Ein Gastbeitrag von Ralf Enger und Marco Gergele
Carsharing ist eine Art dezentrale, kurzfristige Autovermietung. Also Auto, und damit genau das Verkehrsmittel, welches am meisten die Städte verstopft und verpestet. Das Verkehrsmittel, dessen Nutzung der ganze Umweltverbund reduzieren will.
Was soll ein Carsharing-Artikel auf dem Blog, der sich hauptsächlich mit Fahrrädern und Radverkehr beschäftigt?
Klassisches, stationsbasiertes Carsharing zählt zum Umweltverbund, und das hat gute Gründe, auch wenn das Bewusstsein dafür in den letzten Jahren leider in den Hintergrund geraten ist.
In Kurzfassung sind die Hauptvorteile des klassischen Carsharings:
- Es spart viel Platz (Parkplatz);
- Es ermöglicht oder erleichtert die Abschaffung eines eigenen Privatautos, wenn dieses nur wenig genutzt wird;
- Es reduziert im Durchschnitt die Autonutzung seiner Kundinnen und Kunden.
Zuerst zur Platzersparnis: typischerweise ersetzt ein Carsharing-Auto 9 bis 20 Privatautos. Fahrzeuge im stationsbasierten Carsharing brauchen eine Auslastung zwischen 30% und 60%, um rentabel zu sein. Privatautos haben lediglich eine Auslastung von 3% – 6%. Nutzerinnen des Carsharings sind normalerweise Wenigfahrer. Das bedeutet, dass 20 Carsharing-Autos in einem Stadtviertel ca. 180 – 300 (wenig genutzte) Privatautos ersetzen.
Zum zweiten Punkt: natürlich gibt es viele Stadtbewohner, die wunderbar ohne Auto und ohne Carsharing auskommen, und noch viel mehr, die ein Auto besitzen, aber es eigentlich nicht oft brauchen. Das Problem sind die Gewohnheiten und ein Bedürfnis nach Flexibilität. Wer ein Auto hat, kann sich schwer vorstellen, alle Nutzungen auf einen Schlag zu ersetzen. Wocheneinkauf, Fahrt ins Grüne, Elterntaxi. Je verbreiteter jedoch Carsharing in einer Stadt ist, umso näher sind die Stationen am eigenen Wohnort. Man kann das eigene Auto abschaffen und trotzdem bei Bedarf auf Autos zurückgreifen, im stationsbasierten Carsharing sogar auf ein Auto der gerade passenden Größe, meist vom Kleinstwagen bis zum Transporter. Und auch der Parkplatz ist inklusive. Viele Menschen schaffen es erst durch diese Verfügbarkeit, sich ein Leben ohne eigenes Auto vorzustellen.
Und drittens gibt es die Verlagerung auf andere Verkehrsmittel: Die Autonutzung pro Person nimmt ab. Bei geringer Nutzung ist Carsharing für die Kundinnen günstiger als ein Privatauto. Trotzdem zahlt man beim Carsharing die fairen Kosten jeder einzelnen Fahrt. Beim Privatauto fallen hohe Fixkosten an: Anschaffung/Werteverfall, Reparaturen, Versicherungen, Steuern. Diese Kosten “muss” man ohnehin zahlen, wie das Eintrittsgeld bei einer Flatrate-Party. Dafür ist beim Privatauto die einzelne Fahrt sehr billig, da man nur den Treibstoff zusätzlich zahlt. Das Eintrittsgeld lohnt sich umso mehr, je mehr man dann fährt. Gegen diese niedrigen Kosten pro Nutzung kommen aber andere Verkehrsmittel (bis auf das Fahrrad) nicht an, dadurch erscheint das Auto viel günstiger, als es wirklich ist. Diese vermeintlich deutlichen Kostenvorteile hört man immer wieder, wenn man Autobesitzern die ÖPNV-Nutzung empfiehlt.
Beim Carsharing zahlt man geringe Fixkosten, dafür sieht die einzelne Fahrt teuer aus. Man behält die freie Wahl, kann jederzeit das Auto nutzen, aber die Alternativen werden durch die fairen Preise attraktiver. Das führt bei vielen Kundinnen zu einer langsamen Verlagerung der Mobilität weg vom Auto, ganz ohne Verbote und Vorschriften.
Dieser Effekt ist auch altbekannt, die Zahlen der Carsharing-Organisationen belegen, dass gerade in den ersten Jahren im Durchschnitt eine deutliche Abnahme der Autonutzung erfolgt.
Was sind nun die Vorteile des Carsharings für diejenigen, die ohne eigenes Auto auskommen? Warum sollten die Radfahrerinnen, die Busbenutzer, die Fußgängerinnen auch fürs Carsharing eintreten?
Das Privatauto ist für die Städte eigentlich nur in zwei Fällen problematisch: wenn es steht und wenn es fährt. 😉
Wenn das Auto steht, nimmt es Platz weg. Wo reguläre Parkplätze beschildert sind, verhindern sie alle anderen Arten der Raumnutzung. Zusätzlich blockieren und beschädigen Falschparker Rad- und Fußwege, Kreuzungen, Bereiche mit abgesenkter Bordkante. Oft wird die Verkehrssicherheit für das Einrichten von ein paar Parkplätzen geopfert, ohne dass die “Parknot” wirklich nachlässt.
Wenn man es schafft, nur die am wenigsten genutzten 10% der Privatwagen durch Carsharing zu ersetzen, reduziert man den viel zitierten “Parkdruck” deutlich und kann einen Bestand erreichen, bei dem jedes Auto rechtskonform geparkt werden kann und wo man die Parkplätze zurückbauen kann, die am meisten den Verkehr behindern und gefährden. Carsharing ist die Ausstiegsdroge für das Privatauto. Der Umweltverbund hat vier Säulen: ÖPNV, Fußverkehr, Radverkehr und Carsharing.
Was ist mit: “Carsharing verursacht Verkehr”?
Es gibt außer dem klassischen Angebot der lokalen Carsharing-Organisationen auch das Massen-Carsharing, vor allem von Car2Go und DriveNow. Dieses funktioniert ohne Stationen im Free-Floating, hat minutengenaue Tarife und wird vor allem für sehr kurze Fahrten benutzt. Es gibt nur einen Fahrzeugtyp und eine relativ große Anzahl an Fahrzeugen steht in einem Gebiet verteilt.
Untersuchungen haben gezeigt, dass diese Form des Carsharings vor allem ÖPNV und Fußwege ersetzt, Privatwagen werden dafür nicht abgeschafft. Die Anzahl der Fahrzeuge und der Nutzungen steigt dadurch zunächst. Vermutlich ist diese Form des Carsharings ein Grund, warum das Konzept oft nicht mehr im Umweltverbund gedacht und genannt wird.
Diesen kurzfristigen negativen Effekten steht aber langfristig ein anderer Trend gegenüber: die Verfügbarkeit von Free-Floating-Fahrzeugen erleichtert es, sich ohne das eigene Auto in der Stadt zu bewegen. Die Möglichkeit, sich bei Bedarf spontan ein Auto nehmen zu können, spricht Menschen an, die sich vorher nicht für das Carsharing interessiert haben oder auf den ÖPNV vertraut hätten. In den Städten, wo stationsbasiertes und Massen-Carsharing in Konkurrenz treten, sind die anfangs befürchteten Einbrüche bei den lokalen Carsharing- Organisationen ausgeblieben. Die neuen, vom flexiblen Carsharing angesprochenen Kundinnen kommen teilweise zusätzlich zum klassischen Carsharing. Auch das flexible Carsharing ist ein Baustein, um sich von der gefühlten Abhängigkeit vom eigenen Auto loszulösen.
Viele lokale Carsharing-Organisationen bieten mittlerweile Free-Floating an, um auch diesen Bedarf nach flexibler Nutzung abzudecken und erreichen damit neue Kundengruppen.
Möglichkeiten der Städte
Seit Juli 2017 gibt es ein Carsharing-Gesetz. Die zugehörigen Rechtsverordnungen der Bundesländer fehlen leider noch. Dieses Gesetz ermöglicht den Kommunen, Parkplätze extra für Carsharing-Autos auszuweisen. Bei guter Zusammenarbeit mit den lokalen Anbietern bietet das eine effektive Möglichkeit, die beiden negativen Aspekte des Autoverkehrs zu reduzieren, ohne die Wahlfreiheit einzuschränken. Ein eingerichteter und ausgewiesener Carsharing-Parkplatz spart Parkplätze ein und reduziert den Autoverkehr in der Stadt. Je mehr Carsharing-Autos in der Stadt bereit stehen, umso attraktiver wird es für die Kunden und umso leichter fällt weiteren Kundinnen der Umstieg. Wenn man nur die am wenigsten genutzten 10 % der Fahrzeuge schrittweise durch Carsharing ersetzt, kann man die ca. 82.000 PKW in Osnabrück um über 8.000 Fahrzeuge reduzieren. Das sind allein fast 100.000 m² Stellplatzfläche. Der Mangel an bezahlbaren festen Stellplätzen ist für viele Carsharing-Organisationen eine Wachstumsbremse.
Aber auch für die Auseinandersetzungen mit den Verteidigern der autogerechten Stadt ist Carsharing ein wichtiges Instrument gegen die typischen Argumente: “Aber ich muss doch jede Woche den Großeinkauf machen!”. Kein Problem. “Einmal im Monat zur Schwiegermutter auf dem Land, da fährt nichts hin!”. Kein Problem. “Das Teenager-Kind gelegentlich bringen oder abholen!”. Ebenfalls kein Problem.
Die psychologische Hürde zur Abschaffung des eigenen Autos ist hoch, Carsharing verringert sie.
Und wenn es nur der Zweitwagen ist, der nicht angeschafft werden muss – auch dieser braucht seinen Platz.
Fazit: Der Umweltverbund gehört zusammen!
Eine Verkehrswende hin zu lebenswerteren Städten mit weniger Autos, besserer Luft und mehr Platz wird nur gelingen, wenn die Säulen des Umweltverbundes zusammenhalten.
Trotz der Konflikte zwischen Fußgängern und Radfahrern, trotz problematischer Straßenbahnschienen oder Bushaltestellen, trotz Carsharing-Autos auf Radwegen: die bisherige deutliche Übermacht der Privatautos kann nur zurückgedrängt werden, wenn alle alternativen Angebote stark sind. Die Carsharing-Kunden sind vor allem Radfahrerinnen, Fußgänger, Buskunden. Ein starkes Carsharing stärkt die Verkehrswende und nützt damit auch denen, die gar kein Auto mehr brauchen.
Bilder: Bundesverband CarSharing e.V. (bcs)
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Ralf Enger, 51, ist zweiter Vorsitzender im Verein Stattverkehr eV, seit kurzem Angestellter und Prokurist bei der stadtteilauto GmbH, der gemeinsamen Carsharing GmbH von Stadtwerke Osnabrück und Stattverkehr e.V. Er nutzt seit 13 Jahre Carsharing, fährt aber in Osnabrück fast ausschließlich mit dem Fahrrad.
Marco Gergele ist Hallenser, Radfahrer und seit Anfang 2017 unter anderem mit der Mängelmeldeseite Halle-Verkehrt.de und mit Anträgen an die Stadtverwaltung gegen die oft autozentrierte und fahrradfeindliche Verkehrspolitik der Stadt Halle engagiert. Carsharing sieht er seit den 1990ern als wichtiges Instrument, um dem ständig zunehmenden Autoverkehr etwas entgegenzusetzen. Seit 2002 ist er beruflich im Carsharing-Umfeld tätig.
10 Antworten auf „Carsharing – Umweltverbund oder Feindbild?“
Um auf die Kosten einzugehen: Bei einer jährlichen Fahrleistung von 10 000 km sind 2/3 aller Kosten Fixkosten, ob man jetzt fährt oder nicht. Nur das letzte Drittel ist Nutzungsabhängig. Viele Stadtbewohner, die nicht jeden Morgen elend weit zur Arbeit pendeln, legen jährlich nur solche oder auch deutlich kürzere Strecken mit dem Auto zurück. Hinzu kommt die ganze Arbeit, die der Besitz eines Autos macht: regelmäßig Luftdruck, Öl- und andere Flüssigkeiten überprüfen, einmal im Jahr die Karre in die Werkstatt geben, zweimal jährlich Reifen wechseln. Kann man sich alles mit einem ausgeliehenen Auto sparen.
Mancher Autobesitzer hat sich irgendwann mal ein Auto angeschafft, und seither kennen die keine anderen Verkehrsmittel mehr. Zudem wurden die allermeisten Autos nach den falschen Kriterien ausgesucht (und ich rede jetzt nicht einmal von den völlig bescheuerten auf Hochglanz polierten Stadtpanzern). Da heißt es, ich will im Sommer mit Kind und Kegel ans Meer fahren, und daraufhin wird ein Auto angeschafft, mit dem das möglich ist. Was im Umkehrschluss bedeutet, das die im Alltag mit einer völlig überdimensionierten Karre unterwegs sind. Wenn jemand weiss, er zieht in drei Jahren um, dann kauft man sich deswegen doch heute auch keinen Transporter, sondern leiht sich denn aus, wenn es mit dem Umzug konkret wird. Warum ist es so schwierig, beim Kauf eines Autos das Ding nach 95% der Nutzung auszusuchen, und für die restlichen 5% organisiert man sich im Bedarfsfall was passendes? Würde zudem eine Menge Geld sparen ;-)
Durch die beiden Varianten des Car-Sharings, Free-floating und Stationsbasiert, kann zunächst einmal ein Umdenken einsetzen, und daraufhin auch ein anderes Verhalten. Damit ist es im Idealfall möglich, eine zunehmende Flexibilität an die Leute ranzukriegen, das eben nicht alles mit ein- und demselben Auto gemacht wird, sondern je nachdem, was gerade ansteht, mal das eine, mal das andere Auto, oder auch mal ganz andere Verkehrsmittel genutzt werden.
Es gibt zugegebenermassen Schwachköpfe, die sagen, ich warte jetzt nicht 3 Minuten auf den Bus, den da drüben steht ein freies Car-Sharing-Auto, ich fahr lieber damit heim. Auch wenn so ein Verhalten reichlich bescheuert ist, Car-sharing kann dennoch eine Möglichkeit sein, die Leute so nach und nach zu einer flexibleren Verkehrsmittelnutzung zu bewegen, und längerfristig werden dann hoffentlich auch solche Dummheiten weniger werden.
Sehr guter und treffender Artikel.
Wir selbst haben seit vielen Jahren unser Privatauto abgeschafft und sind beim Stat-K angemeldet. Für stationäres Carsharing und mobiles (Flow-K). Nutzten wir zu Anfangs tatsächlich öfters mal das Flow-K ist jetzt so gut wie nie und das Stat-K ist für dringende Sachen goldrichtig (Arztbesuche, weitere Verwandte besuchen, Kindertaxi wenn unumgänglich). Alles andere erledigt die gesamte Familie mit dem Rad: Grosseinkäufe mit dem Lastenrad, Pendelfahrten zur Arbeit – auch quer durch die Stadt, Schulweg, Freizeit etc pp.
Der tägliche Ärger über die Konfrontationen mit anderen Verkehrsteilnehmern (Auto, Radler und Fussgänger) ist teil unseres Alltags geworden. Oft nervenaufreibend aber manches mal auch sehr unterhaltend.
Insgesamt hatten wir gehofft, das wir mit unserem Beispiel andere anstecken und überzeugen könnten. Doch leider weit gefehlt: die Bequemlichkeit auch modern denkender Menschen in unserer Nachbarschaft ist größer als der Wille etwas zu ändern. Da wird lieber darüber referiert, wie umweltschädlich Palmöl ist und wie man es vermeiden kann (nachdem man die Ersatzprodukte mit dem Auto eingekauft hat). Schade. Wir zumindest geben unseren Lebensstil ohne Auto nicht auf.
Ab 15.000 km im Jahr fährt man mit einer BahnCard 100 immer günstiger! Jeder Polo ist teurer, wenn man alle Kosten einbezieht. BahnCard 100 gilt auch im Nahverkehr in allen größeren Städten! Für den Rest kann man mit dem Rad fahren!
„Das führt bei vielen Kundinnen zu einer langsamen Verlagerung der Mobilität weg vom Auto“ und „Carsharing ist die Ausstiegsdroge für das Privatauto.“
Das ist die Hoffnung, es gibt persönliche Erfahrungsberichte in diese Richtung und es klingt ja auch total nett. Ich habe aber bisher keine überzeugenden Zahlen gesehen, die das in nennenswertem Umfang bestätigen. Tatsächlich deutet einiges auf das hin, was ja auch im Artikel genannt wird: „Untersuchungen haben gezeigt, dass diese Form des Carsharings vor allem ÖPNV und Fußwege ersetzt, Privatwagen werden dafür nicht abgeschafft. Die Anzahl der Fahrzeuge und der Nutzungen steigt dadurch zunächst.“
Solange dem Autoverkehr in unseren Städten der rote Teppich ausgerollt wird, man das Auto noch nicht einmal aus besonders sensiblen Bereichen aussperrt, auf Hauptstraßen Tempo 60 statt 30 gefahren wird und fast überall kostenlos direkt vor dem Ziel geparkt werden kann (mit Carsharing sogar noch öfter), gleichzeitig der ÖPNV Mängel hat und die Bedingungen für den Radverkehr so unattraktiv sind, dass er für die Mehrheit der Menschen keine Option ist, habe ich eine ganz andere Befürchtung. Nämlich, dass Carsharing ein niedrigschwelliges Angebot ist, mit dem bisher Rad- oder ÖPNV-affine Menschen (z. B. ehemalige Studierende mit intensiver Semesterticketnutzung) die Erfahrung machen können, dass Autofahren in unseren heutigen Städten eine Lösung ist, die ziemlich gut funktioniert (weil sie einseitig auf Kosten aller übrigen Verkehrsteilnehmer bevorzugt wird).
Und schon ist Carsharing die Einstiegsdroge ins Privatauto. Denn die Kilometerkosten beim Carsharing sind hoch, und wer wirklich mal nachrechnet, sieht schnell, dass die Fixkosten beim Privatauto lächerlich sind, wenn man es darauf anlegt. Ich habe hier so ein kaum genutztes Ding rumstehen. Wertverlust bei dem alten Ding 0 €/Jahr, Parken in einem innenstadtnahen Bereich, in dem Platz wirklich wertvoll ist, 0 €/Jahr, Versicherung 80 € im Jahr, das ist ne Pizza im Monat. Steuer ähnlich. Alle 24 Monate HU 90 €, macht 1 x Pizzabrötchen im Monat. Reparaturkosten sind, da ich Markenwerkstätten meide und nicht sage „machen Sie mal“, sondern das in Auftrag gebe, was lt. Handbuch nötig ist, niedriger als die Ersatzteilkosten fürs Fahrrad.
Als Argument ist Carsharing nützlich, wenn wieder einmal Verbesserungen für Fußgänger und Radfahrer mit dem Parkplatzargument verhindert werden sollen. In Städten, die sehr deutlich machen, dass sie Autos nur in sehr begrenztem Umfang dulden, kann Carsharing auch tatsächlich nützlich sein für die gelegentliche Fahrt aufs Land oder den größeren Lastentransport. Aber in unseren heutigen Städten befürchte ich, dass die Wirkung als Einstiegsdroge die Wirkung als Ausstiegsdroge überwiegt. Um das wirklich beurteilen zu können, fehlen aber noch belastbare Zahlen.
Die Nutzung der meisten Kunden geht im stationsbasierten Carsharing mit der Dauer der Mitgliedschaft deutlich zurück. Ich hoffe, dass der BCS dazu freigegebene Zahlen liefern kann.
Die Fixkosten des Privatautos sind normalerweise höher (Reparaturen), und natürlich ist es wichtig, dass die freigewordenen Parkplätze nicht einfach durch zusätzliche Privatautos ersetzt werden.
Der Widerstand gegen den Rückbau von Parkplätzen, die den Verkehr behindern, ist aber aus meiner Sicht nur in Kombination mit einem gutem Carsharing-Netz zu reduzieren.
Interssanter Artikel, aber ich sehe da gleich mehrere Probleme in der Argumentation.
1. Die Problematik der selbstfahrenden autonomen Autos wird komplett ausgeklammert.
Auch wenn es noch etwas hin ist bis Stufe4 oder Stufe5 erreicht sein wird, das automome Fahren wird gerade im Sharing Markt disruptiv in die bestehenden Strukturen einbrechen und das Kundenpotential (vom Kind bis zum Alkoholiker) erheblich erweitern.
Vermutlich muss vor Stufe5 zwar abgewartet werden bis die autonomen cars vor dem lästig unberechenbaren Radverkehr vollständig ‚protected‘ separiert sind, aber das Separationsprojekt macht ja schnelle Fortschritte (gerade auch im Trump-Google-Intel-Land)
http://radzeit.de/oefter-schoener-weiter-die-kehrseite-des-autopilots/
(definitiv lesenswert!)
Ebenfalls interessant dazu: Vortrag von M.Randelhoff auf ADFC-Symposium 2017 (You-tube) zu den schlechten Erkennungsraten der autonomen Autos in Bezug auf Rad Mischverkehr.
Die Kosten für die einzelne Fahrt können dabei – im Ggs. zur Aussage im Artikel – voraussichtlich erheblich gesenkt werden. Verkehrsaktivisten aus dem Umfeld des Radentscheids erhoffen (!) bereits eine Preisreduktion auf 5ct pro Carsharing Kilometer.
Das ist WEIT unterhalb der Kosten des ÖPNV und durchaus konkurrenzfähig zu den Kosten des Radfahrens.
Wohlgemerkt nicht als Dystopie, sondern als erhoffter Baustein einer ‚Verkehrswende‘ was immer dann noch damit gemeit sein mag.
Das kommt – man lese und staune – nicht aus den Think-Tanks der Automobilindustrie oder IT-Konzerne, sondern tatsächlich vom neuen „ADFC Mobilitätsreferenten“. Wow!
Quelle:
http://radzeit.de/die-minibar-als-schluessel-zur-verkehrswende/
In Konsequenz lässt sich durchaus prognostizieren, dass das Verhältnis von geringen Fixkosten und hohen Fahrtkosten des Sharings bald Geschichte sein wird
2. Parkplätze.
Seien wir doch froh (aus klimapolitischer Sicht), dass Parkraum von jenen Autos blockiert wird, die kaum benutzt werden und einfach als Stehzeug die Städte zumüllen.
Die Alternative ist ja – leider – nicht, dass die eingesparten Parkplätze magischerweise leer bleiben, sondern sie werden selbstverständlich wieder gefüllt, dann aber mit Autos, die eine höhere Verkehrsleistung produzieren.
Oder glaubt jemand ernsthaft, dass die im ersten und zweiten Bild markierten Stellplätze leer bleiben oder mit Sitzbänken/Beeten etc. gefüllt werden?
Was ist uns lieber? 100 Autoparkplätze mit je 5000 KM Jahresfahrleistung oder 100 Autoparkplätze mit je 10.000 KM Jahresfahrleistung?
Nicht unwahrscheinlich, dass das vom Regen in die Traufe führt.
3. Stationsbasiert vs. free-float
„… erreichen neue Kundengruppen“
Da ist die Widersprüchlichkeit ja lustigerweise direkt im Artikel enthalten. In dem Maße, in dem Sharing marktkonform aufgestellt wird, entwickelt sich die Dynamik der Gewinnmaximierung durch Wachstum.
Der Autor schreibt ja selbst, dass stationsbasierte Dienstleister das free-floating für sich zu entdecken beginnen.
Tritt dies verstärkt ein, so drohen ‚gute‘ ökologisch wirkende Sharing Dienstleister (z.B. Stadtteilauto in Münster) abzudriften in stinknormales automobiles Business?
Carsharing wird bis auf weiteres wohl ein zweischneidiges Schwert bleiben. Einerseits tatsächlich Bestandteil des Umweltverbundes, andererseits Bestandteil des Automobilen Paradigmas „ohne Auto geht es nicht“.
Mit Entwicklung von autonomen Autos neigt sich die Waage evtl. verstärkt in Richtung steigender Automobilisierung mit immer strikter separierten Verkehrsräumen für die einzelnen Verkehrsarten und wachsender Verkehrsleistung des neuen ’smarten‘ Automobilismus.
Hoffen wir mal, dass die Visionen des ‚ADFC Mobilitätsreferenten‘ Tim Lehmann mit extremer Ausweitung des autonomen Autofahrens zum Spottpreis von 5ct pro KM nicht Wirklichkeit werden.
> 2. Parkplätze.
> Seien wir doch froh (aus klimapolitischer Sicht), dass Parkraum von jenen Autos blockiert wird, die kaum benutzt werden und einfach als Stehzeug die Städte zumüllen.
> Die Alternative ist ja – leider – nicht, dass die eingesparten Parkplätze magischerweise leer bleiben, sondern sie werden selbstverständlich wieder gefüllt, dann aber mit Autos, die eine höhere Verkehrsleistung produzieren.
Ich habe an die Stellen gedacht, wo legale und illegale Parkplätze den Verkehr schon massiv behindern, und dort muss die Stärkung des Carsharings natürlich Hand in Hand gehen mit einer Abschaffung von diesen Parkplätzen und mit der strengeren Verfolgung der Falschparker.
Meine Situation hier in Halle ist, dass es Stadtviertel gibt, wo wirklich gar kein legales Parken (auch bezahlt) in Reichweite verfügbar ist. Die kostenpflichtigen Parkplätze haben lange Wartelisten. Die nächsten freien Plätze oder Garagen sind weit weg. Weder den Falschparkern noch den Stadtverwaltern, die bestimmte Parkplätze anordnen, kann ich vernünftige Alternativen nennen. So ähnlich wird ja auch die Situation in Stuttgart geschildert, wo die Autos zu Weihnachten verpackt wurden, aber keine Alternative zum korrekten Parken in Sicht ist. In der Gruppe dort war Carsharing gar nicht mehr als mögliches ökologisches Instrument bekannt.
Offenbar ist Carsharing wirklich ein zweischneidiges Schwert, es kommt drauf an, zu welchem Ziel es betrieben wird. Eine Reduktion des Autoverkehrs durch Carsharing ist kein Selbstlauf, aber ohne Carsharing stelle ich es mir noch viel schwerer vor.
Für einen Erklärungsansatz lässt sich möglicherweise der Begriff vom „Paradigmenwechsel“ ins Spiel bringen?
Innerhalb des automobilen Paradigmas besteht da natürlich ‚Parkplatznot‘ oder ‚Parkdruck‘, als zu lösendes Problem.
Ausserhalb des automobilen Paradigmas, mit Blick auf die ökologischen Notwendigkeiten, sieht das anders aus.
Wohnviertel vertragen – je nach Struktur – nur bestimmte endliche (!)Mengen an Automobilen.
Wenn die Kiste voll ist muss sozusagen der Deckel drauf.
Im einen Paradigma muss der Parkplatzbedarf berücksichtigt werden, im andern muss stattdessen der automobile Überhang beseitigt werden.
Es wird zur Regel werden müssen, dass „es Stadtviertel gibt, wo wirklich gar kein legales Parken (auch bezahlt) in Reichweite verfügbar ist.“
Da gilt es dann die jeweiligen Mobiitätsgewohnheiten den Verhältnissen an der Quelle und dem Ziel der Wegstrecken anzupassen.
Das unausgesprochene Versprechen unserer Städte undVorstädte auf die Möglichkeit automobilier Mobilität ist doch glatter Irrsinn.
Lemminge !
Eine Winzigkeit: Meines Wissens sind die fehlenden Durchführungsverordnungen zum Carsharing-Gesetz (Bundesebene) auch auf Bundesebene aufzusetzen (und werden dort wohl auch bearbeitet). Ob anschließend die Bundesländer feststellen werden, dass sie auch auf ihrer Ebene Gesetze und Durchführungsbestimmungen ändern bzw. auf den Weg bringen müssen, ist noch offen… Sehr ärgerliche Situation, weil die Anwendung des Gesetzes vorerst völlig gelähmt ist.
Es gibt aber Städte, wo das einfach gemacht wird. Hängt sicher auch vom Charakter der Verwaltung ab, und normalerweise ist die Kernaufgabe von Verwaltungen, keinen Fehler zu machen, also auch nicht unbedingt zu experimentieren.