Er hat den Volksentscheid Fahrrad in Berlin mitgegründet, das Radgesetz mit geschrieben und mit Initiativen, Senat und den Regierungsfraktionen das Mobilitätsgesetz mit auf den Weg gebracht. Jetzt hat Heinrich Strößenreuther auch noch ein Buch über all das geschrieben: Der Berlin-Standard. Moderne Radverkehrspolitik Made in Germany – Ein Bildband über Deutschlands erstes Mobilitätsgesetz.

Ich kann mich noch gut erinnern, wie damals das Telefon klingelte, Heinrich ganz aufgeregt von der Idee des Volksentscheides erzählte, weil sich endlich mal was bewegen muss, und wir dann über den besten Twitter-Namen für die Initiative gegrübelt haben. Dass am Ende ein Gesetz, eine deutschlandweite Radentscheid-Bewegung und ein Buch dabei rauskommen würden, hätten wir wohl beide nicht gedacht.

Umso schöner, dass man jetzt auf 140 Seiten nachlesen kann, welche Bedeutung der Radverkehr haben kann und wie man einen „politischen Tsunami“ entfacht und was dann dabei herauskomt. In diesem Fall eben der Berlin-Standard. Und der besteht aus einer Vielzahl von Details. Mit eindrucksvollen Bildern und knackigen Texten erläutert er Bürgermeistern und Politikerinnen, Rad-Engagierten und Mobilitäts-Interessierten, mit welchen rhetorischen Kniffen, Strategien und Maßnahmen der Radverkehr gefördert werden kann. Ob Wohlfühl-Radwege in Spurbreite K, Willkommenskultur für Umsteigerinnen oder Kindertauglichkeit in der Stadt – das Warum jeder Maßnahme wird erklärt. Die entsprechenden Paragraphen werden zitiert und anhand von Daumenregeln die einfache und schnelle Umsetzung der 25 Maßnahmen erläutert.

Das Buch zeigt „Angriffsstellen“ für Bürgerinnen und Bürger, die so schnell zu Aktivistinnen und Aktivisten werden (können). Problem mit Falschparkern? Dann kann man erst mal Polizei und Ordnungsamt auf den Wecker gehen – gerne auch öffentlichkeitswirksam mit verschiedenen Aktionen. Die nächsten Schritte gibt der Berlin-Standard vor: die Kommune muss geschützte Radwege anlegen, damit Falschparker keine Chance mehr haben. „In Fahrradstraßen sind Lieferzonen einzurichten, um Zweite-Reihe-Parken zu unterbinden.“

Mit dem Radentscheid haben die Berliner Aktivisten etwas losgetreten. Das Fahrrad hat mit Höchstgeschwindigkeit das politische Parkett erobert. Übernehmen Städte nun Verantwortung in Sachen Radverkehr?

Radwege zu schmal? Die Antwort heißt „Spurbreite K“. Die ist 3.000 mm breit, so breit wie eine KFZ-Spur. Was Autofahrern gegönnt wird, sollte Radfahrerinnen nicht vorenthalten werden. „Denn auch die wollen nebeneinander fahren und sich entspannt unterhalten. Sie wollen überholen können, auch wenn eine etwas schlenkert oder zwei nebeneinander plaudern.“

Und so geht es weiter im Buch – von Fahrradstraßen über Abstellmöglichkeiten bis hin zur Grünen Welle. Der Radverkehr wird hier aus vielen verschiedenen Blickwinkeln betrachtet und Handlungsempfehlungen sind sowohl für Radfahrer als auch für Verkehrsplaner dabei. Wenn insbesondere letztere sich die Lektüre zu Herzen nehmen, können unsere Städte bald ganz anders aussehen. Strößenreuther zeigt, dass die vielbeschworene Verkehrswende längst mit Augenmaß und handwerklichem Können umgesetzt werden kann. Ein Bildband mit 140 Seiten, der als Handbuch in jedes Rathaus, Fraktions- oder Aktivistenzimmer gehört.

Der Berlin-Standard
Heinrich Strößenreuther
140 Seiten (farbig, bebildert), Hardcover
Thiemo Graf Verlag 2019

Foto oben: Thiemo Graf Verlag