Die Änderung der Straßenverkehrs-Ordnung und die damit verbundene Anhebung der Bußgelder hat zu heftigen Reaktionen von Autofahrern geführt, denen es offenbar schwerfällt, sich an die geltenden Verkehrsregeln zu halten. Ich hatte schon über den Autoclub Mobil in Deutschland e.V. geschrieben, der in der StVO-Novelle eine „Führerschein-Vernichtungsmaschine“ erkannt haben will. Präsident und CSU-Politiker Michael Haberland war so entzürnt, dass er sogar eine Petition gestartet hat, die die Rücknahme der Änderungen fordert. Inzwischen geben über 100.000 Unterzeichner mit ihrer Unterschrift praktisch zu, dass sie sich nicht an Geschwindigkeitsbegrenzungen halten.

Die Petition wurde am 1. Mai an die Mitglieder des Verkehrsausschusses des Deutschen Bundestages mit Bitte um Stellungnahme geschickt. Die ersten Rückmeldungen von Abgeordneten gibt es bereits und ich möchte hier die besten veröffentlichen:

Mathias Stein (SPD)

„Die Änderungen der STVO wurden vom Bundesverkehrsministerium vorgeschlagen und vom Bundesrat ergänzt und beschlossen. Der Bundestag hat keine Gesetzgebungskompetenz in diesem Bereich. Meine Einschätzung der Reform erläutere ich Ihnen dennoch gern.

Als Berichterstatter für Fahrradpolitik der SPD-Bundestagsfraktion ist meine Überzeugung: Damit Radfahren nicht nur sicherer, sondern auch attraktiver wird, müssen aus Städten für Autos Städte für alle werden. Das gilt für den öffentlichen Raum, der neu aufgeteilt werden muss, weil nicht nur der Radverkehr, sondern auch die Zahl der verschiedenen Verkehrsmittel auf Radwegen zunimmt. Und das gilt selbstverständlich auch für die Rechte im Straßenverkehr. In der Straßenverkehrsordnung muss klargestellt werden, dass alle Verkehrsteilnehmer*innen gleichberechtigt sind.

Schneller zu fahren als erlaubt, ist kein Kavaliersdelikt.

Mit der Novelle der Straßenverkehrsordnung, die seit dem 28. April in Kraft ist, gehen wir die richtigen ersten Schritte auf dem Weg zu diesem Ziel. Schneller zu fahren als erlaubt, ist kein Kavaliersdelikt, sondern bringt vor allem Radfahrer*innen und Fußgänger*innen in tödliche Gefahr. Wer sich an die Verkehrsregeln hält, hat weder einen Punkt in Flensburg noch einen Führerscheinentzug zu befürchten.“

Stefan Gelbhaar (Bündnis 90/Die Grünen)

„Jährlich sterben über 3000 Menschen im Straßenverkehr – zuvorderst durch den Autoverkehr – und das allein in Deutschland. Dazu kommen zigtausende Schwerverletzte. Das ist nicht hinnehmbar. Das Ziel muss sein, Verkehrstote vollständig zu vermeiden. Hierfür bedarf es weiterer Nachbesserungen in der Straßenverkehrsordnung und im Straßenverkehrsgesetz. Die Novellierung der StVO stand seit langem an. Die Bußgelder in Deutschland stechen im europäischen Vergleich keineswegs hervor, bewegen sich nun allenfalls im Mittelfeld.

Ein Auto ist aufgrund seiner Größe, seines Gewichts und seiner Kraft gefährlich, wenn es nicht mit äußerster Vorsicht und Rücksicht geführt wird. Durch einen Fehler oder eine Unachtsamkeit können durch die Nutzung des Autos Menschen schwer verletzt oder getötet werden. Aus gutem Grund darf nur ein Auto führen, wer durch die Führerscheinprüfung bewiesen hat, dass die Straßenverkehrsordnung verstanden und diese Verantwortung anerkannt wurde. Jede Person am Steuer eines KfZ trägt enorme Verantwortung für sich und ihre Mitmenschen.

Straßenverkehrsregeln, allen voran Geschwindigkeitsbegrenzungen, sind keine grobe Richtlinie. Bei Geschwindigkeitsbegrenzungen handelt es sich um die maximal zulässige Geschwindigkeit, die bei idealen Straßen-, Sicht- und Verkehrsverhältnissen gefahren werden darf. Man darf und muss langsamer fahren, wenn die volle Übersicht über das Verkehrsgeschehen nicht gegeben ist. Geschwindigkeitsbegrenzungen sollen das Leben aller Verkehrsteilnehmenden schützen. Ein Unterschied von 20 km/h innerorts kann der entscheidende Unterschied sein zwischen einem großen Schreck und einem getöteten Menschen.

Straßenverkehrsregeln, allen voran Geschwindigkeitsbegrenzungen, sind keine grobe Richtlinie. Wenn die zulässige Maximalgeschwindigkeit um 21 km/h überschritten wird, ist klar, dass die in dieser Situation nötige Verantwortung gegenüber allen anderen Menschen im Straßenverkehr nicht wahrgenommen worden ist.

Es handelt sich bei dem von Ihnen kritisierten Punkt nicht um eine Geringfügigkeit. Wenn die zulässige Maximalgeschwindigkeit um 21 km/h überschritten wird, ist klar, dass die in dieser Situation nötige Verantwortung gegenüber allen anderen Menschen im Straßenverkehr nicht wahrgenommen worden ist. Die Schwere eines Autounfalls bestimmt sich neben der Masse der Fahrzeuge gerade auch durch die Geschwindigkeit. Die Fahrzeuge sind in den letzten Jahrzehnten im Durchschnitt auch noch deutlich schwerer geworden. Der in der Petition verwendete Begriff Solidarität sollte daher doch wohl zuallererst Rücksicht meinen: Rücksicht in Bezug auf andere, besonders auf ungeschützte Verkehrsteilnehmer|innen wie zu Fuß Gehende und Radfahrende. Rücksicht nimmt und solidarisch handelt, wer umsichtig und entsprechend der Verkehrsregeln fährt.“

Es stehen noch viele weitere Rückmeldungen aus, aber schon diese beiden erklären hervorragend, warum die Änderung der Straßenverkehrs-Ordnung dringend notwendig und richtig war. Ich bin gespannt, ob und wie die Abgeordneten von der CSU auf die Petition ihres Parteikollegen aus München reagieren werden.