Der Berliner Senat hat seine selbstgesetzte Frist verstreichen lassen und seine Kostenschätzung für den Volksentscheid Fahrrad nicht rechtzeitig vor Pfingsten erledigt. Deshalb können die Ehrenamtlichen am Pfingstwochenende nicht mit der Unterschriftensammlung beginnen. Erneut zeigen die politisch Verantwortlichen in Berlin, was sie von Bürgerengagement und direkter Demokratie halten.

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Der Senat hat der Initiative Volksentscheid Fahrrad zugesichert, seine Kostenschätzung innerhalb von vier Wochen abzuschließen. Erst wenn die amtliche Schätzung vorliegt, kann die Unterschriftenliste freigegeben werden und die Unterschriftensammlung beginnen. In mehreren Gesprächen hieß es, dass der Vorgang üblicherweise zwei bis vier Wochen dauern würde. Im Abstimmungsgesetz ist in Paragraph 15 Absatz 1 festgelegt, dass der Senat die Kostenschätzung „umgehend“ erstellen muss.

Der Senat begründet seine Verspätung damit, dass der vorgelegte Entwurf des Radverkehrsgesetzes eine Vielzahl von Infrastruktur-Maßnahmen und Reformen für eine leistungsfähige Verwaltung enthalte, für die es noch keine vollständigen Lösungsansätze und belastbaren Kostenerfahrungen gäbe.

Tatsächlich hat der Senat in mehreren Kleinen Anfragen jeweils mit Frist von drei Wochen alle Kostensätze zur Kalkulation des Volksentscheids Fahrrads bereits offengelegt. Die Ehrenamtlichen haben ihre Kostenschätzung darauf aufbauend innerhalb von zwei Tagen erarbeitet. Die Initiative hat bislang alle selbstgesetzten, zeitlich sehr ehrgeizigen Meilensteine halten können, nun wird sie ausgebremst.

Der Senat trickst, weil er weiß, dass die Zeit drängt.

„Der Senat trickst, weil er weiß, dass die Zeit drängt. Wenn der Start der Unterschriftensammlung weiter hinaus gezögert wird, ist der Abstimmungstermin für den Volksentscheid Fahrrad zur Bundestagswahl im September 2017 nicht zu halten“, so Kerstin Meyer von der Initiative „Volksentscheid retten“. Die Initiative „Volksentscheid retten“ will erreichen, dass der Senat Volksbegehren künftig nicht mehr aushebeln kann: Volksentscheide würden immer auf Wahltage fallen und alle Vorbereitungsfristen auf Seiten des Senats sind wasserdicht zu regeln.

Tatsächlich liegen die Grundzüge des Berliner Radverkehrsgesetzes (RadG) seit Ende Februar vor. Die peinliche Verzögerungstaktik bei der amtlichen Kostenschätzung zeigt, dass die Berliner Radverkehrspolitik einen grundlegenden Neustart braucht.

„Viele Sammler wollten über Pfingsten loslegen, um den Karneval der Kulturen und das lange Wochenende zu nutzen. Für sie stellt sich nun die Frage, ob sie Urlaubstage für die Sammlung verwenden müssen, weil der Senat seine eigenen Fristen nicht einhält“, sagt Denis Petri vom Volksentscheid Fahrrad, der die Vorbereitung der Sammlung koordiniert hat. Und weiter: „Wir bitten die Arbeitgeber, ihre Mitarbeiter durch Sonderurlaub für diese ehrenamtliche, gemeinnützige Arbeit freizustellen.“

Unterschriftenaktion beim Ride of Silence?

Immerhin will der Senat laut eigener Aussage versuchen, bis Mittwochabend, 18. Mai, die Kostenschätzung inkl. der amtlichen Freigabe des Unterschriftenblattes hinzubekommen. Denn die Unterschriftensammlung soll vor dem Start des ‚Ride of Silence’ am Brandenburger Tor starten. An dem Tag startet um 19 Uhr die weltweit größte und gleichzeitige Fahrrad-Demo in 350 Städten und sieben Kontinenten. Schweigend, in Weiß oder Schwarz gekleidet und in Gedenken an getötete Radfahrer werden diese Unfallstellen abgeradelt. „Wir wollen einfach nur sicher Radfahren: Dafür steht der ‚Ride of Silence’ und der Volksentscheid Fahrrad“, sagt Heinrich Strößenreuther vom Volksentscheid Fahrrad. Strößenreuther hat im vergangenen Jahr Berlins ersten und den weltweit größten „Ride of Silence“ organisiert.

In den ersten fünf Monaten von 2016 gab es bereits sieben getötete Radfahrer, in den letzten Jahren waren es zehn Menschen, die bei Radverkehrsunfällen ihr Leben gelassen haben. Seit 2010 ist die Zahl der Leichtverletzten um 31% gestiegen, die der Schwerverletzten um 31%.

Hintergrund
Die Abstimmungen von „Volksentscheid Fahrrad“ und „Volksentscheid retten“ wollen die Initiatoren mit der Bundestagswahl im Herbst 2017 verbinden. Dadurch wird sichergestellt, dass genügend Wähler zur Urne gehen, und der Senat und die Steuerzahler sparen Kosten und haben weniger Aufwand.

Pressemitteilung