Die Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr hat im November 2013 einen Leitfaden Radverkehr herausgegeben (veröffentlicht im Februar 2014), der Informationen zu Radverkehrsführung, Radwegebenutzungspflicht, Kostenträgerschaft sowie Baulast für Radwege an Bundes- und Landesstraßen in Niedersachsen bereithält.

Ich will hier auf die Radwegebenutzungspflicht eingehen. Denn da tut sich momentan ja in mehreren niedersächsischen Städten etwas. Oldenburg und Göttingen sind die prominenteren Beispiele.

Mit dem Papier sollen bestehende Praxisfragen aufgegriffen, unter den verkehrs- und straßenrechtlichen Vorgaben bewertet und im Sinne sachgerechter Lösungsansätze, die zu sicheren und nachvollziehbaren Radverkehrsführungen beitragen, weiter entwickelt werden.

Schauen wir uns zunächst die Grundsätzlichen Aspekte der Radwegebenutzungspflicht an. Hier macht der Leitfaden ziemlich deutlich klar, dass „Radwege [seit 1997] nur noch als benutzungspflichtig ausgewiesen werden [dürfen], wenn dies aus Gründen der Verkehrssicherheit oder des Verkehrsablaufes tatsächlich zwingend erforderlich ist“. Die Fahrbahnnutzung stellt für den Radverkehr den Regelfall dar. Weiter heißt es: „Eine Radwegebenutzungspflicht stellt deshalb eine Beschränkung des fließenden Radverkehrs dar und darf demnach nur angeordnet werden, wenn aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage (hier insbesondere für Leben und Gesundheit von Verkehrsteilnehmenden sowie für Sacheigentum) besteht, die das allgemeine Risiko erheblich übersteigt.“

Das ist interessant ausgedrückt. Denn landläufig gelten Radfahrer auf der Fahrbahn ja als Behinderung, bzw. „Beschränkung des fließenden Verkehrs“. Hier wird aber endlich mal dem Radverkehr Rechnung getragen, wenn es heißt, eine Radwegebenutzungspflicht behindert den Radverkehr.

Eine Radwegebenutzungspflicht stellt deshalb eine Beschränkung des fließenden Radverkehrs dar!

Dass neue Radwegebenutzungspflichten im Einzelfall auf diese strengen Maßstäbe hin zu prüfen sind, ist klar. Was aber ist mit den noch bestehenden Benutzungspflichten, die diese strengen Kriterien nicht erfüllen? Dazu heißt es: „Die Anordnung ist als Dauerverwaltungsakt im Hinblick auf ggf. veränderte Sachverhalte (z.B. Änderung der Kfz-Verkehrsstärke) regelmäßig zu überprüfen.“

Der wahrscheinlich wichtigste veränderte Sachverhalt ist hier aber wohl die StVO-Novelle von 1997 selbst. Sie macht eine flächendeckende Überprüfung aller Radwegebenutzungspflichten erforderlich. Einen Zeitrahmen gibt es dafür aber leider nicht.

Es folgen im nächsten Unterpunkt Anforderungen an benutzungspflichtige Radverkehrsanlagen, von denen ich in der Regel mindestens eine nicht erfüllt sehe. Hier insbesondere: „Unter Sicherheitsaspekten besonders wichtig: Ausreichende Sicht zwischen Kfz-Verkehr und Radverkehr an Knotenpunkten und verkehrsreichen Grundstückszufahrten.“ Damit müsste die Benutzungspflicht an allen Straßen wegfallen, die zwischen Fahrbahn und Radweg einen Parkstreifen haben!

Ebenfalls oft unzulänglich: „Die Linienführung ist im Streckenverlauf sowie an Knotenpunkten eindeutig erkennbar und stetig.“ Viele benutzungspflichtige Radwege (auch in Osnabrück) sind so alt, dass eine Markierung schon gar nicht mehr vorhanden ist!

Schrittgeschwindigkeit nur, falls notwendig!

Im Abschnitt Radverkehrsanlagen ohne Benutzungspflicht gibt es einen sehr interessanten Satz, der mir Rückendeckung in einer Diskussion um die „richtige“ Geschwindigkeit auf Gehwegen mit Zusatzzeichen „Radverkehr frei“ gibt. Ich bin nämlich der Meinung, dass hier kein generelles Schritttempo gilt, sondern nur, wenn es die Umstände fordern, sprich Fußgänger in der Nähe sind. Der Leitfaden drückt das so aus: „Nicht benutzungspflichtig sind ferner Gehwege, bei denen durch Zusatzzeichen „Radverkehr frei“ das Radfahren, falls notwendig nur mit Schrittgeschwindigkeit, zugelassen ist.“ Begründen lässt sich dies in der StVO mit einem unscheinbaren Semikolon. (hier mehr)

Interessant sind in diesem Unterpunkt noch die möglichen Gründe für den Neubau eines Radweges ohne Benutzungspflicht:

  • Schutzbedürftigem Radverkehr soll trotz des Fehlens einer außergewöhnlichen Gefahrenlage auf der Fahrbahn ein Angebot geschaffen werden, z.B. auf Schulwegbeziehungen.
  • Sicherung des Radverkehrs im Zuge einer Autobahn- Umleitungsstrecke, die nur sporadisch durch starken Umleitungsverkehr genutzt wird.
  • Strecke mit starker Steigung, auf der mit dem Rad großenteils nur mit geringer Geschwindigkeit gefahren werden kann.
  • Radweg als besser nutzbares Angebot bei unebener Fahrbahn, z.B. Fahrbahn mit historischem Pflaster.
  • Vermeidung mehrmaliger Fahrbahnquerungen, wenn Quelle und Ziel auf derselben Straßenseite liegen.

Und das Fazit des Leitfadens zur Radwegebenutzungspflicht: „Innerorts werden Radverkehrsanlagen mit Benutzungspflicht zukünftig eher die Ausnahme darstellen. (…) Radwege dürfen nur als benutzungspflichtig ausgewiesen werden, wenn dies aus Gründen der Verkehrssicherheit und des Verkehrsablaufs tatsächlich zwingend erforderlich ist und die Mindestanforderungen nach VwVStVO eingehalten sind.“

Mein Fazit: Der Leitfaden macht einige Punkte in Bezug auf die Radwegebenutzungspflicht sehr deutlich. Umgesetzt ist er, und damit die StVO-Novelle von 1997, aber leider immer noch nicht!

Und hier geht es noch mal zum Leitfaden Radverkehr der Niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr!