Der Job des Fahrradkuriers ist in den vergangenen Jahren immer härter geworden. Das liegt neben der Situation auf unseren Straßen auch an den Arbeitsbedingungen. Viele Vermittler in der Branche zahlen niedrige Löhne und verlangen darüber hinaus noch, dass die Kuriere ihr Arbeitsgerät selber bezahlen. Dazu hat der Linken-Bundestagsabgeordnete Matthias W. Birkwald die Bundesregierung befragt:

Liegt nach Auffassung der Bundesregierung ein Verstoß gegen das Mindestlohngesetz auch dann vor, wenn ein Bruttostundenlohn gezahlt wird, der mit 9 Euro nur geringfügig oberhalb des gesetzlichen Mindestlohnes liegt, zugleich aber von den Arbeitnehmern Aufwendungen für die Bereitstellung und Unterhaltung eigener Arbeitsmittel wie zum Beispiel Smartphone und Fahrrad erwartet werden, deren Kosten die Differenz zum gesetzlichen Mindestlohn übersteigen, und welche Intensität der Sicherheitskontrollen der eingesetzten Arbeitsmittel hält die Bundesregierung für erforderlich, um die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers zu gewährleisten?

Die Antwort der Parlamentarischen Staatssekretärin Kerstin Griese (SPD):

„Werden vom Arbeitgeber Aufwendungen – etwa für die Beschaffung von notwendigen Arbeitsmitteln durch den Arbeitnehmer – nicht ersetzt, stellt dies für sich genommen keinen Verstoß gegen das Mindestlohngesetz dar. Der Arbeitnehmer kann aber in diesem Fall grundsätzlich entsprechend der Maßgaben der §§ 670, 675 des Bürgerlichen Gesetzbuchs einen Anspruch auf Erstattung der von ihm getätigten Aufwendungen haben. Im Streitfalle kann dieser Anspruch vor dem zuständigen Arbeitsgericht geltend gemacht werden. Hingegen läge ein Mindestlohnverstoß dann vor, wenn der vom Arbeitgeber an den Arbeitnehmer geleistete Aufwendungsersatz auf den Mindestlohnanspruch des Arbeitnehmers angerechnet und insoweit verringert würde. Eine Anrechnung des geleisteten Aufwendungsersatzes auf den Mindestlohnanspruch ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts unzulässig.

Gemäß § 5 Absatz 4 der Betriebssicherheitsverordnung hat der Arbeitgeber dafür zu sorgen, dass Beschäftigte nur die Arbeitsmittel verwenden, die er ihnen zur Verfügung gestellt hat oder deren Verwendung er ihnen ausdrücklich gestattet hat. Der Arbeitgeber trägt daher auch dann die Verantwortung für den Arbeitsschutz, wenn die Beschäftigten Arbeitsmittel selbst mitbringen.

Der Arbeitgeber hat die Verwendung dieser Arbeitsmittel in die Gefährdungsbeurteilung nach § 3 Absatz 1 der Betriebssicherheitsverordnung einzubeziehen und die daraus notwendigen und geeigneten Schutzmaßnahmen abzuleiten. Dies bedeutet zum Beispiel, im vorliegenden Fall sicherzustellen, dass ein Fahrrad und seine Bestandteile entsprechende Sicherheitsstandards erfüllen und nach §§ 63a f. Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung verkehrssicher sind.“



Dazu teilt Birkwald auf Nachfrage mit: „In der Plattformökonomie darf es kein neues Tagelöhnertum geben! Die Bundesregierung sagt ganz klar: Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch steht allen Riders die Erstattung der Kosten für Smartphones, Reparaturen, Arbeitskleidung etc. zu. Das schließt ein: Diese Kostenerstattung darf nicht davon abhängig gemacht werden, ob vom Arbeitgeber willkürlich und wenig realistisch gesetzte Leistungsvorgaben erreicht werden oder nicht. Bei der aktuellen Durchsetzung dieser Ansprüche lässt die Bundesregierung die Fahrer*innen aber im Regen stehen: Denn sie müssten einzeln vor dem Arbeitsgericht ihre Ansprüche einklagen. Und wie viele befristet Beschäftigte werden das wirklich tun, wenn sie auf einen neuen Vertrag angewiesen sind?“

Mehr Infos zur Situation von Fahrradkurieren und dem Riders Day Germany, der Dienstag in Köln stattfand und den auch Bundesarbeitsminister Hubertus Heil beuscht hat, gibt es auf der Facebook-Seite „Liefern am Limit“.