Ein Gastbeitrag von Thomas Berger*, der hier vor einem Jahr bereits zur Verkehrsunfallstatistik 2014 geschrieben hatte.

Am letzten Mittwoch hat die EU-Kommission eine Statistik zur Straßenverkehrssicherheit veröffentlicht. Das ernüchternde Ergebnis: Die Zahl der Verkehrsopfer ist in der Europäischen Union angestiegen!

In den 28 Ländern der EU kamen in 2015 bei Verkehrsunfällen 26.000 Menschen ums Leben. Pro Tag sterben demnach 70 Menschen auf den europäischen Straßen. Im Vergleich zum letzten Jahr ist ein Anstieg von 1 Prozent zu verzeichnen. Zusätzlich werden noch 135.000 Personen auf den europäischen Straßen schwer verletzt. Bei der Mehrzahl dieser Schwerverletzten handelt es sich um schwächere Verkehrsteilnehmer wie Fußgänger oder Fahrrad- bzw. Motorradfahrer. In den letzten 20 Jahren gab es durchschnittlich weniger Terroropfer pro Jahr als allein der Anstieg der Verkehrstoten in 2015 gefordert hat.

Infographic: Victims Of Terrorist Attacks In Western Europe | Statista

Auch in Deutschland sind im letzten Jahr wieder mehr Menschen im Straßenverkehr gestorben. Die Zahl der Verkehrstoten beläuft sich auf 3.475 Menschen (+ 2,9 Prozent). Bereits das zweite Jahr in Folge sind steigende Opferzahl in Deutschland zu verzeichnen, obwohl die Bundesregierung – wie auch die EU-Kommission – eigentlich das Ziel haben, die Unfallzahlen bis 2020 zu halbieren.

Ursächlich für das Unfallgeschehen sind die seit vielen Jahren bekannten Probleme auf deutschen Straßen:

  • zu hohe Geschwindigkeit
  • Alkohol, Drogen, Medikamente
  • mangelnde Beachtung von Verkehrsregeln
  • zu wenig Verkehrsüberwachung durch die Polizei
  • keine abschreckende Wirkung durch geringe Strafen bei Regelübertretungen
  • größere und schwerere Fahrzeuge (SUV)
  • leistungsstärkere Fahrzeuge
  • steigende Kraftfahrzeugzulassungszahlen = immer dichterer Verkehr
  • vermehrte Ablenkung durch Navigationsgeräte, Handys, Bordcomputer
  • aggressives Fahrverhalten, keine Rücksichtnahme

Die für Verkehr zuständige EU-Kommissarin Violeta Bulc hat vergangene Woche alle Verkehrsminister der EU angeschrieben und bittet um stärkeres politisches Engagement für mehr Verkehrssicherheit.

Wir hätten da einen Vorschlag Herr Dobrindt:

10 Punkte Programm für mehr Verkehrssicherheit auf deutschen Straßen

1. Reduzierung des Geschwindigkeitsniveaus auf allen Straßen – damit Geschwindigkeit nicht mehr der Killer Nummer 1 ist
auf Stadtstraßen:
– 30 km/h für alle Kraftfahrzeuge
auf Landstraßen:
– 80 km/h für alle Kraftfahrzeuge
auf Autobahnen:
– 120 km/h für PKW und Motorräder
– 100 km/h für Kraftfahrzeuge über 2,5 t
– 80 km/h für Kraftfahrzeuge über 7,5 t

2. Anhebung aller Bußgelder und Strafen – mindestens auf europäisches Durchschnittsniveau und Kopplung der Bußgeldhöhe an das Einkommen – damit Strafen auch eine abschreckende Wirkung haben

3. Null Promillegrenze für Fahrer von Kraftfahrzeugen – damit keine unschuldigen Menschen mehr von Fahrern getötet werden die „nur“ zwei Maß Bier getrunken haben

4. Einführung von Intelligent Speed Adaptation (ISA)Intelligenter Geschwindigkeitsassistenz – damit Geschwindigkeitsbeschränkungen auch eingehalten werden

5. Einführung von Abbiege- und Bremsassistenten für Lkw – damit in Städten keine Fußgänger und Radfahrer mehr im Toten Winkel sterben

6. Initiative der Bundesregierung zur deutschlandweiten Verankerung der Vision Zero in Straßenbauverwaltungen – damit bei der Gestaltung von Verkehrsräumen die Verkehrssicherheit an erster Stelle steht und nicht die Leistungsfähigkeit des Verkehrs

7. Gerechtere Flächenverteilung in Städten – mehr Raum für die schwächeren Verkehrsteilnehmer (Fußgänger und Radfahrer) – damit unsere Städte sicherer werden

8. Förderung der Verkehrssicherheitsforschung durch Etablierung einer unabhängigen Bundesbehörde – damit nicht weiter der ADAC und sonstige „Experten“ aus der Automobilwirtschaft die Diskussion bestimmen

9. Bundesweites Verkehrssicherheitsprogramm ähnlich dem schweizerischem „Via sicura“ mit klaren Zielvorgaben zur Senkung der Unfallzahlen in den nächsten Jahren – damit weniger Menschen auf deutschen Straßen sterben

10. Elektronische Sperre für die Nutzung von Entertainmentangeboten, Navigationsgeräten, Handys, usw. durch den Fahrer eines Kraftfahrzeuges beim Fahren – damit sich Fahrer auf den Verkehr konzentrieren und nicht abgelenkt werden

* Der Verfasser ist Mitglied in einem nordrhein-westfälischen ADFC-Verband und möchte nicht unter seinem richtigen Namen genannt werden, da er negative Konsequenzen fürchtet.