomobilem Lebensstil in existierenden Städten der Welt produzieren wollen, können wir nicht das Entstehen von Modellstädten abwarten. Wir müssen mit kurzzeitigen Inszenierungen arbeiten, in einer echten Stadt, mit echten Bürgern und in Echtzeit.“

Ein Stadtquartier, ein Monat, autofrei. Wie ein städtisches Experiment Stadtraum, Denkart und Lebensstil veränderte.

Nur so kann es gehen. Man muss einer Stadtbevölkerung für einen bestimmten Zeitraum zeigen, dass es auch anders, dass es besser geht. Auf diese positiven Veränderungen wird sie dann nur ungern wieder verzichten wollen. Dieses Experiment und das Buch dazu machen das. Sie zeigen, wie man eine Stadt erneuern kann, sodass sie wieder ihren Bewohnern dient und nicht ausnahmslos dem Verkehr und dem Konsum. Viele „Vorher-Nachher-Fotos“ zeigen, was möglich ist. Auf einmal sieht man wieder Menschen auf den Straßen, wo vorher nur Autos zu finden waren – fahrende und stehende.

Wir brauchen definitiv mehr Neigborhoods in Motion. Wir brauchen ganze Städte in Bewegung!

Bilder: Jovis Verlag

Neighborhood in Motion – Stadtquartier in Bewegung
Konrad Otto-Zimmermann / Yeonhee Park (Hg.)
112 Seiten mit 250 Abbildungen
Deutsch/Englisch
Jovis Verlag
Januar 2015
Leseprobe