Am Donnerstag war ich bei der Veranstaltung „Konzepte für eine klimafreundliche Mobilität in Stadt und Land“ von der Klimaschutz- und Energieagentur Niedersachsen. Zwei Referenten sind mir dabei besonders in Erinnerung geblieben. Oder viel mehr das, was sie gesagt haben. Zunächst hat ein Kreisrat des Landkreises Osnabrück die Begrüßung und Einleitung übernommen. Dabei hat er ganz nebenbei ein Problem entlarvt, das uns bei der Verkehrswende in unseren Städten ordentlich zu schaffen macht.

Zwar hat er anerkannt, dass junge Leute sich heute nicht mehr so viel aus Autos machten und gerade in Städten mühelos darauf verzichten könnten. Das stünde allerdings ganz im Gegenteil zu seiner eigenen Generation. Er sei in einer Zeit aufgewachsen, in der das Auto eine größere Bedeutung hatte. Und das sei bei dieser Generation heute immer noch so. Sie habe ein emotionales Verhältnis zum Auto und kaufe es nicht (nur), um von A nach B zu kommen, sondern weil sie sich mit der Marke identifiziere. Kann man der Autoindustrie und ihren Werbeabteilungen ein größeres Kompliment machen?

Ist die Gleichberechtigung der Verkehrsmittel eine Generationenfrage, die wir wohl oder übel aussitzen müssen?

Das Problem an diesem emotionalen Verhältnis: es sitzen sehr wenige 25-Jährige mit einer rationalen Sicht auf das Auto in den Führungsetagen unserer Verwaltungen. Das heißt im Umkehrschluss, dass dort ältere Semester die Entscheidungen treffen. Eben die, die sich in einem emotionalen Verhältnis zu ihrem Auto befinden. Wundert es da noch, dass wir es nicht schaffen, dem Auto zumindest ein bisschen Fläche zu nehmen, um es den benachteiligten Verkehrsmitteln zuzugestehen? Und wie kann eine Lösung aussehen, wenn wir es bereits seit Jahren nicht schaffen, diesen Entscheidern nennenswerte Erfolge abzuringen? Ist eine Gleichberechtigung der Verkehrsmittel und die Flächengerechtigkeit in unseren Städten (überspitzt gesagt) vielleicht eine Generationenfrage, die wir wohl oder übel aussitzen müssen?

Die Frage leitet mich zu der zweiten Person, die einen sehr schönen Satz gesagt hat. Es war Kathrin Voskuhl von der Kommunikationsagentur tippingpoints. Sie sagte, dass es sehr schwer sei, Bürgerinnen und Bürger von einer Idee zu überzeugen, wenn die Führungskräfte einer Stadt, insbesondere der Bürgermeister, diese Idee nicht vorlebten. Und ich denke, sie hat recht. Wenn eine Stadt ihre Bürgerinnen und Bürger dazu aufruft, mehr Wege mit dem Fahrrad zurückzulegen, der Bürgermeister aber nie auf dem Fahrrad sondern immer nur im Auto gesehen wird, dann nimmt man die Stadt nicht ernst. Dann nimmt man die Idee nicht ernst.

Wasser predigen, aber Wein trinken – so wird man nicht ernst genommen…

Bestes Gegenbeispiel ist London mit Bürgermeister Boris Johnson. Ihn sieht man fast täglich auf dem Rad. Ihm nimmt man ab, den Radverkehr ernsthaft fördern zu wollen. Und das liegt eben nicht nur an dem Geld, das bereitsteht und den Projekten, die geplant und umgesetzt werden. Johnson lebt die Idee vor und zeigt, dass sie funktioniert. Brauchen wir also einen deutschen Boris Johnson? Nein, wir brauchen viele! (Post-Brexit-Update: natürlich nur, was den Radverkehr angeht…)