Nachdem mein Onkel kürzlich zum ersten Mal in Osnabrück und recht begeistert von der Radverkehrsinfrastruktur, insbesondere den vielen Schutz- und Radfahrstreifen war, habe ich mir noch mal Gedanken gemacht, ob es hier für Radfahrerinnen und Radfahrer doch nicht so schlecht aussieht, wie ich ab und zu kritisiere.

ARAS in der Dielinger Straße

ARAS in der Dielinger Straße

Zugegeben, die Stadt macht sich seit einigen Jahren vermehrt Gedanken, was man besser machen kann. Und manchmal werden diese Gedanken auch in die Tat umgesetzt. Bestes Beispiel dafür sind die ARAS, die aufgeweiteten Radaufstellstreifen an Kreuzungen, die es Radfahrerinnen und Radfahrern ermöglichen, sich an roten Ampeln vor dem motorisierten Verkehr zu positionieren und somit deutlich sichtbar werden. (Was zwar nicht jedem Autofahrer gefällt, aber das muss es ja auch nicht…)

Nun muss man dazu aber auch sagen, dass mein Onkel aus einer ländlichen Kleinstadt mit 12.000 Einwohnern kommt, wo Radverkehr von den Behörden noch eher als Freizeitvergnügen gesehen wird. Eine eigene Infrastruktur scheint da aus dieser Sicht (fast) nur an Bundes- und Landesstraßen sinnvoll zu sein.

Wenn man dann nach Osnabrück kommt und die vielen Radwege, Schutz- und Radfahrstreifen sieht, dann macht das sicher Eindruck. Denn man sieht ja immerhin was. Wenn man dann aber regelmäßig auf diesen Wegen und Streifen unterwegs ist, trübt sich das Bild langsam ein.

Nehmen wir als Beispiel den Hochbordradweg an der Hansastraße: gesäumt von unzähligen Ein- und Ausfahrten von Autohäusern, Tankstellen, Bau- und Supermärkten ist es für Radfahrer ein Auf und Ab, bei dem ständig die Gefahr mitfährt, von rechtsabbiegenden Auto- und LKW-Fahrern übersehen zu werden (siehe Video unten). Von den ersten 500 Metern mit dem gemeinsamen Rad- und Fußweg ganz zu schweigen. Ähnlich ist es auf der Gegenseite stadteinwärts. Da gibt es zwar nicht so viele Ein- und Ausfahrten, dafür ist der Hochbordradweg nicht gerade in perfektem Zustand. Und an der Weserstraße befindet sich ein Unfallschwerpunkt für Radfahrer, an dem in den letzten zehn Jahren bereits zwei Todesopfer zu beklagen waren.

Nehmen wir als weiteres Beispiel den Radfahrstreifen am Blumenhaller Weg. Für mich ist dieser Streifen ehrlich gesagt nicht mehr als ein Abstandszeiger zum Fahrbahnrand, der die Dooring-Zone markiert. Denn genau daneben befindet sich ein Parkstreifen. Reißt ein Autofahrer die Tür auf, reicht diese genau bis zur Radfahrstreifenmarkierung. Da kann man als Radfahrer dann absolut nichts mehr machen – schon gar nicht, wenn man einigermaßen flott unterwegs ist. Insofern fahre ich maximal AUF der Markierung, im Zweifel eher noch weiter links.

Ähnlich sieht es am Wall aus. Der Radfahrstreifen ist fast durchgehend recht schmal (ab und zu unterbrochen von Hochbordradwegen). Wenn man da von einem LKW überholt wird, wird es schon ziemlich eng. Schlenker darf man sich da nicht erlauben.

Und nehmen wir alle Radfahrstreifen der Stadt als universelles Beispiel dafür, dass diese Radinfrastruktur regelmäßig von parkenden Autos blockiert wird. Der tumblr Osnabrücker Radwege dokumentiert das anschaulich. Daran kann die Stadt zwar nicht viel machen, außer Knöllchen zu verteilen. Aber es zeigt auch, dass ein Bewusstsein für den Radverkehr bei vielen in der Stadt noch nicht allzu groß ist.

Radfahr- und Schutzstreifen vermitteln Sicherheit, sind aber oft viel zu schmal.

Auch die Tatsache, dass die Stadt in Sachen Radwegebenutzungspflicht nicht konsequent abschildert, wie es die Straßenverkehrsordnung seit über 15 Jahren fordert, zeigt, dass der Radverkehr hier nicht ganz so ernst genommen wird. Vor drei Monate habe ich um die Aufhebung einer Benutzungspflicht in einer Tempo 30 Zone gebeten. Hier darf sie sogar ausdrücklich nicht angeordnet werden. Geschehen ist bisher nichts…

Und dann gibt es natürlich auch viele kleine Ärgernisse wie zu hohe Kantsteine. Wenn man die Ampel am Arndtplatz in Richtung Heinrichstraße überquert, muss man jedes Mal aufpassen, dass man sich nicht die Felgen schrottet. Und der Radweg an der Weidenstraße, der zwar nicht benutzungspflichtig ist, hat praktisch keine ebenerdige Zufahrt. Auch hier muss man immer einen für RadfahrerInnen viel zu hohen Kantstein überwinden.

Natürlich gibt es auch positive Beispiele, keine Frage. Neben den oben erwähnten ARAS zählt zum Beispiel der neue Radfahrstreifen an der Bremer Straße, der schön breit ist, sodass man auch mit Seitenabstand zu den parkenden Autos noch auf ihm fahren kann. Auf einem kurzen Stück beginnt er sogar nicht direkt am Fahrbahnrand, sondern ein wenig auf die Fahrbahn versetzt, sodass die Dooring-Zone fast vollständig entschärft ist. Dafür (und für den Mittelstreifen) mussten dem motorisierten Verkehr im Übrigen zwei Spuren weggenommen werden. Dazu nur so viel: man hat es überlebt.

So sollte ein Radfahrstreifen aussehen, wenn schon ein Parkstreifen daneben sein muss!

So sollte ein Radfahrstreifen aussehen, wenn schon ein Parkstreifen daneben sein muss!

Insgesamt kann ich es also schon verstehen, wenn man im ersten Moment beeindruckt ist, von den vielen „kleinen Dingen“ in Osnabrück. Nur ergeben diese vielen kleinen Dinge eben nicht das große Ganze, in dem man sich durchgehend sicher, frei und selbsterklärend bewegen kann. Zu viele Radwege und Radfahrstreifen enden im Nichts. Zu viele (unrechtmäßig) benutzungspflichtige Radwege sind in einem schlechten Zustand, der das komfortable und zügige Radfahren behindert. Eine Fahrradstadt ist Osnabrück daher noch nicht.

Die für Radfahrer sehr unkomfortable Hansastraße in Osnabrück. Und gleich bei der ersten Aufnahme fast ein typischer „Rechtsabbiegerunfall“…

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Fotos: dd
Video: vimeo